Gladbach-Kapitän Jantschke: "Früher Leberhaken"
Foto: Bongarts/Getty ImagesDietmar "Didi" Hamann (Jahrgang 1973) gab 1993 sein Bundesligadebüt für den FC Bayern. Fünf Jahre später wechselte er in die Premier League, wo er für Newcastle United, den FC Liverpool und Manchester City spielte. Hamann absolvierte 59 Länderspiele und wurde 2002 Vizeweltmeister. Heute lebt er in der Nähe von Manchester, arbeitet als Experte für den Sender Sky und kommentiert für SPIEGEL ONLINE regelmäßig Entwicklungen in der Bundesliga und im internationalen Fußball.
Der Dortmunder 4:0-Erfolg im Borussen-Duell gegen Mönchengladbach war der Paukenschlag des 1. Spieltages. Ein überraschendes Resultat?
Ja und nein. Es war natürlich hochverdient, aber in der Höhe schon eine Überraschung. Gladbach hat schließlich eine fantastische Rückrunde gespielt. Es kam eigentlich nie vor, dass sie unter die Räder gekommen sind. Aber Dortmund hat auch großartig aufgetrumpft.
Woran hat es bei den Gladbachern gelegen?
Das Experiment mit zwei so jungen Innenverteidigern ist schon nicht aufgegangen. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, mit Brouwers einen erfahrenen Mann hinten reinzustellen und auch Granit Xhaka im Mittelfeld defensiver zu postieren. Die jungen Christensen und Schulz waren in der Zentrale wohl doch überfordert.
Mit Anfang 20 gibt es mittlerweile doch schon genug Leute, die ihren Mann im Spitzenfußball stehen. Eigentlich ist fehlendes Alter heute doch kein Argument mehr.
Stimmt schon, heute musst du als junger Spieler schnell lernen, sonst bist du wieder weg. Man hat wenig Zeit. Dennoch: In diesem Fall sind die beiden auch etwas alleingelassen worden. Es gibt zum Beispiel bei Real Madrid einen Raphael Varane, der mit Anfang 20 schon in der Innenverteidigung steht und Topleistungen bringt. Aber er hat eben in Madrid auch Nebenleute wie die erfahrenen Pepe oder Ramos neben sich. Da spielt es sich ganz anders.
War das die Kategorie heilsamer Warnschuss, oder werden die Gladbacher dauerhaft Probleme in dieser Saison bekommen?
Die Mannschaft hat Qualität, das ist unbestritten. Wegen eines Spiels soll man jetzt nicht den Glauben verlieren. Und ich bin auch überzeugt, dass sie in der Champions League eine gute Rolle spielen werden und es in die K.o.-Runde schaffen können. So ein früher Leberhaken in der Saison kann auch mal gut tun. Dennoch: In der Liga wird es eher schwerer werden.
Die berühmte Mehrfachbelastung?
Klar. Das Problem dabei sind weniger die Spiele als diese ständige Reiserei. Wenn man zu Spielen in die Türkei oder nach Russland muss und stundenlang im Flieger sitzt, jede Woche, immer wieder, dann ist man gerädert, darauf muss man vorbereitet sein. Zudem sind die Gegner in der Champions League natürlich eine andere Kategorie als in der Europa League. Das fordert einen schon bis an die Grenze.
Ich hatte damals zu meiner aktiven Zeit den großen Vorteil, dass ich als Jugendlicher schon bei den Bayern war und langsam in diese Belastung hineingewachsen bin. Das war irgendwann eben Alltag und nichts Besonderes mehr. Bei den meisten Gladbacher Spielern ist das anders. Die haben mit so einer Situation noch nicht so oft zu tun gehabt.
Und das wirkt sich auch auf die Liga aus?
Klar. Aber in der Liga kommt noch etwas anderes hinzu: Die Konkurrenz wird größer. Ich rechne diesmal sehr stark mit Schalke, die haben mit André Breitenreiter einen der kommenden Trainer verpflichtet. Über Dortmund müssen wir nach diesem Wochenende gar nicht groß reden. Und mit Wolfsburg und Bayern sind meine Top vier damit eigentlich schon voll. Gladbach wird sich mit Leverkusen um den Rang dahinter streiten müssen.
Und danach geht Trainer Lucien Favre zu den Bayern?
Ach, ich weiß nicht. Ob ein Trainer zu den Bayern passt oder nicht, das zeigt sich ohnehin eigentlich immer erst dann, wenn er da ist. Schwer zu sagen, ob Favre einer für die Bayern wäre. Unbestritten ist natürlich, dass er ein hervorragender Trainer ist. Es gefällt mir schon sehr, was er da in Gladbach zusammengebastelt hat.
