
Marco Reich: Ex-Nationalspieler in Polen
Ehemaliger Nationalspieler Reich "Die Medien haben mich erdrückt"
SPIEGEL ONLINE: Herr Reich, Sie waren Nationalspieler, spielten anschließend in zweiten und dritten Ligen, jetzt in Polen. Sogar das Talent von Michael Ballack hat man ihnen attestiert. Hätten Sie mehr aus Ihrer Karriere machen können?
Reich: Ich habe über 140 Spiele in der Bundesliga gemacht, das ist ja nicht so schlecht.
SPIEGEL ONLINE: Das war nicht die Frage.
Reich: Ich hätte mit Sicherheit mehr machen können.
SPIEGEL ONLINE: Warum hat es nicht geklappt?
Reich: Da gibt es verschiedene Faktoren. Ich habe in Kaiserslautern gespielt, bin dann für viel Geld von Manager Hannes Linsen und Trainer Ewald Lienen nach Köln geholt worden. Ich hatte keinen guten Start. Als es bei mir besser lief, mussten beide gehen. Wir stiegen ab.
SPIEGEL ONLINE: Sie wechselten anschließend nach Bremen. Warum lief es dort nicht?
Reich: Trainer Thomas Schaaf ließ flexiblen Fußball spielen und hatte mich als Offensivspieler geholt. Dann ergab sich für den Verein die Möglichkeit, Johan Micoud zu verpflichten. Und der hat traumhaft gespielt. Es gab auch noch Fabian Ernst, Krisztian Lisztes und Frank Baumann im Mittelfeld, dazu Simon Rolfes und Tim Borowski auf der Bank. Der Konkurrenzkampf war extrem groß, es war schwer, sich durchzusetzen. Es gab auch nicht wirklich eine Position für mich. In England hat das dann wunderbar geklappt.
SPIEGEL ONLINE: War das Ihre beste Zeit?
Reich: Das kann man so nicht sagen. Auch in Kaiserslautern hatte ich eine super Zeit mit der Teilnahme an der Champions League und dem Uefa-Pokal. Am Anfang dachte ich noch, dass es einfach immer weiter aufwärts geht. Dann habe ich die negativen Seiten erlebt, mit einem Abstieg. Auch persönlich - ich habe nicht gut gespielt und die Erwartungen nicht erfüllt. In England konnte ich meine Karriere dann wieder genießen.
SPIEGEL ONLINE: Gab es einen Punkt, an dem Sie gemerkt haben, dass es nicht immer nur aufwärts geht?
Reich: In Köln, als ich als junger Spieler von Kaiserslautern kam. Im ersten Jahr hatte ich als Profi den Aufstieg erlebt. Im zweiten wurde ich Deutscher Meister, im dritten spielte ich im Champions-League-Viertelfinale, im fünften im Uefa-Pokal-Viertelfinale. Da denkt man schon, alles sei rosarot und wunderschön.
SPIEGEL ONLINE: Waren Sie darauf vorbereitet, dass es mal nicht so gut laufen kann?
Reich: Nein. Zumal man die Presselandschaft von Köln nicht mit der in Kaiserslautern vergleichen kann.
SPIEGEL ONLINE: Hat die Mediengewalt Sie erdrückt?
Reich: Natürlich, ich war erst 23 Jahre alt. Ich war überhaupt nicht vorbereitet.
SPIEGEL ONLINE: Was waren die Folgen?
Reich: Das war eine Situation, mit der ich vorher noch nie konfrontiert war, und das hat sich auf meine Leistung niedergeschlagen. Ich war überfordert. In Kaiserslautern gab es Spieler wie Mario Basler, Ciriaco Sforza, Miroslav Kadlec oder Olaf Marschall. Wenn ich da mal schlecht gespielt habe, war das nicht so schlimm. In Köln war ich nicht mehr einer von Vielen, immerhin hatte ich drei Millionen Euro gekostet.
SPIEGEL ONLINE: Warum hat es auch in der zweiten Liga bei Offenbach nicht funktioniert?
Reich: Da gab es viele Gründe. Es ist ja kein Geheimnis, dass Trainer Wolfgang Frank mit mir überhaupt nicht zurechtkam.
SPIEGEL ONLINE: Woran lag das?
Reich: Das weiß ich nicht, ich hatte ja kein Problem mit ihm, sondern er mit mir. Er wollte mich später auch nicht mittrainieren lassen. Im zweiten Halbjahr hat Frank mich dann die letzten drei Spiele mit einigen anderen Spielern nicht mehr in den Kader genommen. Dann bin ich freiwillig in die zweite Mannschaft gegangen und habe da in der Landesliga gespielt.
SPIEGEL ONLINE: Wie kam es zum Wechsel nach Polen?
Reich: Nach der Zeit in Offenbach habe ich ein halbes Jahr in England gespielt, weil ich wieder Spielpraxis sammeln wollte. Anschließend war ich drei Monate vereinslos und habe mich umgeschaut. Aber es kam nichts Vernünftiges. Dann hat mich Thomas Sobotzik, mit dem habe ich damals bei Lautern gespielt habe, gefragt, ob ich mir vorstellen könne, in Polen zu spielen. Dann kam die Anfrage von Jagiellonia Bialystok.
SPIEGEL: Hat es Sie nicht abgeschreckt, bei einem Verein zu spielen, der wegen einer Korruptionsaffäre mit zehn Minuspunkten in die Saison startet?
Reich: Nein. Ich habe mir ein paar Spiele angeschaut, die haben gut gespielt. Mir war aber schon klar, dass wir nicht Meister werden. Wir wollen den Abstieg verhindern, dafür haben wir die Klasse.
SPIEGEL ONLINE: Wie würden Sie das Niveau beschreiben?
Reich: Ich schätze die polnische Liga besser als die deutsche dritte Liga ein. Vereine wie Wisla Krakau und Lech Posen sind richtig gut, die brauchen sich auch vor den unteren Mannschaften in der Bundesliga nicht zu verstecken. Die anderen pendeln sich zwischen gutem Dritt- und Zweitliganiveau ein.
SPIEGEL ONLINE: Gab es keine Angebote aus Deutschland?
Reich: Doch, aber nichts aus der Bundesliga oder der zweiten Liga. Topvereine waren auch nicht dabei. Ich hatte vorher ja schon in der zweiten Liga gespielt, das hat überhaupt nicht funktioniert. Da habe ich mir gedacht: Ich mache lieber noch mal etwas ganz neues.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie den Traum, noch einmal Bundesliga zu spielen?
Reich: Da muss man realistisch sein, der Zug ist abgefahren.