DFB-Koch Stromberg "Die Spieler sollen mit der Zunge schnalzen"

Holger Stromberg ist der neue Mann am DFB-Herd, er will das Löw-Team kulinarisch beglücken: Vor seinem ersten großen Turnier sprach der Sternekoch mit SPIEGEL ONLINE über Fastfood, Diven in der Küche - und wie es sich als Schalke-Fan in München lebt.

SPIEGEL ONLINE: Herr Stromberg, wie fühlt man sich, wenn man seinen Platz im EM-Kader schon sicher hat?

Stromberg: Ich fühle mich gut, bin aber auch nervöser als alle anderen. Es ist mein erstes großes Turnier. Ich würde sogar sagen, ich bin sehr, sehr nervös, aber im positiven Sinn. Ich freue mich einfach auf die EM.

SPIEGEL ONLINE: Welche Stromberg-Qualitäten waren denn ausschlaggebend für Ihre Nominierung?

Stromberg: Sicher mein Organisationstalent. Über mein Catering bin ich ständige Ortswechsel gewöhnt, außerdem bin ich flexibel, kann schnell umschalten und auch mit anderen Teams zusammenarbeiten.

SPIEGEL ONLINE: Und Ihre Stärken am Herd?

Stromberg: Mein Speisenrepertoire ist sehr breit gefächert, ich mache nicht nur deutsche Küche oder französische, ich kann alles kochen. Das macht den Spielern viel Spaß. Ich würde mich als denkender Koch bezeichnen, ich plane jedes Detail durch, mache mir auch über die kleinsten Zutaten Gedanken.

SPIEGEL ONLINE: Keine Schwächen?

Stromberg: Doch. Ich bin in einigen Dingen zu perfektionistisch. Da könnte mir manchmal etwas Entspannung guttun.

SPIEGEL ONLINE: Wie ist der DFB 2007 eigentlich auf Sie gekommen?

Stromberg: Das ist innerhalb von 20 Minuten entstanden. Oliver Bierhoff war zum Essen im "G-Munich", meinem Restaurant in München. Anschließend habe ich meine Runde durchs Restaurant gedreht. Ich lasse Promis eigentlich grundsätzlich in Ruhe, aber dann stellte er Fragen, woraus ein längeres Gespräch am Tisch entstanden ist. Am Ende habe ich ihm angeboten, wenn er mal spezielle Zutaten braucht, könne er sich gern an mich wenden. Als ich dann ging, meine ich gehört zu haben, wie seine Frau sagte, dass ich doch einer für die Nationalmannschaft sein könnte.

SPIEGEL ONLINE: Frau Bierhoff hat Sie also entdeckt.

Stromberg: Es kann auch sein, dass ich das nur geträumt habe. Gefühlte drei Wochen später klingelte jedenfalls das Handy, und Bierhoff war dran. Ich dachte: Nanu, Fußball spielen kann ich doch gar nicht, was will er? Er suchte weder einen Fisch noch eine Zutat noch einen Fußballer. Sondern einen Koch.

SPIEGEL ONLINE: Das ging ja schnell.

Stromberg: Noch hatte ich den Job ja nicht. Er bedeutet Ehre, aber auch Druck und eine Last. Ich habe immerhin 35 Mitarbeiter, und wenn der Chef bis zu hundert Tage im Jahr fehlt, wirkt sich das auch negativ auf den Umsatz aus. Das habe ich dann auch mit Bierhoff besprochen. Danach haben wir uns noch ein paar Mal in Frankfurt am Main getroffen, wo ich alle DFB-Verantwortlichen kennengelernt habe und auf Mark und Bein geprüft wurde.

SPIEGEL ONLINE: Sie mussten vorkochen?

Stromberg: Nein. Aber das Büro der Nationalmannschaft wollte sichergehen, dass ich niemand bin, der nur mit den Spielern Zeit verbringen will, sondern meine Verpflichtung darin sehe zu kochen. Wir haben einen Weg gefunden, wie ich das mit meiner Firma vereinbaren kann. Und irgendwann haben wir gesagt: Ja, wir machen das. Dann ging's auch gleich nach London zu meinem ersten Länderspiel.

"Das sind alles erwachsene Männer" - Stromberg über Fastfood und Diven in der Küche

SPIEGEL ONLINE: Joachim Löw lässt schnell und direkt spielen. Wie kochen Sie?

Stromberg: Ich glaube schon, dass ich gut ins Team passe. Ich bin immer unter Hochspannung, kann mich selbst motivieren. Ich will die Spieler immer wieder überraschen. Ich versuche, Stimmung zu erzeugen.

SPIEGEL ONLINE: McDonald's-Gänge und Chips scheinen sich gewisser Beliebtheit im Team zu erfreuen. Sie sind eher der Gesundheitsfetischist. Wie geht das zusammen?

Stromberg: Das sind alles erwachsene Männer. Die können selbst entscheiden, was sie tun. Wir als Betreuer versuchen, ihnen das Beste der Welt zu bieten, um die Voraussetzungen für Top-Leistungen zu schaffen. Wenn ein Spieler meint, er muss zu McDonalds gehen oder Chips essen, liegt es ohnehin nicht in meiner Macht, ihn daran zu hindern.

SPIEGEL ONLINE: Was ist mit Schokolade?

