
DFB-Sieg gegen Kanada Die Zauberlehrlinge
Ein Fest sollte es sein, am Ende wurde es Arbeit. Über 73.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion hatten sich frühzeitig dazu entschieden, eine fröhliche Jubelfeier abzuhalten - fast jedoch hätten die Kanadierinnen zur Eröffnung der Frauenfußball-WM den Partyschreck gespielt. Mit Mühe rettete die deutsche Nationalelf einen 2:1-Sieg über die Nordamerikanerinnen zum Turnierauftakt über die Zeit. Kapitänin Birgit Prinz sprach anschließend das Wort zum Sonntag: "Hauptsache gewonnen. Es zählen nur die drei Punkte."
Der große Favorit Deutschland hat den ersten Erfolg des Turniers eingefahren - Trainerin und Spielerinnen war anschließend klar, dass dies wohl das Positivste war, was es aus sportlicher Sicht über das Eröffnungsspiel zu sagen gab. "Nach vorne waren wir total hektisch", gab Mittelfeldspielerin Melanie Behringer zu, und Prinz räumte ein, dass man "sich in einigen Szenen nicht besonders glücklich angestellt" habe.
"Gerade in der ersten Halbzeit haben wir gar nicht gut kombiniert, wir haben nur lange Bälle geschlagen, da war ich gar nicht zufrieden", bilanzierte Bundestrainerin Silvia Neid: "Trotzdem haben wir da zwei Tore geschossen." In der zweiten Hälfte sei es dann viel besser gelaufen - "aber da haben wir kein Tor gemacht". Fußball sei eben manchmal merkwürdig.
Die Glamour-Girls im Team blieben blass
Zu einem Arbeitssieg passt, dass die Arbeiterin im Team die Beste ihrer Elf war. Dauerläuferin Kerstin Garefrekes sorgte für Torgefahr, erzielte den ersten Treffer per Kopf und hätte in der zweiten Hälfte sogar noch ein weiteres Tor nachlegen müssen. Hinter ihrer starken Vorstellung verblassten die Auftritte derer, die noch im Vorfeld des Turniers im Mittelpunkt des Interesses gestanden hatten. Mittelfeldspielerin Kim Kulig, Protagonistin zahlreicher Fotoshootings, konnte ihre starke Form aus der Vorbereitung nicht bestätigen. Der andere Glamour-Star des Teams, Fatmire Bajramaj, kam als Einwechselspielerin sogar nur für die letzten 20 Spielminuten zum Einsatz.
"Ich bin froh, dass ich überhaupt gespielt habe" sagte Bajramaj anschließend artig, was man in solchen Situation eben sagt. Natürlich wäre sie gerne von Anfang an aufgelaufen, "aber wenn die Trainerin anders entscheidet, akzeptiere ich das".
Auch eine andere Spielerin mit Star-Faktor konnte mit diesem Eröffnungsabend nicht wirklich zufrieden sein. Birgit Prinz war in ihrem 213. Länderspiel schon nach 55 Minuten ausgewechselt worden. Die Rekordnationalspielerin hatte sich zuvor im Angriff gemüht, mehr war aber für die 33-Jährige nicht drin. Erneut erzielten andere im Team die Treffer, die für sie eingewechselte und zwölf Jahre jüngere Alexandra Popp war kaum im Spiel und hatte gleich zwei große Torgelegenheiten. "Natürlich hätte ich lieber länger gespielt, niemand freut sich über eine Auswechslung", sagte Prinz. Sie müsse aber anerkennen, dass "Popp für frischen Wind gesorgt hat".
