Geplatztes Bundesliga-Investorenmodell Der Deal ist tot, der Konflikt lebt

Nach dem gescheiterten Investoren-Einstieg in die Bundesliga geht der Verteilungsstreit um das Geld im deutschen Profifußball weiter. Die Frage: Wie reagieren die Großklubs FC Bayern und Borussia Dortmund? Der Überblick.
Fan von Borussia Dortmund

Fan von Borussia Dortmund

Foto: Stuart Franklin / Getty Images

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Am Tag danach fangen die ersten Aufräumarbeiten an. Am Mittwoch war die notwendige Zweidrittelmehrheit für den Einstieg eines externen Investors in die Fußballbundesliga am Votum der Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) gescheitert.

Es war eine Entscheidung, mit der im Vorfeld nur die wenigsten gerechnet hatten, inklusive der verantwortlichen DFL-Spitze. Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke und sein Geschäftsführer Axel Hellmann, die den Investorenprozess vorangetrieben hatten, reagierten sichtlich pikiert auf das Abstimmungsverhalten der Klubs, die sich nicht für den Deal ausgesprochen hatten.

Wie geht es also weiter, nachdem der Investorenprozess nun vorerst gestoppt worden ist? Wir fassen die wichtigsten Fragen und Antworten hier zusammen.

Worum ging es bei dem geplanten Deal?

Wenn der Plan der DFL-Spitze durchgekommen wäre, sollten 12,5 Prozent für eine Laufzeit von 20 Jahren an einen externen Geldgeber gehen. Die DFL hatte sich davon rund zwei Milliarden Euro versprochen.

Die DFL-Spitze auf dem Weg zur Mitgliederversammlung am Mittwoch

Die DFL-Spitze auf dem Weg zur Mitgliederversammlung am Mittwoch

Foto: Arne Dedert / dpa

Um die Möglichkeit der Kapitalbeschaffung weiterzuverfolgen, hätten zwei Drittel der Wahlberechtigten für den Plan stimmen müssen – das wären 24 Vereine gewesen. Die kamen aber nicht zusammen, 20 Vereine stimmten zu, elf dagegen, fünf enthielten sich. »Der Prozess ist mit dem heutigen Tag zu Ende«, sagte Watzke anschließend.

Wer hat wie abgestimmt?

Die Abstimmung erfolgte geheim, doch von einigen Vereinen weiß man es. Zahlreiche Topklubs stimmten für den Antrag: etwa Bayern München, Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt, Union Berlin. Auch Borussia Mönchengladbach hat sich klar zu seinem Ja für den DFL-Plan bekannt. Prominente Gegner waren unter anderem die abstiegsbedrohten Klubs VfB Stuttgart und Schalke 04, der 1. FC Köln sowie Zweitligist FC St. Pauli.

Wie haben die Befürworter reagiert?

An der Grenze zum Beleidigtsein. Interimsgeschäftsführer Axel Hellmann malte das Szenario an die Wand: »Mit jedem Jahr, das vergeht, mit jeder Investition, die andere Ligen tätigen, wird es für uns immer schwieriger.«

Watzke wurde in der Pressekonferenz nach der Abstimmung noch deutlicher, bezeichnete Teile der Kritik an dem Deal als »totalen Bullshit« und beklagte, man setze mit der Abstimmung die Solidarität der großen Klubs mit dem Rest der Liga aufs Spiel. In Teilen der Pressekonferenz hatte man den Eindruck, hier spreche vor allem der BVB-Boss Watzke und nicht der Chef der Deutschen Fußball-Liga, der die Interessen aller Klubs zu vertreten hat.

Bayern-Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen

Bayern-Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen

Foto: IMAGO/kolbert-press/Peter Fastl / IMAGO/kolbert-press

Bayern Münchens Vorstandschef Oliver Kahn sagte: »Nun besteht die Gefahr, dass der Abstand zu England und Spanien weiter wächst. Und das wäre dann ein Schaden für alle Vereine, die Größeren und die Kleineren.« Bei dem angedachten Modell hätten die größeren Vereine viel Solidarität mit den kleineren gezeigt, so schlug auch Kahn in die Kerbe Watzkes.

Die Position der Gegner des Deals formulierte Schalke 04: »Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zu viele offene Fragen – unter anderem zu Business Plan, Neubesetzung der Geschäftsführung und dem Verteilungsmechanismus«. Die fanstarken Klubs, »die über den sportlichen Erfolg hinaus zur Attraktivität beitragen, sollten bei der Verteilung stärker berücksichtigt werden«. Ein fanstarker Klub ist: Schalke.

Warum wird nicht weiterverhandelt?

Die harsche Reaktion der DFL-Spitze, das Thema Investoreneinstieg nach dieser Abstimmung komplett und sofortig zu beenden, hat manche in der DFL irritiert. Auch die Mehrzahl der Klubs, die sich enthalten oder mit Nein gestimmt haben, sind schließlich nicht prinzipiell gegen Investitionen in die Liga. Es war vielmehr die Art und Weise, wie die DFL den Deal eingetütet und vor allem kommuniziert hat, die bei den Klubs auf Kritik gestoßen ist. Aber Watzke und Hellmann haben deutlich gemacht, dass sie keine Chance mehr sehen, das Investorenmodell in irgendeiner Weise noch zu diskutieren.

Warum ist die Liga so gespalten?

Der deutsche Fußball steckt mitten in einem Verteilungskampf. Bei dem die Prioritäten bisher immer klar waren: Die großen Klubs sind auch die, die am meisten bekommen, mit dem Argument, dass sie durch ihre internationalen Auftritte auch das meiste für das Renommee der Liga tun. Das haben die kleinen Klubs bei der Verteilung der TV-Gelder bisher immer hingenommen. Dass es bei dem geplanten Investorendeal aber wieder genauso laufen würde und die Großen erneut den Rahm abschöpfen hätten können, hat vielen Klubvertretern in der DFL offenbar sauer aufgestoßen.

