Bundesligist Mönchengladbach Das Hecking-Paradoxon

Borussia-Trainer Dieter Hecking: bis zum bitteren Ende
Foto: Sascha Schürmann AFPAn diesem Tag, an dem im deutschen Fußball so viel von Uhren die Rede ist, kann man es so formulieren: Bei Borussia Mönchengladbach gehen die Uhren noch etwas anders.
In der Vorsaison, die für Fans und Verein mit einem unbefriedigenden neunten Tabellenplatz endete, stand Sportdirektor Max Eberl zum Trainer. Dieter Hecking war umstritten, durfte aber bleiben. Jetzt, da die Borussia trotz ihrer fast klassischen Rückrundendelle noch auf Rang fünf steht, nach Monaten in der Champions-League-Region, verkündet der Sportdirektor das Ende der Zusammenarbeit mit Hecking im Sommer - mit dem Trainer also, dessen Vertrag Eberl im November erst verlängert hatte.
"Ich habe eine strategische Entscheidung zur Zukunft des Klubs gefällt", begründete Eberl vor der Presse. Neben ihm saß Hecking, auch das ist in solchen Fällen nicht üblich. Es sei sein gutes Recht, "eine Neuausrichtung anzustreben, wenn sie möglich ist", so der Sportdirektor. Das lässt sich nur so interpretieren, dass ein Nachfolger schon gefunden und bereit steht, und dass Eberl jetzt die Gelegenheit ergreift. Laut "Bild" soll das Marco Rose sein, der von vielen Klubs umworbene Trainer von RB Salzburg, die "Rheinische Post" bringt zudem den Namen des Young-Boys-Trainers Gerardo Seoane aus Bern ins Gespräch.
Schritt jetzt leichter zu verkaufen
"Diese Entscheidung hat nichts mit der aktuellen Situation zu tun", beteuerte Eberl. Zufällig dürfte es aber nicht sein, dass sie jetzt verkündet wird. Nach der schwachen Leistung beim 1:3 in Düsseldorf, nach nur einem Sieg aus den vergangenen sieben Spielen, ist so ein Schritt der Öffentlichkeit weit leichter zu verkaufen als in den Erfolgswochen zuvor.

Borussia-Sportdirektor Max Eberl: "Strategische Entscheidung gefällt"
Foto: Thilo Schmülgen REUTERSSowohl Eberl als auch Hecking betonen seit Wochen, dass die Mannschaft in dieser Saison "etwas Außergewöhnliches spielt", die Elf "spielt im Grunde über ihrem Limit", sagte Hecking, derzeit "spielt sie wahrscheinlich erstmals seit Langem normal".
Das könnte der Grund sein, warum Eberl sich zum Handeln gezwungen sieht: "Wir wollen in Zukunft einiges anders machen, und das betrifft nicht nur den Trainer", sagte er, bei diesem Satz horcht man auf. So könnten sich auch im Kader umfassendere Dinge tun, als man das bisher gedacht hatte.
"Bis zum bitteren Ende"
Die Borussia hat einen der älteren Kader der Liga (im Schnitt ist ein Gladbachprofi 25,6 Jahre alt) - das schien gut zu passen zum Moderator und Trainer-Routinier Hecking. Rasanter Tempofußball, von jungen wilden Spielern, das ist nicht die Sache Heckings gewesen. Er hatte in dieser Saison schon viel gegen den Ruf des Coachs mit der zu ruhigen Hand getan. Das Spielsystem der Borussia hatte sich verändert, Spieler wie Jonas Hofmann waren aus der Lethargie erwacht. Das alles reicht Eberl aber offensichtlich noch nicht, oder er sieht es nicht als perspektivisch erfolgreich an.
"Mit meiner Gelassenheit, die ich mittlerweile habe, habe ich die Entscheidung ab einem gewissen Punkt akzeptieren können", sagte Hecking. Es sei Eberls "gutes Recht", so zu handeln, er werde als Trainer "jetzt bis zum Saisonende abarbeiten, was mir auferlegt ist". Das klingt nicht nach der großen Leidenschaft, aber diese Eigenschaft wurde dem 54-Jährigen noch nie attestiert.
Er fügte an: "Wir ziehen das jetzt durch bis zum bitteren Ende", merkte aber dann, dass das vielleicht nicht die glücklichste Formulierung war: "Und das bittere Ende soll süß sein."
Sportlich in einer merkwürdigen Situation
Der Verein ist sportlich in einer merkwürdigen Situation. Auf der einen Seite betonen alle Verantwortlichen, "was in dieser Saison Großartiges geleistet wird" - tatsächlich wurde die Borussia zu Rückrundenbeginn sogar als möglicher Meisterschaftsanwärter gehandelt. "Das hat der Mannschaft doch keiner zugetraut", sagte Hecking, und damit dürfte er Recht haben. Auf der anderen Seite hat die Rückrunde aber auch die Defizite der Mannschaft aufgezeigt, die in der Hinrunde durch die Ergebnisse überdeckt worden waren: die Mängel im Tempospiel, die Abhängigkeit von drei, vier Leistungsträgern. Wenn die schwächeln wie der abwanderungswillige Stürmer Thorgan Hazard, passiert nicht mehr viel im Borussenspiel.
So ist die paradoxe Situation eingetreten, dass Hecking aus dieser Mannschaft womöglich das Beste herausgeholt hat. Und weil mehr nicht drin ist, muss er einem Anderen weichen.