Neuer Gladbach-Trainer Hecking Der Coach, den man nicht coachen muss

Normalerweise sprühen neue Trainer bei ihrer Präsentation vor Enthusiasmus, sprechen von großen Zielen und schwärmen von den tollen Arbeitsbedingungen im neuen Job. Dieter Hecking aber saß am Mittwoch in Mönchengladbach bei seiner Vorstellung vor den Journalisten und erzählte, wie unerfreulich die vergangenen Wochen verlaufen seien. Jedenfalls aus der Sicht seiner Frau.
Die sei "nicht gerade glücklich" über das Angebot vom Niederrhein gewesen. Schließlich habe Kerstin Hecking die Zeit, da ihr Gatte zu Hause war, "sehr genossen, auch wenn ich nicht der ideale Hausmann bin", sagte der 52-Jährige, der im Oktober beim VfL Wolfsburg entlassen worden war.
Etwas mehr Ruhe bis zum nächsten Job hätte der Familie Hecking gut gefallen, aus der Perspektive der Borussia hingegen gab es wohl selten ein besseres Timing bei einem Trainerwechsel. Hecking hat sich in den vergangenen Wochen erholt, ist aber noch ganz nah am Geschehen. Vor allem jedoch konnte sich Sportchef Max Eberl in aller Ruhe mit dem Deal auseinandersetzen. Er konnte Vorgespräche führen und dann zuschlagen, als André Schubert kurz vor Weihnachten nicht mehr zu halten war .
Zwar verzichtete Eberl am Mittwoch auf die Vokabel "Wunschtrainer", aber in diesem Fall wäre sie treffend wie selten gewesen. Hecking habe Erfolge zu verzeichnen, könne "mit jungen Spielern umgehen und er passt zur Borussia", sagte Eberl und schaute zufrieden in die Runde: "Ich bin sehr froh, dass Dieter auf dem Markt war". Denn Hecking zählt zu den renommiertesten Fachmännern auf dem deutschen Markt.
"Immer erreichbar"
Vor allem aber passt er mit seiner unaufgeregten Art und seiner Offenheit zu Borussia Mönchengladbach. Bis zur Trennung vom VfL Wolfsburg im Herbst wurde er noch bei keinem Profiklub entlassen. Ob in Lübeck, Aachen, Hannover, Nürnberg oder Wolfsburg, überall hatte er Erfolg. Und Gladbach ist ein Projekt, das weit mehr beinhaltet als die Reparatur einer bislang ziemlich misslungenen Bundesligasaison. "Es ist nicht unsere Intention, ein Hire-And-Fire-Verein zu sein", sagte Eberl, "wir sind ein Verein, der Kontinuität leben will".
Mit Schubert ist das nicht gelungen, aber Hecking könnte der richtige Trainer für die kommenden Jahre sein, in denen der Klub sich als regelmäßiger Europapokalteilnehmer stabilisieren will. Nach dem zum Fatalismus neigenden Lucien Favre, dessen Empfindsamkeit für den Verein mitunter ziemlich anstrengend war, und dem eigenwilligen und nur schwer zugänglichen André Schubert, hat Eberl plötzlich den vielleicht umgänglichsten Trainer der Liga an seiner Seite. Das ist ein angenehmer Kulturschock für die Borussia, die sich schon daran gewöhnt hat, dass der Coach immer selbst ein wenig gecoacht werden muss.
Hecking gab sich an seinem ersten Arbeitstag gleich mächtig Mühe, sein Image zu pflegen. Den Journalisten versprach er, "immer erreichbar" zu sein, die künftige Spielweise werde er "gemeinsam mit der Mannschaft entwickeln". Es gibt nicht viele Trainer in diesem Geschäft, die ähnlich uneitel auftreten.
Hecking bekommt ein paar neue Spieler
Hecking könnte den Klub, dessen Erfolge der vergangenen Jahre viel mit der konstruktiven Unternehmenskultur zu tun haben, auch jenseits der Facharbeit bereichern. Zumal er sogar eine Mönchengladbacher Vergangenheit hat. 1983 kam Hecking als 18-jähriger Stürmer zu dem Verein, konnte sich aber nicht gegen Stars wie Ewald Lienen, Uwe Rahn oder Frank Mill durchsetzen und absolvierte nur sechs Bundesligapartien.
Als er am Dienstagabend in die Stadt kam, hätten ihn nostalgische Gefühle erfüllt, sagte Hecking: "Es ist schon was Besonderes, wenn man hier rein fährt, da kommen Erinnerungen hoch. Ich habe meiner Frau gezeigt, wo der alte Bökelberg und das Hotel ist, in dem ich mal eine Zeit lang gewohnt habe."
Jetzt muss sich nur noch die zuletzt so schwer verunsicherte Mannschaft erholen, wobei auch ein paar Neuzugänge helfen werden. Der Transfer des Innenverteidigers Timothée Kolodziejczak vom FC Sevilla steht bereits fest, der 27-jährige Franzose wird den Platz des Sportinvaliden Alvaro Dominguez im Kader ersetzen.
Darüber hinaus hat Eberl vor Weihnachten moniert, dass dem Team nach dem Wechsel von Granit Xhaka ein lautstarker Anführer fehle, gut möglich also, dass noch weitere Spieler verpflichtet werden. Denn neben der erhofften Stabilisierung in der Bundesliga haben die Gladbacher ja auch noch Chancen auf schöne Erfolge im DFB-Pokal und in der Europa League.