Bayerns Pokalniederlage in Kiel Verlieren, als wäre es 1992

Trikots im Retrochic, Torentscheidungen wie vor der Einführung des Videoschiedsrichters – die sensationelle Pokalniederlage bei Holstein Kiel fuhr der FC Bayern im Stil der frühen Neunzigerjahre ein.
Rotes Trikot, blaue Streifen. Die Bayern unterliegen im Retro-Design

Rotes Trikot, blaue Streifen. Die Bayern unterliegen im Retro-Design

Foto: FOCKE STRANGMANN/EPA-EFE/Shutterstock

Die Entscheidung: Zehn Schützen hatten im Elfmeterschießen bereits getroffen, dann legte sich der eingewechselte Münchner Marc Roca den Ball zurecht – und scheiterte an Kiels Torhüter Ioannis Gelios. Als sechster Kieler trat Fin Bartels an und verwandelte sicher gegen Nationaltorhüter Manuel Neuer. Wie bei der letzten Zweitrundenniederlage scheiterten die Bayern wieder im Elfmeterschießen. Zuletzt war dies im November 2000 beim 1. FC Magdeburg der Fall gewesen.

Das Ergebnis: Der FC Bayern München steht nach 20 Jahren erstmals nicht im Achtelfinale des DFB-Pokals. Bei Zweitligist Holstein Kiel verlor der Rekordpokalsieger 5:6 im Elfmeterschießen. Nach Verlängerung hatte es 2:2 gestanden (2:2, 1:1). Hier geht es zum Spielbericht.

Zeitreise beim Outfit: US-Musiker Pharrell Williams hatte dem FC Bayern Trikots entworfen, deren Verkauf unter anderem 100.000 Euro Erlös für die SOS-Kinderdörfer einbrachte. In Kiel trugen es die FCB-Profis erstmals in einem Pflichtspiel. Das Design erinnerte stark an die frühen Neunzigerjahre, als die Münchner mit Spielern wie Jan Wouters, Brian Laudrup und Mazinho fast aus der Bundesliga abgestiegen wären. Es gibt bessere Omen.

Die erste Hälfte: Zuletzt hatten selbst Bundesliga-Kellerkinder den FC Bayern in die Bredouille bringen können, warum dann nicht auch der Dritte der zweiten Liga? Kiel versuchte, die Bayern vom eigenen Tor wegzuhalten, was gut gelang. Nach dem Führungstreffer von Serge Gnabry (14. Minute), dauerte es 20 Minuten bis zur nächsten Chance von Thomas Müller (35.). Dieses Mal wurde auf Abseits (wohl zu Unrecht) erkannt, was Müller erregte und seine Kollegen irritierte. Wie aus den vergangenen Spielen gewohnt, genügte dann ein guter Pass aus der eigenen Hälfte, um die Bayern-Abwehr zu überlisten: Bartels überwand Neuer mit einem Schuss ins linke Eck (37.).

Kein VAR, kein Abseits: Gnabrys Führungstreffer hätte in der Bundesliga keine Anerkennung gefunden. Weil in der 2. Runde des DFB-Pokals jedoch kein Videoschiedsrichter eingesetzt wird, blieb die Abseitsposition des Nationalspielers im Vorfeld des Treffers ungeahndet. Bereits am Vortag war es in der Partie zwischen Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt zu Szenen gekommen, die dem umstrittenen VAR neue Attraktivität verliehen.

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Bartels vs. Neuer: Seit vergangenem Sommer spielt der gebürtige Kieler Bartels wieder für Holstein. 33 Jahre alt ist er mittlerweile, zwölfmal hatte er bislang gegen die Bayern gespielt – und zwölfmal verloren. 2008, vor einer halben Fußballewigkeit, durfte er sogar einmal in der U21-Nationalmannschaft mitmischen. Beim Spiel gegen Dänemark stand Neuer im Tor der DFB-Elf. Danach trennten sich die Karrierewege der beiden deutlich. Der Pokalabend hatte aber noch eine Pointe für die beiden offen.

Die zweite Hälfte: Aus halbrechter Position zirkelte Leroy Sané einen Freistoß mit links über die Mauer und ins Eck. Das frühe 2:1 für die Gäste (48.) hätte Alexander Mühling nur zwei Minuten später fast mit dem 2:2 beantwortet, doch sein Schuss ging knapp übers Bayern-Tor. Die Mannschaft des jungen Trainers Ole Werner agierte weiterhin mutig und spielstark, ein Klassenunterschied war nicht zu erkennen. Erst in der 66. Minute zwang Jamal Musiala Kiels Torhüter mal wieder zu einer starken Parade. Der verdiente Ausgleich in der Nachspielzeit: Hauke Wahl traf bei einem Kopfballversuch per Schulter (90.+5) zum 2:2.

Er musste doch wieder ran: Ein Auswärtsspiel bei einem Zweitligisten sollte doch einmal Gelegenheit sein, dem Dauerangreifer Robert Lewandowski eine Verschnaufpause über 90 Minuten zu gönnen. Daraus wurde nichts. In der 78. Minute sah sich Flick zur Absicherung des Ergebnisses gezwungen, den Bundesligatorschützenkönig doch noch zu bringen. Es war eine Rückkehr nach 3258 Tagen, wie die Kieler im Vorfeld der Partie ausgerechnet hatten: Anfang Februar 2012 hatte der Pole mit Borussia Dortmund 4:0 im Pokal bei Holstein gewonnen. Damals traf er, knapp neun Jahre später (im laufenden Spiel) nicht.

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Die Entscheidung: Nach einer von den Münchnern zwar überlegen, aber ohne viele Chancen geführten Verlängerung, musste das Elfmeterschießen entscheiden. Die ersten zehn Schützen verwandelten allesamt, einzig Lewandowski hatte bei seinem Strafstoß etwas Glück, dass Gelios den Ball passieren lassen musste. Gegen Roca parierte der Kieler Schlussmann dann, Bartels setzte den Schlusspunkt.

Darmstadt wartet: Mit wem es Holstein Kiel oder der FC Bayern in der Runde der letzten Sechzehn zu tun bekommen würde, stand schon vor Anpfiff des aus Dezember in den Januar verlegten Spiels fest: Ein Heimspiel gegen Zweitligist Darmstadt 98 ist die nächste Aufgabe, der sich Holstein Kiel stellen muss. Ausgetragen wird die Begegnung am 2. oder 3. Februar. Drei Siege fehlen den Kielern noch bis zum Finale und der Chance auf den ersten Pokalsieg. Deutscher Meister waren sie ja bereits einmal – 1912. Der Sieg gegen den Triplesieger FC Bayern dürfte sich in der Klubchronik knapp dahinter einordnen.

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