Kopfverletzungen im Fußball DFL verordnet jährlichen Hirntest für Bundesligaprofis

Die Deutsche Fußball Liga verpflichtet alle Erst- und Zweitligaspieler zum Hirntest vor der Saison. Das soll bei der Erkennung von Gehirnerschütterungen während des Spiels helfen - und vor Langzeitschäden schützen.
Während des Relegationsrückspiels zwischen Union Berlin und dem VfB Stuttgart stießen Ozan Kabak (Nr. 18) und Holger Badstuber (2.v.r.) mit den Köpfen zusammen. Beide spielten danach weiter

Während des Relegationsrückspiels zwischen Union Berlin und dem VfB Stuttgart stießen Ozan Kabak (Nr. 18) und Holger Badstuber (2.v.r.) mit den Köpfen zusammen. Beide spielten danach weiter

Foto: Annegret Hilse / REUTERS

Die Profis der 36 Erst- und Zweitligaklubs müssen sich künftig jährlich einem Test zur Diagnose möglicher Hirnschäden unterziehen. Das gab die Deutsche Fußball Liga (DFL) bekannt.

Bei der verpflichtenden Überprüfung im Vorfeld der Saison sollen verschiedene Teilbereiche der Hirnfunktion untersucht werden wie die Balance und die Merkfähigkeit. Mit diesen Erkenntnissen soll für jeden Spieler ein "Normalzustand" definiert werden. Verletzt sich dann ein Spieler auf dem Feld am Kopf, kann der Mannschaftsarzt durch die Messung eventueller Abweichungen, dem sogenannten Baseline-Screening, zu einer genaueren Diagnose kommen.

Der Spieler soll erst dann wieder zum Einsatz kommen, wenn seine Testergebnisse wieder dem Normalzustand entsprechen. Die Schiedsrichter seien informiert, dass die Partie für eine solche Behandlung bis zu drei Minuten unterbrochen werden kann, heißt es in einer DFL-Mitteilung. Das allerdings war bisher auch der Fall.

"DFL und Klubs sind sich ihrer Fürsorgepflicht für die Gesundheit der Spieler bewusst", sagte Andreas Nagel dazu, DFL-Direktor für Sport und Nachwuchs.

Einige Sportmediziner prangern seit Jahren an, dass die Gefahr von Langzeitschäden  durch bei Luftkämpfen entstehenden Kopfverletzungen unterschätzt wird. Selbst bei zu vielen Kopfbällen könne es zur Rückbildung von Hirnzellen kommen. Laut einer britischen Studie aus dem Jahr 2017  sind Profifußballer ähnlich wie Boxer oder Footballspieler anfälliger für Hirnschäden.

Die Angst vor CTE

In der abgelaufenen Bundesligasaison gab es mehrfach Fälle, bei denen Spieler nach Zusammenstößen benommen liegen geblieben waren und danach trotzdem weiterspielten. Der Nürnberger Torwart Christian Mathenia war sogar augenscheinlich bewusstlos und spielte die Partie dennoch zu Ende. Der Paderborner Neurologe Claus Reinsberger nannte den Fall Mathenia bei SPIEGEL ONLINE "fahrlässig".

Christian Mathenia am Boden

Christian Mathenia am Boden

Foto: Bongarts/Getty Images

Auch beim Relegationsrückspiel zwischen Union Berlin und dem VfB Stuttgart stießen mit Holger Badstuber und Ozan Kabak zwei Spieler schwer mit den Köpfen zusammen und blieben zunächst benommen liegen. Beide spielten danach weiter.

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass es bisher keine einheitliche Überprüfung bei möglichen Gehirnerschütterungen gegeben hat. Im American Football dagegen wurde ein umfangreiches Concussion Protocol  eingeführt. Spieler, die eine Gehirnerschütterung erlitten haben könnten, müssen mehrere Tests durchlaufen, ehe sie weiterspielen dürfen. Beim American Football war es ein jahrelanger Kampf, bis anerkannt wurde, dass die Kopfverletzungen infolge von Zusammenstößen verantwortlich für die schwere Hirnerkrankung CTE und darauffolgende Symptome wie Depressionen, Aggressivität bis hin zu Mord und Suizid sind.

Diskussion über Kopfballverbot für Kinder

Die DFL folgt mit der Entscheidung nun einer Empfehlung der Medizinischen Kommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), deren Vorsitzender Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer ist. "Wir haben in jüngster Vergangenheit keine extreme Häufung der Kopfverletzungen festgestellt. Allerdings gab es über die Jahre einen leichten Aufwärtstrend, der vermutlich durch die Zunahme der Spieldynamik zu erklären ist", sagte Meyer. "Die Einführung des Baseline-Screenings ist also keine Reaktion auf einen evidenten akuten Missstand, sondern ein wichtiger Schritt, um den Umgang mit Kopfverletzungen im Fußball weiter zu professionalisieren.

Um mögliche Hirnschäden zu vermeiden, wurde in Deutschland auch bereits das Kopfballverbot im Jugendalter diskutiert. 2015 führte der US-amerikanische Fußballverband als weltweit erster ein Kopfballverbot für Kinder unter elf Jahren ein. Wird dennoch geköpft, gibt es Freistoß für den Gegner an der Stelle des Regelverstoßes.

mey/sid
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