Dortmunds Erfolgstrainer Klopps Revier
Martin Hüschen weiß, wem diese Meisterschaft zu verdanken ist. Der 41-jährige Hardcore-Fan von Borussia Dortmund hat sich ein eindrucksvolles Tattoo auf den Rücken stechen lassen: Zu sehen ist darauf die Meisterschale - und das Gesicht von Jürgen Klopp.
Eine gute Wahl. Klopp ist das Gesicht dieses Meistertitels, das Gesicht dieser Mannschaft. Ohne Klopp könnte diese Erfolgsgeschichte niemals erzählt werden.
Man muss sich noch einmal daran erinnern, wo Borussia Dortmund stand , als Jürgen Klopp 2008 Trainer dieses Vereins wurde. Der BVB hatte die Saison zuvor als 13. abgeschlossen, hatte in dieser Spielzeit beide Partien gegen den FC Schalke verloren und war vom FC Bayern München 5:0 gedemütigt worden. Der Verein litt zudem noch unter den Nachwirkungen der Fast-Pleite, in die der damalige Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier den Verein gesteuert hatten. Borussia Dortmund war auf dem besten Wege, ein Club ohne Eigenschaften zu werden.
Alle Statistiken sprechen für den BVB
Drei Jahre später fegen die 20-jährigen Supertalente, die Mario Götzes, Sven Benders und Marcel Schmelzers, über die Bundesligaplätze. Der BVB praktiziert einen Tempofußball, dass der Konkurrenz Hören und Sehen vergeht. Das Team hat auf dem Weg zum Titel von 32 Partien 22 gewonnen und nur vier verloren. Es hat mit großem Abstand die wenigsten Gegentreffer kassiert und nach dem FC Bayern die meisten Tore geschossen. Dazu ist der BVB auch noch die fairste Mannschaft der Liga. Alle statistischen Werte weisen aus, warum die Meisterschaft in diesem Jahr nach Dortmund geht.
Und welchen Anteil hat daran Klopp? Als Klopper kam, gehörten aus dem jetzigen Stamm nur Torwart Roman Weidenfeller, Innenverteidiger Mats Hummels und Stürmer Jakub Blaszykowski dem Team an. Alles was dazu kam, ist die Kreation des Trainers. Ob Kevin Großkreutz im offensiven Mittelfeld, Abwehrrecke Neven Subotic oder der japanische Wirbelwind Shinji Kagawa, auf den der BVB verletzungsbedingt in der Rückrunde sogar komplett verzichten musste - der 43-jährige Coach hat diese Spieler gefunden und erfunden. Er hat Rückkehrer Nuri Sahin die Führungsrolle der Mannschaft übertragen. Dazu hat er die für Dortmunder Verhältnisse teuren Transfers wie die Angreifer Lucas Barrios und Robert Lewandowski (je etwa 4,5 Millionen Euro) in das Mannschaftsgefüge eingewiesen. Damit war die passende Mischung gefunden.

Die Krone hat sich das Team an jenem siebten Rückrundenspieltag aufgesetzt, als man beim FC Bayern München 3:1 triumphierte und mit diesem Resultat gar noch Gnade walten ließ. Dieser Abend des 26. Februar war eine einzige Machtdemonstration. Die Dortmunder Defensive machte hilflose Bayern-Angriffe zunichte und agierte dabei wie der neue Souverän des deutschen Fußballs. Zurück blieb ein beschämter Rekordmeister.
Reifeprozess über drei Jahre abgeschlossen
Bayern-Präsident Uli Hoeneß hatte ein paar Tage vor dem Duell darauf hingewiesen, dass München die "mit Abstand bessere Mannschaft" sei. Hoeneß hat sich in seiner langen Funktionärslaufbahn oft geirrt. Doch selten lag er so sehr daneben wie mit dieser Einschätzung. Der FC Bayern hatte in dieser Saison möglicherweise im direkten Kader-Vergleich die besseren Spieler, das bessere Team war allerdings von Anfang an der BVB.
Im ersten Jahr unter Klopp wurde Dortmund Sechster, im zweiten Jahr qualifizierte man sich als Fünfter für die Europa League, jetzt, im dritten Jahr, ist der Reifeprozess abgeschlossen. Dabei zeigte sich die Mannschaft auch mental erstaunlich gefestigt. Sie hat alle öffentlichen und medialen Versuche, dem Team während der Saison eine mögliche Krise einzureden, abgeschüttelt. Die Konkurrenz hat lange auf eine Schwächeperiode gewartet. Sie wartet immer noch.

Borussia Dortmund und Jürgen Klopp - das ist auch von Außendarstellung und Marketing eine annähernd perfekte Zweierbeziehung. Der Trainer hat mit seiner extrovertierten Art dem Verein die Möglichkeit eröffnet, sein über die Jahrzehnte gehegtes Kumpel-Image aufzufrischen. Dem gebürtigen Stuttgarter nimmt man den Ruhrgebietsmenschen ab. Klopp, der Kommunikator, der Fußball lebt und mit den Medien sein Spiel spielt - das ist ein Traum für die Marke BVB. Die werbetreibende Wirtschaft hat das längst erkannt. Keine Fußballsendung mehr ohne einen Jürgen-Klopp-Werbespot.
Die Frage, ob das Team in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung bleibt, ob der Erfolg bei einigen die Fliehkräfte Richtung Bayern München oder Real Madrid in Gang setzt, ob die Mannschaft das Zeug hat, in der Champions League mehr als ein Vorrundenteilnehmer zu sein - all diese Fragen sind zu diesem Zeitpunkt unbeantwortet. Dieser Moment aber gehört zunächst einmal dem Feiern des Deutschen Meisters 2011 Borussia Dortmund. Kein anderer hat in diesem Jahr den Titel mehr verdient.