

Hamburg - Im Fußball ist häufig von "Zeichen" die Rede. Führungsspieler setzen Zeichen, indem sie taktische Fouls begehen. Trainer setzen Zeichen, indem sie widerspenstige Spieler auswechseln. Und Teams, die sich noch nicht recht gefunden haben, werten gerne alles als Zeichen, was als Indiz für die korrekte Richtung ihres Findungsprozesses gedeutet werden könnte - und sei es ein geschenkter Elfmeter.
So dürfte es der deutschen Nationalmannschaft im vorletzten Testspiel vor der WM gegen Ungarn ergangen sein. Es waren kaum drei Minuten gespielt, da schoss Lukas Podolski, der während der Bundesligasaison für einen Stürmer klägliche zwei Treffer erzielt hatte, von der Strafraumgrenze zum ersten Mal auf das gegnerische Tor. Ungarns Torwart Gabor Kiraly wehrte zur Ecke ab.
Beim folgenden Eckstoß soll Ungarns Sandor Torghelle Per Mertesacker gefoult haben. Die deutschen Spieler waren über den Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Claus Bo Larsen aus Dänemark ebenso überrascht wie die ungarischen Spieler. Podolski dürfte es egal gewesen sein. Der Zwei-Tore-Stürmer verwandelte sicher ins rechte obere Eck, später trafen noch die eingewechselten Gomez (69.) und Cacau (72.) zum verdienten 3:0 (1:0)-Erfolg.
"In der ersten Halbzeit haben wir ein gutes Spiel gemacht"
Die deutsche Mannschaft, deren Vorbereitung - mit der Verletzung von Kapitän Michael Ballack und den Personalsorgen im defensiven Mittelfeld - bisher holprig verlaufen war, hätte sich keinen besseren Start als Podolskis Treffer wünschen können. Und in der Tat schien der frühe Treffer beinahe therapeutische Wirkung zu haben.
Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw zeigte in der Folge ansehnliche Kombinationen, wie in der elften Minute, als Piotr Trochowski und Özil mit zwei Doppelpässen die ungarische Abwehr ausspielten - Özil scheiterte an Kiraly. Nur vier Minuten später bediente Sami Khedira Özil, dessen Schuss aus spitzem Winkel Kiraly ebenso abwehrte. Und wieder vier Minuten später parierte Kiraly erneut gegen Özil.
Danach verflachte das Spiel. Deutschland behielt die Kontrolle, erarbeitete sich aber keine Chancen mehr. Erst ein Schuss von Toni Kroos, der im defensiven Mittelfeld für Bastian Schweinsteiger spielte, sorgte für Gefahr. Kurz vor der Pause konnte Miroslav Klose, in der vergangenen Bundesliga-Saison mit nur drei Treffern ebenfalls wenig torgefährlich, im Gegensatz zu Podolski die Nationalelf nicht als Tor-Therapiezentrum nutzen. Er scheiterte freistehend vor Kiraly (43.). "In der ersten Halbzeit haben wir ein gutes Spiel gemacht und sehr viele Chancen herausgearbeitet", sagte Khedira nach dem Spiel.
Die deutsche Abwehr um den zur Nummer eins ernannten Torwart Manuel Neuer hatte kaum Probleme mit den harmlosen Ungarn. Ohne Kapitän Philipp Lahm, aber auch ohne ernstzunehmende Angriffe der Ungarn wehrte die Viererkette Jerome Boateng, Arne Friedrich, Mertesacker und Heiko Westermann alle ungarischen Vorstöße ab, wirkte dabei aber nicht immer souverän.
In der zweiten Halbzeit verlor das Spiel an Schwung. Die deutsche Elf erspielte sich kaum noch Chancen. Insgesamt sechs Auswechslungen trugen nicht zu mehr Spielfluss bei. Insbesondere das Fehlen von Özil und Khedira, der wegen Oberschenkelproblemen ausgewechselt wurde, machte sich bemerkbar. "Ich habe ein bisschen was muskulär gespürt", sagte Khedira. Er habe in einem Testspiel dann nichts riskieren wollen uns sich deshalb auswechseln lassen.
In der Folge gestaltete Ungarn das Spiel ausgeglichener, ohne selbst zu Chancen zu kommen. Erst in der 69. Minute hatte Deutschland wieder Grund zum Jubeln. Mario Gomez stocherte aus kurzer Distanz den Ball über die Linie. Der Bayern-Stürmer, mit zehn Saisontoren zwar deutlich besser als Podolski und Klose aber in der Rückrunde dennoch meist auf der Münchner Auswechselbank zu finden, war indirekt auch am dritten deutschen Treffer beteiligt.
Gomez ließ einen Kopfball von Mertesacker passieren. Der Ball landete direkt im Lauf von Cacau, der einen Gegenspieler abschüttelte, Kiraly ausspielte und ins leere Tor einschob (72.). Die ebenfalls eingewechselten Marcell Jansen (81.) und Marko Marin (83.) vergaben Chancen auf einen höheren Sieg.
Löw war nach dem Spiel zufrieden mit der Leistung seiner Elf: Insbesondere lobte er Torwart Neuer und Khedira. "Manuel Neuer hat seine Sache gut gemacht", und Khedira habe in der ersten Halbzeit sehr gut gespielt. Stammspieler wie Lahm oder Schweinsteiger seien bewusst nicht eingesetzt worden, um kein Verletzungsrisiko einzugehen. Das Urteil des Trainers teilte auch der neue Stammtorwart Neuer. "Es ist gut, dass wir ein paar Tore mehr erzielt haben."