90 Minuten lang ununterbrochenes Getöse
Wie ihre Mitspielerinnen konnte aber auch die junge Stürmerin allerbeste Chancen nicht zu einem Treffer ausnutzen, so dass es am Ende nach dem Anschlusstor durch Kanadas Star Christine Sinclair (82.) noch einmal eng wurde. Die Bundestrainerin war anschließend sogar "heilfroh, dass wir nicht 4:0 gewonnen haben - so weiß jeder, dass für uns noch einiges zu tun ist". Wobei sie sich ihres Teams angesichts der vielen selbstkritischen Töne sicher sein konnte, dass keiner den Sieg überbewerten würde. "Solche Typen, die sich bei einer Führung zu schnell sicher sind und abheben, haben wir in der Mannschaft gar nicht", sagte Außenverteidigerin Linda Bresonik.

Beeindruckt waren Neid und ihr Team somit zwar nicht von sich selbst, von dem Abend aber schon - und das lag an der für eine deutsche Frauen-Nationalmannschaft einmaligen Kulisse. Die eine oder andere junge Spielerin wirkte angesichts des vollbesetzten Olympiastadions auf dem Platz ein bisschen eingeschüchtert. Die mehr als 73.000 Zuschauer veranstalteten 90 Minuten lang ununterbrochenes Getöse, ließen schon in den ersten Minuten die Welle durchs Stadion kreisen, fest entschlossen, Spaß zu haben - inklusiver einiger früher Pfiffe, als nach dem 1:0 von Garfrekes in der 10. Minute nicht schnell genug der nächste Treffer fallen wollte.
Der ließ bis zur 42. Minute auf sich warten, als Célia Okoyino da Mbabi aus allerdings leicht abseitsverdächtiger Position zum 2:0 einschob. Zu der allgemeinen guten Laune trug auch die Stadionregie bei, die es sorgsam vermied, Fifa-Boss Joseph Blatter persönlich als Ehrengast zu begrüßen, so dass das erwartete Pfeifkonzert ausblieb.
Ein Sieg fehlt zum Viertelfinale
"Auch wenn uns die große Kulisse heute noch nicht beflügelt hat, war es schon toll, vor so vielen Leuten zu spielen", sagte Prinz. "Es war so laut, dass ich manchmal meine Spielerinnen gar nicht erreicht habe", hatte Neid allerdings einen Nebeneffekt ausgemacht. Und auch Bajramaj hatte dadurch die perfekte Ausrede für ihren wenig beeindruckenden Kurzauftritt nach ihrer Einwechslung. "Wahrscheinlich haben meine Teamkolleginnen bei dem Lärm einfach nicht gehört, wenn ich gerufen habe, dass ich angespielt werden wollte."
Auch wenn es auf dem Platz nicht die Gala war, die der stimmungsvolle Rahmen hergegeben hätte - das Tor zum Viertelfinale steht für das deutsche Team jetzt schon weit offen. Mit einem Sieg über den kommenden Gegner Nigeria (Donnerstag 20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) wäre man für die Runde der besten Acht bereits sicher qualifiziert. Die Afrikanerinnen machten bei ihrer 0:1-Niederlage gegen Frankreich alles andere als einen unschlagbaren Eindruck.
Gewarnt ist das deutsche Team nach dem knappen Erfolg über starke Kanadierinnen in jedem Fall. Torfrau Nadine Angerer, die gegen Nigeria ihr 100. Länderspiel absolvieren wird, sagte: "Eine Durchmarsch wird es bei dieser WM nicht geben. Das ist seit spätestens heute wohl jedem klar."
Deutschland - Kanada 2:1 (2:0)
1:0 Garefrekes (10.)
2:0 da Mbabi (42. )
2:1 Sinclair (82.)
Deutschland: Angerer - Bresonik, Krahn, Bartusiak, Peter - Kulig, Laudehr - Garefrekes, Prinz (56. Popp), Behringer (71. Bajramaj) - da Mbabi (65. Grings )
Kanada: McLeod - Wilkinson, Zurrer, Chapman, Nault (46. Gayle) - Schmidt - Kyle (46. Parker), Matheson - Tancredi (80. Timko), Filigno - Sinclair
Schiedsrichter: Jacqui Melksham (Australien)
Zuschauer: 73.680 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Laudehr, Krahn -