Marcus Krämer

Zukunft des Fußballs Wie der DFB das Frauennationalteam sabotiert

Das Rampenlicht WM ist für die deutschen Fußballerinnen erloschen. Nun gilt es, den Sport nachhaltig zu fördern. Der DFB hat daran aber wenig Interesse - obwohl es viele leicht umzusetzende Ideen gibt.
Nationalspielerin Lina Magull nach dem Viertelfinal-Aus gegen Schweden

Nationalspielerin Lina Magull nach dem Viertelfinal-Aus gegen Schweden

Foto: Benoit Tessier/ REUTERS

Die WM 2019 geht in die Endphase - und Deutschland ist nicht dabei. Das ist sportlich ärgerlich und wirft zu Recht Fragen auf. Viel wichtiger ist es aber, den von Frauen gespielten Fußball in den kommenden Monaten und Jahren aus der Randsportnische herauszuholen und fortwährende Effekte zu erzielen. In Sachen Nachhaltigkeit sind auch wir Medien gefragt, die grundsätzlich viel zu wenig über Frauen im Sport berichten.

In erster Linie muss aber der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Verantwortung übernehmen, angefangen mit der Frage der Bezahlung. Es ist ein Skandal, dass es Bundesligaspielerinnen gibt, die 250 Euro im Monat bekommen . Forderungen nach einer finanziellen Gleichstellung im Vereinsfußball sind trotzdem wenig hilfreich, dafür sind die Gehälter bei den Männern zu hoch. Anders sieht die Rolle des gemeinnützigen DFB aus. Der Verband muss laut eigener Satzung ganz allgemein Fußball fördern - gleiche Prämien für beide Nationalmannschaften sollten deshalb obligatorisch sein.

Auf höchster Ebene wird anscheinend nur ein Erfolgsrezept angewendet: die totale Ausrichtung am Männerfußball. Sicherlich ist das Engagement großer Profiklubs wie Manchester City, FC Barcelona oder FC Bayern positiv zu bewerten. Wenn Fifa-Präsident Gianni Infantino aber mit der Nations League und einer Klub-WM zwei neue Wettbewerbe als wichtigstes Ziel ankündigt, ist das der falsche Weg.

Es muss Möglichkeiten geben, den Sport und seine Protagonistinnen zu fördern, ohne sich dabei ausnahmslos am Männerfußball zu orientieren. Das könnte aber passieren, wenn kommerzieller Erfolg über der sportlichen Entwicklung steht. Die WM zeigt, dass es lange Diskussionen mit den Schiedsrichterinnen, Rudelbildung oder Theatralik bis auf wenige Ausnahmen nicht gibt. Es geht entspannter zu als bei den Männern, auch die Atmosphäre in den Stadien orientiert sich am Geschehen auf dem Platz und ist kein stumpfer Dauergesang der ewig gleichen Lieder. Deshalb hat es der Frauenfußball verdient, andere Wege als den der Angleichung zu gehen.

Vielleicht hilft es, die europäische Perspektive zu verlassen. In den USA wird Fußball, dank der Förderung an den Highschools, schon lange von vielen Frauen gespielt. Dort hat sich eine Profiliga (NWSL) etabliert, in der in dieser Saison vor durchschnittlich über 6000 Zuschauern gespielt wird. Die US-Nationalspielerinnen sind beim Verband angestellt, alle anderen werden von den Vereinen bezahlt und erhalten Jahresgehälter zwischen 16.538 und 46.200 US-Dollar. Das garantiert keine Karriere, ohne sich währenddessen schon um die Karriere danach zu kümmern. Aber in welcher Sportart hat man nach dem Ende der Laufbahn schon ausgesorgt? Die Gehälter in der NWSL sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wie hoch das sportliche Niveau unter diesen Bedingungen sein kann, zeigt das US-Team bei dieser Weltmeisterschaft.

Wie die Zukunft des Fußballs in Deutschland auch immer aussehen wird, es braucht von Seiten des DFB fortschrittliche Ideen. Fortschrittlicher als die fragwürdige Forderung in der "Zeit" , dem Frauenfußball andere Regeln oder kleinere Spielfelder zu verpassen:

  • Eine Vermarktung, die diesen Namen verdient und sich nicht auf dem viralen Erfolg eines kommerziellen Werbespots ausruht. Der Fußball muss stärker in die Öffentlichkeit getragen werden, zum Beispiel über späte Anstoßzeiten, volle Stadien oder Nationalspielerinnen als DFB-Werbegesichter. Der Verband muss kritische Themen wie die Prämienregelung oder Diversität im DFB zulassen - ohne Spielerinnen zu bevormunden . Allerdings müssen sich die Spielerinnen selbst auch häufiger mit starken Meinungen positionieren.
  • Eine bessere Ausbildung von Trainerinnen. Bei der WM wurden neun von 24 Teams von weiblichen Trainern betreut, in der kommenden Bundesligasaison gibt es überhaupt keine Trainerin. In den Fußballlehrer-Lehrgängen des DFB sitzt im Durchschnitt eine Frau unter 25 Teilnehmern.
  • Der DFB verzeichnet einen Rücklauf im Mädchenfußball, umso wichtiger ist eine gezielte Förderung von Vereinen mit guter Nachwuchsarbeit.
  • Eine stärkere Integration des Fußballs in den Schulsport. Dort können Mädchen unabhängig vom Vereinswesen für den Fußball begeistert werden.
  • Sportlich hätte es keine Auswirkungen, aber es wäre ein vorbildliches Signal, wenn sich der DFB für Spielerinnen engagiert, die ein Kind bekommen wollen. Finanzieller Schutz in Form von Elterngeld ist die eine Seite, es geht aber auch um garantierte Kaderplätze nach der Rückkehr in den Leistungssport.
  • Mehr Unabhängigkeit von den Erfolgen des deutschen Nationalteams. Das WM-Aus ist unter bisherigen Vermarktungsprinzipien ein herber Rückschlag, weil das Nationalteam im kommenden Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokio nicht vertreten sein wird und vermutlich erst zur EM 2021 wieder im öffentlichen Interesse auftaucht. Wenn der DFB die Bundesliga in ihrer Nische belässt, wird sich daran nichts ändern.

Wer das kommende Länderspiel in der WM-Qualifikation gegen Montenegro am 31. August um 12.30 Uhr ansetzt, hat an ernsthafter Vermarktung aber wohl kein Interesse.

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