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Fotostrecke: Die Nerven, die Nerven

Foto: FRANCK FIFE/ AFP

Halbfinal-Aus der DFB-Frauen Sasics Drama

Der Titeltraum ist ausgeträumt. Ein vergebener Strafstoß läutete die Niederlage der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft im Halbfinale gegen die USA ein. Celia Sasic wurde dabei zur tragischen Figur.

Die Frage nach ihrem Gemütszustand schien irgendwie überflüssig. "Beschissen", flüsterte Celia Sasic, um sodann mehrfach zu schlucken. Dass sie überhaupt in der von den Scheinwerferstrahlern aufgeheizten Mixed Zone des Olympiastadions von Montreal einen Kommentar abgab, war in ihrer Situation schon ehrenwert.

Ausgerechnet die bisher Treffsicherste der deutschen Frauen-Nationalmannschaft wurde im WM-Halbfinale zur Verliererin. Die letztlich verdiente 0:2-Niederlage im Klassiker gegen die USA wird mit jener entscheidenden Szene in der 63. Minute verwoben bleiben, in der die sonst so nervenstarke Torjägerin bei dieser Frauen-WM versagte.

US-Verteidigerin Julie Johnston hatte zuvor erst den Ball verfehlt, dann die Hand an die Schulter von Alexandra Popp gelegt - die rumänische Schiedsrichterin Teodora Albon zeigte auf den Elfmeterpunkt. Genau von jener Stelle, an der Sasic gegen Frankreich gleich zweimal nervenstark verwandelt hatte, schob sie nun den Ball am linken Pfosten vorbei. Flach, hart in die linke Ecke hatte sie beim Viertelfinal-Krimi gleich zweimal gezielt. Doch diesmal ging dieser Versuch gewaltig schief.

Dem Heulkrampf nah, gab Sasic nach dem Spiel ihre Statements ab. "Ich habe die riesengroße Chance vergeben. Es tut mir so leid, in all diese traurigen Gesichter zu sehen. Ich habe mir den Ball genommen und wollte ihn reinmachen." Einen Vorwurf gab es von niemandem aus dem Team, Bundestrainerin Silvia Neid versicherte: "Wir bauen sie wieder auf. Wegen ihrer verwandelter Elfmeter gegen Frankreich sind wir überhaupt weiter, jetzt hat sie halt mal nicht getroffen. Hochs und Tiefs gehören zum Sport - bis Samstag hat sie das verdaut." Das Spiel um Platz drei soll vor allem für Sasic zur Versöhnung taugen.

Von Solos Psycho-Spielchen verunsichert

Die 27-Jährige ist eine Angreiferin, die sich gemeinhin in eine Partie hineinarbeitet und irgendwann zum erfolgreichen Abschluss kommt. Genau das wollte ihr von Anfang bis Ende in diesem Showdown vor 50.000 in der Mehrzahl aus den USA angereisten Anhängern nie gelingen. Und als US-Torhüterin Hope Solo vor dem Elfmeter ein Psycho-Spielchen begann und partout nicht auf die Linie gehen wollte, da war Sasic die Verunsicherung schon anzusehen. "Davon darf ich mich nicht beeinflussen lassen, der Ball kann trotzdem reingehen."

Bundestrainerin Neid, Sasic: "Wir werden sie aufbauen"

Bundestrainerin Neid, Sasic: "Wir werden sie aufbauen"

Foto: DPA

Ihr 111. Länderspiel (63 Tore) endete in einem persönlichen Melodram, denn ganz nebenbei war der 30. Juni 2015 auch der Tag, an dem ihr Arbeitsverhältnis beim 1. FFC Frankfurt offiziell ausläuft. Zu einem neuen Arbeitgeber sagt sie selbst seit Wochen nichts, auch eine Auszeit wegen möglicher Familienplanung scheint möglich. "Wir waren so nahe dran", stammelte sie, schluchzte wieder und presste hervor, was alle Spielerinnen beim Abgang zum Bus versicherten: "Wir wollen nun das Spiel um den dritten Platz gewinnen und uns mit einem guten Gefühl versöhnen."

Aber taugt diese Partie am Samstag in Edmonton wirklich dazu, die Gemütslage ins Gegenteil zu verkehren? "Ich denke, dass wir eine gute WM gespielt haben. Wir hätten den dritten Platz verdient", sagte Torfrau Nadine Angerer, die noch auf dem Kunstrasen Trost als auch Komplimente von ihrer Vereinskollegin aus Portland, Alex Morgan, erhielt. Denn die Torhüterin hatte in einer aus deutscher Sicht schwachen ersten Halbzeit ihre Vorderleute allein im Spiel gehalten. Wieder einmal kam die DFB-Auswahl, die seit einem sagenhaften Halbfinale bei der WM 2003 gegen die US-Girls nicht mehr gewinnen konnte, mit dem körperbetonten Vorgehen nicht zurecht.

"Ganz klar außerhalb des Strafraums"

"Zwar ist das unglücklich für uns gelaufen, aber irgendwo war der Sieg der USA schon verdient", räumte Annike Krahn ein. Die Abwehrchefin war es, der nur kurz nach dem Sasic-Fauxpas jenes regelwidrige Eingreifen gegen Morgan unterlief, das ebenfalls mit Elfmeter bestraft wurde. "Ganz klar außerhalb des Strafraums", kritisierte Silvia Neid die Entscheidung, "leider entscheidet dieser Strafstoß das Spiel."

Jubelnde US-Girls: Serie gegen Deutschland hat gehalten

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Foto: Graham Hughes/ AP/dpa

Unstrittig allerdings, wie abgebrüht die stark spielende Carli Lloyd, die später auch mustergültig das 2:0 von Kelley O'Hara vorbereitete (84. Minute), den Strafstoß verwandelte. Anders als Sasic zuvor behielt sie die Nerven.

Dass der Olympiasieger im Vergleich mit dem Europameister nicht nur das effektivere, sondern auch das flexiblere Team stellte, wollte Silvia Neid hinterher nicht so richtig einsehen. "Wir haben ein tolles Halbfinale zweier starker Mannschaften gesehen. Wir waren nur zu unpräzise und nicht gefährlich." Doch Korrekturen nahm sie selbst - abgesehen von einem späten Wechsel mit Dzsenifer Marozsan (77.) - weder am Personal noch an der Taktik vor.

Vertiefende Debatten mochte sie in Montreal aber nicht zulassen: "Ich bin zufrieden und stolz. Wir haben viele Teams aus diesem Turnier geschossen." Gegen desolate Schwedinnen siegte ihr Ensemble mühelos, gegen spielerisch bessere Französinnen glücklich.

Vor dem Halbfinale gegen die US-Amerikanerinnen war Silvia Neid noch gefragt worden, ob ihr Team nicht das Spielglück aufgebraucht habe. "Ich hoffe nicht", sagte sie am Tag zuvor. Die Annahme hat sich als Irrtum erwiesen.

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