Stromberg: Schokoriegel machen wir grundsätzlich selbst.

SPIEGEL ONLINE: Die Mannschaft wird zehn Tage im Trainingslager auf Mallorca sein und im besten Fall während der EM mehr als drei Wochen im Tessin. Lassen Sie alles anliefern, was Sie benötigen?

Stromberg: Um Gottes willen, wir fahren in ein absolutes kulinarisches Paradies. Da brauche ich nichts mitnehmen, auch nicht nach Mallorca. Ich bestelle alles vor Ort. Es gibt zwar Produkte, die extra angeliefert werden, wie Sponsorengetränke. Aber ansonsten versuche ich, mich auf das Gastgeberland einzustellen. Ich muss ja im Hotel dafür sorgen, dass die Köche und Servicemitarbeiter auf unserer Seite sind.

SPIEGEL ONLINE: Klingt schwierig, Schweizer oder Italiener zu Deutschland-Fans zu machen.

Stromberg: Das ist auch oft nicht einfach. Ich muss sie für uns begeistern, und das kann ich nicht, wenn ich sage, bei euch ist alles schlecht. Im Gegenteil, ich habe schon mit dem Koch in Ascona gesprochen und gesagt: "Ich möchte, dass Sie mir alle Highlights der Region zeigen, wenn ich ankomme."

SPIEGEL ONLINE: Das klingt, als seien Sie während der EM so was wie der Küchen-Bundestrainer und der Teampsychologe in einem.

Stromberg: Das kann man so nennen. Machen wir uns nichts vor: Man wird dort als Deutscher zunächst mal kritisch beäugt, Köche sind ja Diven. Wer lässt sich schon gern von einem Fremden sagen, dass es auf einmal so oder so gemacht wird. Aber alle Köche im EM-Quartier haben einen Top-Standard, ich brauche denen ja nicht das Kochen beibringen. Es geht eher darum, dass sie das Gesamtgebilde Fußball-Nationalmannschaft verstehen und wir partnerschaftlich zusammenarbeiten. Es soll ja richtig gut schmecken - die Spieler sollen das Essen mit einem Zungenschnalzen beenden.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Vorgänger war Saverio Pugliese, ein Italiener, der aber bei der WM zu Deutschland hielt. Trotzdem wurde Italien Weltmeister. Wir müssen jetzt aber nicht befürchten, dass Signore Pugliese deshalb gehen musste?

Stromberg: Nein, ganz bestimmt nicht. Ich habe gehört, dass er nach dem verlorenen Halbfinale gegen Italien geweint hat. Das Herz von jemand, der so lange wie er dabei war, hat ganz sicher für Deutschland geschlagen. Er will nur mehr Zeit mit der Familie verbringen. Als Gastronom hat man von seiner Familie sehr wenig, das geht mir genauso. Doch wenn man zur Mannschaft fährt, ist es so, als ob man seine Brüder und Onkel trifft.

SPIEGEL ONLINE: Sie arbeiten als Schalke-Fan in München, wie geht das überhaupt?

Stromberg: Es ist nicht ganz so schlimm wie ein Bayern-Fan, der in Gelsenkirchen lebt. Ich bin aus beruflichen Gründen nach München gegangen, würde meinem Verein aber nie untreu werden. Klinsmann war zwar früher mein Lieblingsspieler, aber es zählt ja nicht nur das Fußballerische, sondern auch das Drumherum. Da liegt Schalke klar vorn, hier in München ist doch keine Stimmung. Uli Hoeneß hatte in seiner Wutrede vollkommen Recht. Die Leute sind einfach satt hier. Aber wenn ich zwei, dreimal im Jahr auf Schalke bin, geht die Gänsehaut gar nicht mehr weg.

SPIEGEL ONLINE: Was sagen Sie zu dem mittlerweile alltäglichen Kochshow-Wahnsinn im Fernsehen?

Stromberg: Ich mag keine Show, und das meiste ist ja Show. Ich halte Kochen für zu wichtig. Ich hab auch mal ein paar Folgen beim "Fastfood-Duell" mitgemacht, aber das wurde mir schnell zu viel Entertainment. Das Bild des Kochs wird verzerrt - auch durch Peinlichkeiten, wenn Starköche gegen Hobbyköche Duelle verlieren. Für unseren Beruf ist das einfach keine gute Werbung.

SPIEGEL ONLINE: Immerhin ist bald EM, und die Kochsendungen werden durch Fußballspiele ersetzt. Haben Sie für die SPIEGEL-ONLINE-Leser einen Rezepttipp für 90 Minuten?

Stromberg: Vor dem Fernseher?

SPIEGEL ONLINE: Ja, oder im Garten.

Stromberg: Frische Johannisbeerlimonade ist immer lecker, für all die, die kein Bier oder Wein trinken. Als Snack kann man wunderbar die Asiatische Lasagne (siehe Bilderstrecke, d. Red.) vorbereiten, die ist der Hit und schmeckt nicht nur wegen des Currys ganz anders als gewöhnlich. Das Gute: Man kann sie auch lauwarm genießen, vielleicht mit einem Salat dazu. Dauert alles nicht lange, und man sitzt dann auf jeden Fall pünktlich vorm Schirm.

Das Interview führte Christian Gödecke.

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