

Der größte Gegenspieler des Verteidigers Arne Friedrich war immer der Zweifel. Jahrelang hat Friedrich die rechte deutsche Abwehrseite beackert, obwohl seine eigentliche Bestimmung in der Innenverteidigung lag. Am Ende setzte er sich immer durch - gegen die Konkurrenz und die Zweifel. Bei der WM 2006 und EM 2008 war er Stammspieler im DFB-Team.
Auch 2010 musste Friedrich wieder gegen den Zweifel antreten. Er sollte jetzt in der Innenverteidigung des DFB ran, war aber mit Hertha BSC gerade abgestiegen. Könnte ausgerechnet Friedrich, der von seinen 73 Länderspielen nur eine Handvoll auf diesem Posten absolviert hatte, der so wichtigen deutschen Abwehrmitte Sicherheit geben? Einer, der nicht mal eine sichere berufliche Zukunft hat?
"Arne Friedrich hatte eine Top-Vorbereitung, er hat die Mannschaft in den ersten Wochen angeführt", sagt Hans-Dieter Flick. Das erste WM-Spiel gegen Australien ist vorüber, vorne steht eine Vier, hinten eine Null und der DFB-Co-Trainer adelt den Innenverteidiger aus Berlin.
Zweifel an Friedrich wirken derzeit so glaubwürdig wie Lob für Europameister Spanien. Nicht mal die Tatsache, dass der 31-Jährige als Rechtsfuß links neben Per Mertesacker ran muss, hat sich bisher negativ ausgewirkt. "Ich dachte erst, das könnte ein Problem sein, aber es spielt höchstens in der Spieleröffnung eine Rolle", sagt er.
Es läuft für Friedrich, sogar die eigenen Zweifel haben sich in Luft aufgelöst.
Friedrichs Form ist eine gute Nachricht für diese junge deutsche Nationalmannschaft, die offensiv unberechenbar und übermütig ist und genau deshalb nichts dringender braucht als abgeklärte Sicherheitsbeamte in der Abwehr. Die schlechte Nachricht ist, dass der Sieg gegen Australien nicht viel aussagt über die Verlässlichkeit dieser Security. Die eigentliche Bewährungsprobe steht erst gegen Serbien (13.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) an.
"Serbien muss unbedingt gewinnen"
Dann wird die Abwehrzentrale aller Voraussicht nach auf einen spielstarken Gegner treffen, der technisch in der Lage ist, schnell zu spielen und Lücken in die Viererkette zu reißen. Ganz anders also als die Australier mit ihrer Safety-first-Mentalität, die nur dann gefährlich wurden, wenn sie mal eine Flanke in den Strafraum brachten. Zwar hat Serbien seine Auftaktpartie gegen Ghana 0:1 verloren, aber Joachim Löw warnt genau deshalb besonders deutlich. "Serbien muss unbedingt gewinnen, und sie werden mehr tun als nur hohe Bälle zu spielen", sagte der Bundestrainer.
Respekt klingt auch bei Flick mit, als er über den zweiten Gruppengegner spricht. "Wir müssen sehr konzentriert sein, im Mittelfeld haben sie gute Fußballer und mit Zigic und Pantelic stehen schlitzohrige und torgefährliche Spieler vorne drin", sagt der Löw-Assistent. Nikola Zigic ist mit 2,02 Metern der größte Feldspieler der WM, Marco Pantelic aus der Bundesliga (Hertha BSC) noch bestens als Torjäger und Teamkollege von Friedrich bekannt. Es sind Spieler, die Mertesacker und Friedrich mehr Schwierigkeiten bereiten dürften als Tim Cahill, die einzige Spitze der Australier.
Die Befürchtung wird gestützt durch die leise Kritik, die der Bundestrainer selbst nach dem Zu-Null gegen Australien an der Innenverteidigung übte. Diese habe zwar "defensiv gut gearbeitet, aber sie hätte noch häufiger aufrücken müssen". Dieses Aufrücken macht das Mittelfeld enger und die Kombinationen für den Gegner schwerer. Zudem begnügten sich Friedrich und Mertesacker bei der Spieleröffnung mit kurzen, risikolosen Bällen auf Bastian Schweinsteiger. Das Anforderungsprofil für den DFB-Verteidiger ist jedoch komplexer geworden - da werden nicht nur gegnerische Angriffe abgefangen, sondern möglichst auch eigene Vorstöße eingeleitet.
Mertesacker und Metzelder nannte man "Schleich und Schnarch"
Doch auch hier ist es für eine Diagnose noch zu früh. Friedrich und Mertesacker hatten nur wenig Zeit, sich einzuspielen. Sie müssen kurzfristig nachholen, was ihnen durch Bundesliga-Spielplan, Verletzungen und die kurze Vorbereitung vorenthalten geblieben war. Die Spiele bei der WM werden so zu Feldversuchen und jedes Training für den Feinschliff genutzt. Als "absolute Akutphase" bezeichnet Mertesacker diese Einheiten, in denen die Laufwege verinnerlicht werden müssen.
"Wir verstehen uns sehr gut, das passt auch charakterlich", sagt Friedrich. Und Mertesacker erklärt, mit Friedrich "auf einer kommunikativen Wellenlänge" zu sein.
Der Bremer ist jetzt 25 und seit 2004 Stammspieler, sein Partner beim DFB hieß meist Christoph Metzelder. Umstritten war Mertesacker selten, aber der Schnellste war er auch noch nie. Die Abstimmung mit dem Nebenmann ist für ihn deshalb noch wichtiger, der schnelle Friedrich ist aus diesem Grund auch zu Mertesackers Partner geworden.
Beide einen die Zweifel, denen sie während der Euro 2008 ausgesetzt waren. Mertesacker und Metzelder nannte man "Schleich und Schnarch", Friedrich wurde zunächst Clemens Fritz vor die Nase gesetzt. Am Ende schaffte es Deutschland bis ins Finale.
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Abwehrduo Arne Friedrich (l.) und Per Mertesacker: Gemeinsam ordneten sie gegen Australien die Defensive. Dabei hatten sie keine Mühe, die gegnerischen Angreifer vom Tor fernzuhalten. Die erste richtige Bewährungsprobe wartet im zweiten Gruppenspiel gegen Serbien. Dass Friedrich überhaupt in der Stammelf...
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