DFB-Elf verliert WM-Finale Das unvollendete Wunderwerk
Yokohama - Oliver Kahn genießt es, im Brennpunkt des Geschehens zu stehen. Aber als die neuen Weltmeister aus Brasilien nach dem 2:0 (0:0)-Sieg gegen Deutschland im WM-Endspiel freudetanzend das Siegerpodium erklommen, stand der DFB-Kapitän abseits - und wollte nur noch weg. Kahn verließ als erster Spieler das Stadion und sah schon fast nicht mehr, wie Brasiliens Kapitän Cafu den Pokal in den von einem bunten Feuerwerk erstrahlten Nachthimmel von Yokohama reckte.
Die Trauer über das verlorene Weltmeisterschaftsfinale stand dem Welttorhüter ins Gesicht geschrieben. Vor allem, weil einer der seltenen Fehler von Kahn die Niederlage der deutschen Mannschaft eingeleitet hatte. Es war die 67. Minute im International Stadium Yokohama, in der ausgerechnet die Führungskräfte der DFB-Auswahl patzten. Zunächst verlor Dietmar Hamann kurz vor der eigenen Strafraumgrenze den Ball an Ronaldo, den folgenden Schuss von Rivaldo ließ Kahn nach vorn abprallen, so dass Ronaldo zum vorentscheidenden 1:0 für Brasilien abstauben konnte. "Das war mein einziger Fehler in den sieben WM-Spielen, und er ist brutal bestraft worden", kommentierte der 33-jährige Torwart untröstlich.
Über eine Stunde lang hatte die Elf von Rudi Völler - ohne den gelbgesperrten Michael Ballack - mit dem Favoriten nicht bloß mithalten können. Phasenweise war die deutsche Mannschaft, die in der Offensive angetrieben von Bernd Schneider ihr bestes Spiel dieser Titelkämpfe bot, sogar stärker und hätte durch einen Kopfball vom völlig freistehenden Jens Jeremies (47.) oder einen 30-Meter-Freistoß von Oliver Neuville (49.), den Brasiliens Keeper Marcos an den Pfosten lenkte, durchaus ein Tor vorlegen können. "Leider ist es uns nicht wie in den anderen Spielen gelungen, in Führung zu gehen", trauerte Völler den vergebenen Chancen nach.
Brasiliens Angreifer "gehobene Weltklasse"
Auf der anderen Seite hatten die Brasilianer, bei denen Ronaldinho herausragte, bereits in der ersten Hälfte viel versprechende Tormöglichkeiten durch Ronaldo (18., 29., 45.) und Kleberson (44.) besessen, der mit einem wunderbaren Schlenzer aus 20 Metern die Latte traf. Gegen die an Genialität grenzenden Fähigkeiten der brasilianischen Offensivspieler, denen Völler "gehobene Weltklasse" bescheinigte, hätte selbst eine sehr gut organisierte und kompakt verteidigende deutsche Elf viel Glück und einen überragenden Keeper benötigt, um ohne Gegentreffer zu bleiben.
Im Nachhinein kann niemand sagen, ob die erstmals seit Jahrzehnten als krasser Außenseiter zur WM angereiste deutsche Nationalelf nach fünf Siegen und einem Remis in Japan und Südkorea ihr Wunderwerk mit dem Finaltriumph gegen Brasilien vollendet hätte, wenn Oliver Kahn nicht dieser eine folgenschwere Fehler in der 67. Minute unterlaufen wäre. Auf jeden Fall zeigten die Völler-Schützlinge gegen Brasilien deutsche Wertarbeit, die in dieser Form auch international wieder Anerkennung finden könnte. Zumal sich die DFB-Auswahl als fairer Verlierer aus Asien verabschiedete. "Brasilien hat verdient gewonnen und ist ein würdiger Weltmeister", zollte der Teamchef dem Gegner, für den Ronaldo in der 79. Minute mit seinem achten Turniertreffer zum 2:0 traf, seine ehrliche Anerkennung.
Heimreise als Sieger
In den Stunden der Trauer über die verpassten WM-Titel vergaß der deutsche Kapitän nicht, die Leistung der eigenen Mannschaft zu würdigen, deren Feldüberlegenheit gegen den jetzt fünffachen Champion sich in einem 13:3-Eckenverhältnis ausdrückte. "Ich werde jetzt nicht wegen des ersten Tores den Fehler machen zu sagen, dass alles hier schlecht war", sagte Kahn. "Wir haben den deutschen Fußball wieder ganz nach oben gebracht. Wichtig ist, dass wir mit dem Vizeweltmeistertitel im Rücken die Mannschaft in den nächsten vier Jahren weiter aufbauen können."
Tatsächlich ist das deutsche Team in der komfortablen Situation, trotz der Niederlage als Sieger in die Heimat zurückzukehren. Für die Brasilianer war der Erfolgsdruck weitaus höher. Ihr heftig kritisierter Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari atmete nach dem Schlusspfiff erleichtert auf und sagte: "In Brasilien wären wir als Zweiter Letzter gewesen."
Deutschland - Brasilien 0:2 (0:0)
0:1 Ronaldo (67.)
0:2 Ronaldo (79.)
Deutschland: Oliver Kahn; Torsten Frings, Thomas
Linke, Carsten Ramelow, Christoph Metzelder; Bernd
Schneider, Jens Jeremies (77. Gerald Asamoah), Dietmar Hamann, Marco Bode (84. Christian Ziege);
Oliver Neuville, Miroslav Klose (74. Oliver Bierhoff)
Brasilien: Marcos; Lucio, Edmilson, Roque
Junior; Cafu, Gilberto Silva, Kleberson, Ronaldinho (85. Juninho Paulista),
Roberto Carlos; Ronaldo (89. Denilson), Rivaldo
Schiedsrichter: Pierluigi Collina (Italien)
Zuschauer: 70.564
Gelbe Karte: Klose - Roque Junior