Drei Stürmertore, keine groben Fehler der neuen Nummer eins und keine Verletzten - für Fußball-Interpreten dürften dies gute Zeichen auf dem Weg zur WM sein.
Ungarn - Deutschland 0:3 (0:1)
Ungarn: Kiraly - Bodnar (85. Laczko), Vanczak, Juhasz (ab 72. Szelesi), Bodor (46. Tözser) - Horvath, Vadocz - Huszti (72. Priskin), Koman (88. Lazok), Dzsudzsak - Torghelle (61. Nemeth)
Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Friedrich (71. Badstuber), Westermann - Khedira (46. Aogo) - Kroos (61. Marin), Trochowski (61. Jansen), Özil (46. Cacau), Podolski - Klose (61. Gomez).
Schiedsrichter: Claus Bo Larsen (Dänemark)
Tore: 0:1 Podolski (5., Foulelfmeter), 0:2 Gomez (69.), 0:3 Cacau (72.)
Zuschauer: 15.000
Gelbe Karten: Bodnar - Trochowski, Friedrich
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In der zweiten Halbzeit wechselte Bundestrainer Löw mehrmals. Auch Mario Gomez kam und konnte sich...
...in der 69. Minute über sein 2:0 freuen. Drei Minuten später erzielte...
...der ebenfalls neu ins Spiel gekommene Cacau das 3:0. Das Team von Bundestrainer Löw machte weiter das Spiel und war vorne stets gefährlich, hinten sicherte...
...Neuer als mitspielender Torhüter das Ergebnis.
Manuel Neuer, Torhüter: Zeigte genau das, was ihn zur Nummer eins machte: Mitspielen und sicheres, gutes Herauslaufen. Die große Herausforderung fehlte.
Jerome Boateng, Abwehr: Sichtbar bestrebt, ohne Fouls die rechte Seite zuzumachen. Dabei aber mit einigen Fehlern. Offensiv bemüht.
Arne Friedrich, Abwehr: Am 31. Geburtstag gewohnt zweikampfstark, rettete einmal gut gegen Torghelle. In einigen Szenen unsicher und zu spät beim Gegenspieler.
Holger Badstuber, Abwehr (71. für Friedrich): Der Münchner kam erst spät zu seinem Debüt in der A-Nationalmannschaft. Ob er es noch in den endgültigen WM-Kader schafft, bleibt offen.
Per Mertesacker, Abwehr: Als Abwehrchef ohne heikle Situationen, gut im Stellungsspiel. Holte nach einem Eckstoß den Elfmeter zum 1:0 heraus.
Heiko Westermann, Abwehr: Besetzte Löws Problem-Position hinten links. Hatte gute und schlechte Aktionen. Körperlich stark und mit Offensivdrang.
Toni Kroos, Mittelfeld: Überraschend der zweite "Sechser", abgeklärtes Spiel auf der ungewohnten Position. Präzise Pässe, gute Balleroberung - durchaus eine Alternative vor der Abwehr.
Marcel Jansen, Mittelfeld (60. Minute für Kroos): Der angekündigte Härtetest lief nur 30 Minuten. Sein Leistungsstand nach langer Verletzung bleibt das große Fragezeichen.
Sami Khedira, Mittelfeld: Im Spiel eins nach Ballacks Aus schon präsent, viel nach vorn unterwegs. Mit Muskelproblemen raus.
Dennis Aogo, Mittelfeld (46. Minute für Khedira): Auch der Hamburger durfte 45 Minuten in der Mittelfeldzentrale vorspielen. Ordentlich, aber unnötige Fouls. Bleibt Verteidiger.
Piotr Trochowski, Mittelfeld: Starker Beginn im Zusammenspiel mit Özil. Drängte sich rechts auf, minderte später den guten Eindruck durch Ballverluste und überhastete Torschüsse.
Marko Marin, Mittelfeld (60. Minute für Trochowski): Zeigte nach seiner Einwechslung nicht nur bei der Vorbereitung des 3:0 seine Stärken. Seine Tempo-Dribblings bringen Gefahr. Zu verspielt im Strafraum, versuchte zu oft die Kunst-Flanke statt den Abschluss zu suchen.
Mesut Özil, Mittelfeld: Stark am Ball, aber im Privatduell mit Torwart Kiraly verzweifelte er: Insgesamt vergab der Bremer vier gute Chancen.
Cacau, Angriff (46. Minute für Özil): Kam zur Pause als hängende Spitze, bestätigte den starken Eindruck aus dem Training mit dem 3:0. Viel Selbstvertrauen. Bleibt erster Joker.
Lukas Podolski, Mittelfeld: Erst ein strammer Schuss, dann sein Elfmeter zum 38. Länderspieltor. Nachdem er gefoult wurde dann zurückhaltender.
Miroslav Klose, Angriff: Keine gelungene Bewerbung um einen WM-Stammplatz. Arbeitete viel, auch aggressiv in den Zweikämpfen. Aber richtig ins Spiel kam er nicht und vergab eine große Chance.
Mario Gomez, Angriff (60. Minute für Klose): Nach fünf Treffern gegen eine Junioren-Auswahl dieses Mal ein Tor gegen Ungarn. Ging in jeden Zweikampf.
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