BVB-Sieg ohne Aubameyang Pierre-Emerick Capone
Pierre-Emerick Aubameyang wusste natürlich, dass alle Kameras auf ihn gerichtet sein würden, also wählte er eine perfekt passende Garderobe für diesen Abend. Wie ein Gangster aus dem Chicago der Dreißigerjahre sah er aus mit seinem Mantel und seinem Hut, der Stürmer ist eben ein Meister der Selbstinszenierung.
Als Spiderman ist er schon aufgetreten, Batman war er schon , rund um das mühsame 1:0 (1:0) von Borussia Dortmund gegen Sporting Lissabon war ihm nun eine neue Rolle zugefallen: Er war der sagenumwobene Bösewicht. Der Protagonist wilder Spekulationen, rätselhaft und zwielichtig.
Ganz offenkundig hatte er sich in der ersten Wochenhälfte ein schweres Vergehen zuschulden kommen lassen, jedenfalls strich Thomas Tuchel ihn am Dienstagnachmittag aus dem Kader. "Es war so, dass uns keine Wahl blieb", erklärte der Trainer, dem Sportdirektor Michael Zorc "die volle Rückendeckung des Vereins" für die Strafmaßnahme zusicherte. Über die Details des Vorfalls schwiegen alle Beteiligten wie Mafiosi im Bann der berühmten Omertà, der Schweigepflicht, die zum Ehrenkodex, der Verbrecherorganisation gehört. "Interne Gründe", lautete der Code für alle öffentlichen Auftritte, was so viel hieß wie: "Wir sagen nichts."
Streit mit Tuchel in der Kabine?
Auf diesem Nährboden blühten natürlich bunte Gerüchte. Von einer Mailand-Reise, von der Aubameyang zu spät zurückgekommen sein könnte, war die Rede. Wahrscheinlicher ist aber die Geschichte von einer missbräuchlichen Smartphone-Nutzung des exzentrischen Gabuners während einer Mannschaftssitzung und einem anschließenden Wortgefecht mit Tuchel.
Spannender sind ohnehin ganz andere Fragen: Was sagt der Vorfall über das Verhältnis zwischen Aubameyang und Tuchel aus? Schürt der Konflikt die ohnehin vorhandenen Wechselwünsche des Spielers? Und wie ist überhaupt das Verhältnis zwischen der Mannschaft und diesem vielleicht besten deutschen Trainer der Gegenwart, der aber ein ziemlich anstrengender Mensch sein kann?

Champions-League-Analyse: Wie Tuchel den BVB schlauer macht
Tuchel wirkte aufgeräumt, ja geradezu fröhlich, als er rund um das Spiel über den Vorfall sprach, dabei muss er innerlich gekocht haben. "Auba hätte gespielt, er ist unser Stürmer Nummer eins, uns ist diese Entscheidung sehr, sehr schwergefallen", sagte der Trainer. Eine derartige Maßnahme vor solch einem bedeutsamen Spiel zu ergreifen, zeugt von viel Mut, deutet aber auch darauf hin, dass das Vergehen ziemlich gravierend gewesen sein muss. "Manche Dinge müssen einfach losgelöst vom Zeitpunkt betrachtet werden", sagte Tuchel.
Man kann die Dortmunder nun dafür loben, dass sie es offenbar schaffen, die genauen Hintergründe der Aufsehen erregenden Geschichte geheim zu halten. Aber Tuchel schadet die Affäre, so lange nicht nachvollziehbar ist, warum er die Suspendierung für alternativlos hielt.
Vor einigen Wochen wurde publik, dass der Trainer mit Chefscout Sven Mislintat verstritten ist, Tuchel muss aufpassen, dass sich nicht das Bild eines störrischen Dickkopfs verfestigt, der mit lauter unverzichtbaren Mitarbeitern aneinander gerät.
Ramos sprang in die Lücke
Immerhin hatte sein konsequentes Handeln keine negativen Folgen auf dem Platz. in Adrian Ramos spielte ein würdiger Vertreter. Der Kolumbianer war einer der wenigen überzeugenden Dortmunder, köpfte das Tor des Tages, arbeitete viel, "er hat insgesamt das Spiel gemacht, das wir von ihm erwarten", sagte Tuchel.
Mit der Gesamtleistung der Mannschaft war er dagegen nicht zufrieden. Obwohl mit Raphaël Guerreiro, Gonzalo Castro und Marc Bartra drei Rekonvaleszenten in die Startelf zurückkehrten, kam der BVB nie richtig in Fahrt. Tuchel veränderte immer wieder System und Spielerpositionen, "wir haben in keiner Phase eine Selbstverständlichkeit reinbekommen", sagte er.
Dass die Dortmunder nun trotzdem frühzeitig fürs Achtelfinale qualifiziert sind und nach dem überraschenden 3:3 von Real Madrid in Warschau sogar mit dem Gruppensieg liebäugeln dürfen, wurde in dem ganzen Aubameyang-Theater beinahe zur Nebensächlichkeit.
"Schwarz auf weiß zu sehen, dass wir qualifiziert sind, das zu fühlen, hilft wie nichts anderes", sagte der Trainer, und Mario Götze erklärte: "Das gibt uns eine gewisse Ruhe."
Und die ist tatsächlich nötig nach der seltsamen Geschichte dieses Abends, der spätestens am Samstag ein weiteres Kapitel hinzugefügt wird. Denn dann darf Aubameyang zum Spiel beim Hamburger SV sein Gangsteroutfit wieder gegen die schwarz-gelbe Arbeitskleidung tauschen.