

Kevin de Bruyne sieht nicht gerade aus wie ein Berserker. Mit seinem faltenlosen Teenagergesicht und dem schüchternen Blick dürfte er in mancher Disco Probleme haben, ohne Ausweiskontrolle eingelassen zu werden. Doch das hält ihn nicht davon ab, seinen Gegnern beim Fußballspielen keine Chance zu lassen.
"Ich brauchte ein paar Minuten, um ins Spiel zu kommen. Dann lief es ganz gut", sagte der 22-Jährige nach seiner beeindruckenden Leistung beim 3:2-Sieg in Hoffenheim. Angesichts seines Auftritts war es nur allzu verständlich, dass der junge Wolfsburger Zugang von sehr vielen Menschen gelobt wurde.
Zum Beispiel von VfL-Manager Klaus Allofs, der fand, es tue "allen seinen Mitspielern gut, dass sie mit ihm eine Variante mehr haben". Oder von seinem Trainer, Dieter Hecking, der zu Recht beide Mannschaften für ein ansprechendes, unterhaltsames Spiel lobte und, bei allem Respekt vor dem langjährigen Spielmacher Diego, dann doch sehr genau erklärte, warum dessen Weggang im Winter keinen Verlust darstellt, wenn man zeitgleich jemanden wie de Bruyne aus Chelsea loseisen kann.
Dynamisch, schnell, kraftvoll
"So ein dominanter Spieler wie Diego zieht die Bälle, er wird von seinen Mitspielern gesucht, weil sie wissen, dass der Ball bei ihm gut aufgehoben ist." Anders gesagt: Früher lief das Spiel über Diego. Oder es lief nicht: "Sein Zug zum Tor war am Schluss nicht mehr ganz so stark." Bei de Bruyne hingegen: "Wenn er die Leistung von heute abruft, kann jeder verstehen, warum wir uns so dauerhaft um ihn bemüht haben."
Wohl wahr, denn selbst wenn der Belgier ("wir haben in London wegen der vielen Spiele sehr viel weniger trainiert") noch ein paar Wochen brauchen dürfte, um sich an den höheren Rhythmus zu gewöhnen, war er in Hoffenheim nicht zum ersten Mal das Zentrum eines variantenreichen Wolfsburger Angriffsspiels, in dem auch Maximilian Arnold und Ivan Perisic gute Dienste leisten.
Aus 50 Metern Luftlinie Entfernung betrachtet sieht man deshalb plötzlich kein faltenloses Teenagergesicht mehr, sondern einen kraftvollen, dynamischen und schnellen Spieler mit sagenhaftem Spielverständnis. Mit Mitspielern, die längst als Mannschaft agieren, nicht als Ansammlung talentierter, aber unmotivierter Individualisten, wie das in der Vor-Hecking-Ära so oft der Fall war.
Nach einer starken Hoffenheimer Anfangsphase war dann auch Wolfsburg die ruhigere, reifere Mannschaft, die zwar unterm Strich weniger Torabschlüsse als der Gegner hatte, dafür aber die zwingenderen. Wenn die Hoffenheimer nach dem Spiel so taten, als seien sie eigentlich die bessere, aber eben ungeschicktere Mannschaft gewesen, stimmte das nur bedingt: Hoffenheim war stark, beeindruckend stark - aber Wolfsburg war besser.
"Schade, dass das Stadion nicht voll war."
Anders gesagt: Natürlich stellten sich Jannik Vestergaard und Niklas Süle bei ihren Fouls im Strafraum tapsig an, aber sie waren eben auch in höchster Not. Ricardo Rodriguez, der später wegen Zeitspiels Gelb-Rot sah, war es egal, er verwandelte beide Elfmeter sicher (26. Minute/44.); und als Bas Dost eine schöne Kombination zum dritten Wolfsburger Treffer abgeschlossen hatte, reichte es für die kombinationsfreudigen Gastgeber nur noch zum 2:3 durch Roberto Firmino.
