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BVB-Sieg im DFB-Pokal Der Dortmunder Geist ist zurück

Was für eine Woche für Borussia Dortmund! Erst Real Madrid geschlagen, dann die Bayern düpiert - und jetzt noch ins Pokalfinale eingezogen. Das Team hat seine Saisonziele erreicht.

Hans-Joachim Watzkes Miene wirkte ernster, als es der Moment gebot. Gerade hatte Borussia Dortmund durch einen 2:0-Sieg das DFB-Pokalfinale erreicht, der Geschäftsführer des BVB hatte ein atemberaubendes Fußballspiel seiner Mannschaft gegen einen starken VfL Wolfsburg gesehen, und damit war eine "außergewöhnliche Woche" vollendet, wie er sagte. Aber selbst nach zuletzt drei überzeugenden Siegen gegen Real Madrid, beim FC Bayern München und nun gegen die Wolfsburger: Watzke nehmen die 90 Minuten stets dermaßen mit, dass er erst eine Weile braucht, bis er es genießen kann, was sein Team in dieser abgelaufenen Woche geleistet hat. Und die Leistung war beachtlich.

Nach Wochen und Monaten des Haderns und der Suche nach dem alten BVB-Fußball lag nun zum dritten mal innerhalb von sieben Tagen dieser Geist der vergangenen Jahre in der Luft. Dieses Gefühl der Stärke, der Überzeugung vom eigenen Weg und der Fähigkeit, mit Tempo und druckvollem Verteidigungsspiel auch die stärksten Gegner bezwingen zu können.

Trotz der vielen Nackenschläge habe die Mannschaft sich in der Bundesliga "nicht einen Spieltag auf einem Nicht-Champions-League-Platz" befunden, rief Watzke zudem in Erinnerung. Der BVB gehöre durch die Viertelfinalteilnahme in der Champions-League zu den besten acht Europas und habe im Pokal nicht ein einziges Gegentor kassiert. "Für mich ist deswegen schon mit dem heutigen Tag klar, dass wir eine tolle Saison gespielt haben", sagte er.

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Fotostrecke: Gelb-schwarze Seligkeit

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Hinter diesen Worten schimmerte neben dem Gefühl der Genugtuung auch ein gewisser Groll hervor, die Kritik der vergangenen Monate hat Spuren hinterlassen. Noch im vorigen Sommer hatte ja ganz Fußball-Europa von Jürgen Klopp, Robert Lewandowski und von 25.000 Stehplätzen geschwärmt. Der BVB verkörperte die Utopie, dass man auch ohne Ölmilliardär, ohne Oligarchen und ohne Uli Hoeneß ganz nach oben kommen kann. Dann enteilten die Bayern, wichtige Spieler verletzten sich, die Champions-League-Gruppenphase erwies sich als mühsam. Der Zauber war einem Gefühl der Schwere gewichen.

Watzke fand diese Geschichte vom vermeintlichen Absturz schon immer falsch. Denn wenn der BVB seinen zweiten Rang in der Bundesliga verteidigt, hat der Club all seine Saisonziele erreicht: Pokalfinale, Champions-League-Viertelfinale und die erneute Qualifikation für die Königsklasse vor dem FC Schalke. "Wir sind jetzt drei Jahre hintereinander jedes Jahr in einem Finale. Nachhaltiger kann man nicht beweisen, dass man mit uns rechnen muss. Das ist der entscheidende Punkt", sagte der BVB-Boss.

Neben der Tatsache natürlich, dass es in Dortmund wieder große Fußball-Abenteuer zu erleben gibt. Und diese Wende hat der BVB mit seinen ureigenen Mitteln geschafft: mit dem aufblühenden Linksverteidiger Erik Durm, den sie selbst ausgebildet haben; mit dem Winterschnäppchen Milos Jojic, der eine immer wichtigere Rolle spielt; mit maximaler Leidenschaft und Laufbereitschaft und mit fußballtaktischem Einfallsreichtum.

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Wolfsburg in der Einzelkritik: Olic unter Strom

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So spielt Henrich Mchitarjan deutlich stärker, seit er aus dem Zentrum auf die Außenbahn versetzt wurde. Wie schon in München erzielte er auch gegen Wolfsburg ein Tor (12. Minute) und war an vielen anderen Szenen beteiligt. Wobei Klopp fand, dass seine Mannschaft sich "nicht eine Sekunde" an die Erfordernisse des neuen 4-1-4-1-Systems gehalten und sich damit "total viel Laufarbeit aufgebürdet" habe. Dem Unterhaltungswert des Spiels war das aber nicht abträglich, Wolfsburg spielte gut mit, und die Dortmunder präsentierten BVB-Fußball in Reinform: intensiv, temporeich und veredelt mit den ganz besonderen Fähigkeiten großartiger Individualisten.

Neben Mchitarjan brillierte wieder einmal Robert Lewadowski, der in erstaunlicher Regelmäßigkeit unter Beweis stellt, was für ein außergewöhnlicher Fußballer er ist. Der Pole hätte ja auch beleidigt sein können, nachdem er bei den Bayern am Wochenende zunächst nur auf der Bank saß. Er könnte sich ausruhen, jetzt wo klar ist, dass er zum großen Rivalen nach München wechselt, aber all das scheint keinen Einfluss auf seine Leistungen zu nehmen. Lewandowski spielt mit maximalem Einsatz, er will jeden Ball haben, hilft hingebungsvoll beim Verteidigen und sein 2:0 (43.) war ein außergewöhnliches Tor.

Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking sagte, seine Mannschaft habe nur aufgrund von "kleinen Unterschieden" verloren. Auch beim VfL scheint um den Belgier Kevin de Bruyne ein Spitzenteam zu wachsen. Aber die Niedersachen haben eben keinen Lewandowski und nutzten ihre vielen Chancen nicht: Die beiden besten vergab Junior Malanda. "Wir sind nah dran", so Hecking, noch fehlen jedoch ein paar Nuancen. Dass der Trainer allerdings große Lust hat, gemeinsam mit dem BVB die Hegemonie der Münchner Übermacht zu brechen, war nicht zu überhören.

Hecking gab Klopp am Ende eines tollen Fußballabends den Auftrag für das Finale mit auf den Weg: "Zeigt den Bayern, dass die anderen da sind."

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