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Daumen hoch: Vor der Partie machte Dortmunds neuer Trainer Thomas Tuchel einen gelassenen Eindruck. Voller Vorfreude auf die Partie sei er, sagte er. Und dass er es vermisst habe, einen frisch gemähten Rasen zu riechen. Schwieriger dagegen seine Mission: Die Borussia wieder zum Bayern-Jäger zu machen.
Artistik pur: Pierre-Emerick Aubameyang stoppt den Ball in der Luft. Der Gabuner war genauso wie der Rest der Dortmunder Offensive sofort in der Partie, zeigte sich kombinationssicher- und freudig. Die Borussia aus Dortmund erspielte sich schnell ein Übergewicht.
Und das führte auch gleich zu einem ersten Treffer: Henrich Mchitarjan jubelte bereits, wurde aber wieder zurückgepfiffen. Seinen Treffer erzielte er aus der Abseitsposition - ein richtige Entscheidung des Schiedsrichtergespanns um Tobias Stieler (8. Minute).
In der Defensive war die Borussia aus Dortmund kaum gefordert. Sokratis und Mats Hummels standen sogar auffällig hoch und beteiligten sich dadurch intensiv am Dortmunder Aufbauspiel. Nur einmal war Josip Drmic entwischt, bekam den Ball aber nicht schnell genug unter Kontrolle (10.).
Dann war es soweit: Dortmund traf das erste Mal in der neuen Saison. Marco Reus vollendete einen Spielzug über Hummels und Shinji Kagawa zur BVB-Führung.
Nur kurze Zeit später nutzte Aubameyang die Gladbacher Räume und köpfte zum 2:0 ein (Foto). Die Partie drehte nun vollkommen zugunsten der Dortmunder, die sich fast in einen Rausch spielten.
Im Mittelfeld sorgte der erst 19 Jahre alte Julian Weigl für die richtige Balance. Tuchel schenkte dem Zugang von 1860 München das Vertrauen, der zahlte es zurück: Gegen Gladbach leitete er mit einem Ballgewinn den dritten Dortmunder Treffer ein - der BVB feierte.
Und Tuchel konnte zeigen, dass er zumindest im Torjubel ähnlich agiert wie Vorgänger Jürgen Klopp. Enthusiastisch jubelt er über die Treffer seiner Mannschaft.
Die Gladbacher hatten der anderen Borussia fast nichts entgegenzusetzen. Ein ganzer Torschuss gelang dem Team von Lucien Favre in der ersten Hälfte. Und in der zweiten wurde es kaum besser: Drmic versuchte sich mal aus rund 20 Metern. Sein Schuss ging aber klar drüber.
Ganz anders der BVB: Nächster Konter, nächstes Tor. Marco Reus entwischte der Gladbacher Defensive auf der rechten Außenbahn, fand in der Mitte Mchitarjan, und der Armenier machte bereits seinen zweiten Treffer - 4:0.
Danach flachte die Partie zunehmend ab. Dortmund kontrollierte mühelos, kam seltener zu guten Möglichkeiten. Das Spiel war längst entschieden.
Dortmund hätte sogar fast noch mit den Bayern an der Tabellenspitze gleichgezogen. Doch Kagawa zielte nach einem Doppelpass mit Aubameyang links am Tor der Gladbacher vorbei. So blieb es beim 4:0.
Die Dortmunder jubelten intensiv, im Stadion wurde es laut. Der Start nach Maß, er war perfekt.
Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 4:0: Auch im vierten Spiel unter Thomas Tuchel gewann der BVB zu null.
Und erneut glänzte Henrich Mchitarjan, der seine Scorerpunkte acht und neun in dieser Saison sammelte.
Das Spiel war nicht nur dem Ergebnis nach einseitig. Die hier abgebildeten durchschnittlichen Positionen aller Spieler zeigen, dass sich 17 von 22 Akteuren im Schnitt in der Gladbacher Hälfte aufhielten. Man beachte vor allem, wie viel höher die Dortmunder Innenverteidiger Mats Hummels (15) und Sokratis (25) im Vergleich zu ihren Gegenübern Marvin Schulz (18) und Andreas Christensen (3) standen.
Die offensive Ausrichtung des Dortmunder Spiels gegen tief stehende Gäste resultierte nicht in harmlosem Ballgeschiebe, wie es teils in der vergangenen Saison vom BVB zu sehen gewesen war. Der Blick auf die Torschüsse der Dortmunder gegen Gladbach zeigt, wie oft die Gastgeber zum Abschluss kamen - allein zehnmal aus dem Strafraum.