Als der souveräne Schiedsrichter Peter Gagelmann nach fünf Minuten Nachspielzeit abpfiff, dürfte jedenfalls kein Zuschauer sein Kommen bereut haben. Schon gar nicht VfL-Trainer Dieter Hecking, dem jedoch die Abertausenden leeren, blauen Schalensitze missfielen: "Schade, dass das Stadion nicht voll war."
Lediglich 13.347 Zuschauer wohnten der Partie bei. Zum Vergleich: In den anderen DFB-Pokal-Viertelfinalspielen hatte Leverkusen gegen einen Zweitligisten 25.244 Zuschauer, sowohl Eintracht Frankfurt (51.500) als auch der HSV (57.000) meldeten "ausverkauft" und selbst Nachbar Karlsruhe hat in einem normalen Zweitligaspiel gegen Ingolstadt 14.200 Zuschauer, also 800 mehr. Es gibt noch viel zu tun in Hoffenheim.
TSG-Coach Markus Gisdol dürfte es freuen, dass es im sportlichen Bereich deutlich besser aussieht: Seine Mannschaft macht Spaß. Gleiches gilt für den VfL, der immer mehr verinnerlicht, was Hecking von ihm will. Wohin die Richtung geht, zeigt die Mannschaft auf dem Platz. Zum Erfolg.
1899 Hoffenheim - VfL Wolfsburg 2:3 (1:2)
0:1 Rodriguez (26., Elfmeter)
1:1 Firmino (39.)
1:2 Rodriguez (44., Elfmeter)
1:3 Dost (64.)
2:3 Firmino (90.+1)
Hoffenheim: Casteels - Strobl, Vestergaard, Süle, Beck - Rudy, Polanski (67. Schipplock) - Volland (82. Hamad), Salihovic, Elyounoussi (61. Modeste) - Firmino
Wolfsburg: Benaglio - Ochs (46. Medojevic), Naldo, Knoche, Rodriguez - Träsch, Luiz Gustavo - De Bruyne, Arnold (80. Olic), Perisic - Dost (74. Marcel Schäfer)
Schiedsrichter: Peter Gagelmann
Zuschauer: 13.347
Gelb-Rote Karte: Rodriguez wegen Spielverzögerung (70.)
Gelbe Karten: Volland (2), Polanski, Schipplock (2) - Luiz Gustavo
Ballbesitz: 52 Prozent / 48 Prozent
Schüsse: 19 / 14
Schüsse aufs Tor: 8 / 6
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Wolfsburgs Winter-Neuzugang Kevin de Bruyne (l.) hat mit einer starken Leistung im Pokalviertelfinale erneut gezeigt, warum seine Dienste den Wolfsburgern im Winter 22 Millionen Euro wert waren. Beim 3:2-Erfolg gegen Hoffenheim bereitete der Wolfsburger Mittelfeldspieler ein Tor vor.
Der 22-jährige Belgier war in der Winterpause vom englischen Premier-League-Club FC Chelsea nach Wolfsburg gewechselt, nachdem er bei den Londonern nicht zum Zug gekommen war.
Bei den Wolfsburgern soll de Bruyne nun eine zentrale Rolle einnehmen, zumal der VfL seinen bisherigen Mittelfeld-Regisseur Diego im Winter nach Madrid zeihen ließ. "Wenn er die Leistung von heute dauerhaft abruft, kann jeder verstehen, warum wir uns so dauerhaft um ihn bemüht haben", sagte Wolfsburg-Trainer Dieter Hecking nach dem Spiel gegen Hoffenheim.
Auch in der Bundesliga ließ de Bruyne sein Können bereits aufblitzen, er konnte bisher aber noch keine Scorer-Punkte für die Wolfsburger sammeln.
In der Saison 2012/12 spielte der 22-Jährige schon einmal in der Bundesliga. Werder Bremen hatte ihn damals vom FC Chelsea ausgeliehen. In 33 Bundesliga-Partien für Werder erzielte de Bruyne zehn Tore und bereitete neun weitere vor.
De Bruyne ist belgischer Nationalspieler. Bei der WM in Brasilien gehört er mit seiner Mannschaft zu den Geheimfavoriten.
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