Ex-DFL-Boss Christian Seifert

Ex-DFL-Boss Christian Seifert

Foto: Frank Rumpenhorst/ dpa

Der langjährige DFL-Chef Christian Seifert zeigte sich von dem Konflikt, wie er sich in der Abstimmung manifestierte, überhaupt nicht überrascht: »In der Bundesliga haben ungefähr zehn Klubs internationale Ambitionen«, sagte Seifert, der Ligaverband bestehe jedoch aus 36 Vereinen – und den meisten dieser 36 ist die Auslandsvermarktung und der internationale Vergleich mit Spanien oder Italien nicht so wichtig.

Seifert, der sich in seinen DFL-Jahren einen Ruf als gewiefter Manager erarbeitet hat, dem aber auch vorgeworfen wurde, er habe vor allem Politik für die potenten Klubs gemacht, legte sich auch jetzt fest: Die Entscheidung gegen einen Investor werde »dazu führen, dass es ein paar Klubs international noch schwerer haben werden«, sagte der 54-Jährige.

Gibt es auch Sieger dieser Entscheidung?

Die Causa Investorendeal ist am Mittwoch meistens als Scheitern beschrieben worden. Aber man kann das Ganze natürlich auch von der anderen Seite aufzäumen. Der wochenlange Protest der Fans in den Stadien, die Kritikpunkte, die die kleineren Klubs in den Vorwochen gesammelt haben, haben ganz offenbar Wirkung gezeigt. Diejenigen, die immer schon der Ansicht waren, dass der deutsche Fußball sich vor allem auf sich konzentrieren soll, darauf, den Wettbewerb intern attraktiv zu machen, statt den internationalen Wettbewerb an Nummer eins zu setzen, fühlen sich bestätigt.

Welche anderen Möglichkeiten zur Geldbeschaffung gibt es noch?

Die Verhandlungen mit den Private-Equity-Firmen, die Interesse an dem Deal angemeldet hatten, sind nun jäh beendet. Die Liga wird jetzt wieder von Neuem diskutieren, welche anderen Finanzierungsmodelle für die Zukunft infrage kommen. Der 1. FC Köln hatte schon im Vorfeld die Variante ins Spiel gebracht, sich das Geld über Bankkredite zu beschaffen und so die Kontrolle über die eigenen Geschäfte zu behalten.

Fanproteste in Dortmund

Fanproteste in Dortmund

Foto: INA FASSBENDER / AFP

Dagegen hat Watzke am Mittwoch allerdings noch einmal vehement argumentiert und für diesen Fall seinen Rücktritt als DFL-Chef angekündigt. Er habe sich bei der Sanierung von Borussia Dortmund in den Nullerjahren »von Banken demütigen lassen müssen«, das werde er nicht noch einmal mit sich machen lassen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die DFL wird sich als Erstes einen neuen Geschäftsführer suchen müssen, die kommissarisch agierenden Axel Hellmann und Oliver Leki geben ihre Ämter zum 30. Juni ab. Als möglicher Nachfolger wird Bayern-Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen gehandelt. Da dieser aber auch als möglicher neuer Bayern-Vorstandschef im Gespräch ist, ist die Personalie noch völlig ungeklärt. Auch unklar ist bisher, ob es einen oder zwei Geschäftsführer geben soll. Das Scheitern von Hellmanns und Lekis Vorgängerin Donata Hopfen  hatte eine Diskussion über die Führungsstruktur in der DFL befeuert, die auf eine einzige Figur zugeschnitten ist.

Klar ist: Die neue DFL-Spitze wird viel damit zu tun haben, die auseinanderdriftenden Kräfte innerhalb des Dachverbands, die durch diese Abstimmung für jeden sichtbar wurden, zu zügeln.

Watzke hatte in seiner ersten Reaktion gar das Aufkündigen der Solidargemeinschaft der Klubs der 1. und 2. Liga angedeutet, seine Äußerungen, es solle ihm demnächst »niemand mehr mit Solidaritätsthemen kommen«, wurden auch als Drohung an die kleineren Klubs aufgefasst, dass die Großvereine sich ihre eigenen Geldquellen suchen könnten.

Es ist auch ein deutlicher Wink Watzkes auf die Neuregelung der TV-Rechte, die ab 2025 ansteht. Dass die Großklubs dann keine große Rücksicht auf andere mehr nehmen, steht als Drohung im Raum. Andererseits haben die Topvereine bisher auch wenig Anstalten gezeigt, aus den Paketlösungen auszusteigen. Weil sie auch so damit bisher immer gut gefahren sind. Dass es in jedem Fall ein besseres Geschäft ist, wenn man auf eigene Faust vermarktet, ist bisher auch nur eine Annahme.

Bayern München und der BVB sind sicherlich nicht auf die DFL angewiesen, gleichzeitig haben sie aber einen offenen Bruch mit der Bundesliga bisher stets vermieden, wie man am Beispiel der Debatte über die Super League sieht, als sich die deutschen Klubs schnell gegen das Konstrukt positioniert hatten.

Die Drohkulisse, wenn ihr nicht mitmacht, verlassen wir eben die Bundesliga, kann zwar jederzeit aufgebaut werden. Sehr wahrscheinlich ist dieser Schritt aber derzeit noch nicht. Zu sehr ist die Super League vor zwei Jahren schon nach wenigen Tagen in sich zusammengekracht.

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