Ganz anders die Gladbacher. Hier alle Abschlüsse der Borussia vom Niederrhein: Zwei Ecken und ein Pass im Mittelfeld, der zu einem Fernschuss führte.
Interessant ist auch der Blick auf die Pässe, mit denen Dortmund seine Torschüsse vorbereitete. Die blauen Pfeile markieren Torvorlagen, die gelben Pässe stehen für Abschlüsse, die gehalten wurden oder vorbeigingen. Auffällig, wie variabel die Anbahnungen dieser Situationen durchgeführt wurden, und wie oft der Passgeber aus selbst guter Position noch einmal ablegen konnte.
Als Pierre-Emerick Aubameyang nach 21 Minuten das 2:0 köpfte, war bereits eine Vorentscheidung gefallen. Zu passiv verteidigten die Gladbacher, zu harmlos erschien ihre Spielanlage. Das lag jedoch zu großen Teilen auch an Dortmunds neuen Stärken.
Wer den Dortmunder Fußball in den sieben Jahren unter Jürgen Klopp verfolgt hat, der wird kaum glauben können, dass die Mannschaft auch so spielen kann, wie es diese Passstatistiken aus dem Gladbach-Spiel zeigen. Ein deutliches Plus im Ballbesitz (über 60 Prozent) zeigte unter Klopp immer an, dass die Mannschaft nicht schnell genug zum Abschluss kam. 88,6 Prozent Passquote erreichen fast Bayern-Niveau. Und nur 5,9 Prozent lange Bälle ist der niedrigste Wert des bisherigen Spieltags.
Hier alle Pässe, die Mats Hummels gegen Gladbach spielte. Neben der hohen Erfolgsquote sticht vor allem die offensive Position ins Auge, aus der der Kapitän seine Zuspiele anbringen konnte. Da die Gäste ihn nicht konsequent anliefen, leitete er außerdem die ersten beiden Tore mit guten Anspielen ein.
Ein weiterer Spieler, der eine interessante Rolle im neuen Dortmunder System einnehmen kann, ist Shinji Kagawa. Nach seiner Rückkehr aus Manchester hat er in der Vorsaison selten geglänzt.
Hier sind die Passwege Kagawas zu sehen. So einflussreich hat man ihn gerade im Zehnerraum lange nicht gesehen. Zudem verkörperte er die Flexibilität, die Tuchels BVB gegen Gladbach auszeichnete. Sowohl im Kombinationsspiel aus dem ruhigen Spielaufbau heraus als auch im schnellen Umschalten spielte Kagawa eine wichtige Rolle.
Werder Bremen - FC Schalke 0:3: Zwei Themen dominierten im Vorlauf dieses Duells, nämlich das Debüt des neuen Schalker Trainers André Breitenreiter und die Rückkehr von Franco di Santo (r.) nach Bremen, unmittelbar nach seinem Wechsel. Di Santo, so viel lässt sich sagen, war keine entscheidende Figur in dieser Begegnung.
Ein direkter Vergleich der Spieldaten Di Santos mit denen des Mannes, der ihn in Bremen ersetzen soll, lassen Anthony Ujah ganz gut aussehen - bei einer Mannschaft, die 0:3 verlor. Beim Vergleich der absoluten Zahlen muss man aber bedenken, dass Di Santo eine halbe Stunde weniger spielte als der Bremer.
Wie spielte Schalke als Team unter Breitenreiter? Der Trainer setzte auf ein 4-4-2 mit zwei echten Spitzen. Auffällig, dass Johannes Geis (5) eine sehr defensive Rolle vor der Abwehr bekleidete. Gegen Werders Raute hatte Schalke mit dieser Formation keine Aussicht auf spielerische Lösungen im Mittelfeldzentrum.
Die Passbilanz gibt einen Eindruck vom Charakter des Schalker Spiels: Mehr als ein Viertel aller Pässe wurde lang geschlagen, um die Stürmer einzusetzen. Nur zwei andere Teams hatten an diesem Spieltag höhere Werte: die beiden Abstiegskandidaten Darmstadt und HSV. Im Vergleich zum Rivalen Dortmund scheint Schalkes Spiel sich in die andere Richtung zu entwickeln.
Schalkes Stil muss nicht per se schlechter sein als ein ballbesitzorientierter Ansatz. In Bremen reichte es zu einem am Ende deutlichen Sieg, in Duisburg funktionierte die Mannschaft auch gut. Abzuwarten bleibt, wie sich Breitenreiters Stil gegen Top-Teams bewährt. Zuerst wartet aber nächste Woche Darmstadt.
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