Braunschweigs Geschäftsführer Voigt "Ein rotes Tuch für alle in der Fanszene"

Braunschweig-Geschäftsführer Voigt: "Mitten im Aufklärungsprozess"
Foto: imagoPlatz 18, Tabellenletzter, mit nur einem Punkt: Sportlich ist die Lage bei Bundesliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig prekär. Doch auch abseits des Feldes macht der Club negative Schlagzeilen. Innerhalb der Fanszene schwelt ein Konflikt, der beim Auswärtsspiel in Mönchengladbach in Gewalt ausartete, als die antifaschistischen "Ultras Braunschweig" (UB) von rechten Hooligans verprügelt wurden.
Der Club verhängte Sanktionen - und zwar gegen die verprügelten Ultras, die künftig nicht mehr "als Gruppe" ein Spiel des Vereins besuchen dürfen. Im Zuge dieser Debatte wurde dann auch noch öffentlich, dass Eintracht-Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt bei Facebook mit einem rechtsradikalen NPD-Funktionär befreundet ist. SPIEGEL ONLINE sprach mit ihm über die Vorfälle der vergangenen Tage.
SPIEGEL ONLINE: Herr Voigt, am Montag kam heraus, dass Sie bei Facebook mit einem NPD-Kader befreundet sind. Ihnen bleibt derzeit auch nichts erspart, oder?
Voigt: Auch das noch, dachte ich, als ich das las. Den Account mit ehemals 1500 "Freunden" habe ich nicht aktiv genutzt, sondern als Kontaktmöglichkeit für das Eintracht-Umfeld angesehen. Die Facebook-Verbindung zu dieser Person hat keinen Bezug zur Wirklichkeit. Ich kenne ihn nicht und habe ihn - nachdem ich auf seine politischen Hintergründe aufmerksam gemacht geworden bin - umgehend aus der Freundesliste gelöscht und meinen gesamten Account inaktiv geschaltet.
SPIEGEL ONLINE: Nach den Ereignissen von Mönchengladbach hat Eintracht Braunschweig beschlossen, dass die "Ultras Braunschweig" (UB) nicht mehr als Gruppe zu den Spielen dürfen. Klingt, als ob man das Opfer einsperrt, weil man die Täter nicht erwischt.
Voigt: Unsinn, wir sind mitten im Aufklärungsprozess. Die Braunschweiger Polizeidirektion und die Kollegen aus Mönchengladbach sichten das Bildmaterial. Dann werden wir es handhaben, wie nach der Aufstiegsfeier.
SPIEGEL ONLINE: Damals kam es in der Innenstadt zu Schlägereien.
Voigt: Auch da hat die Polizei erst das Material gesichtet, dann die Täter identifiziert, und wir haben 42 Personen Stadionverbot erteilt. So wird es auch jetzt kommen. Aber dafür müssen die Täter eben erst einmal identifiziert sein.
SPIEGEL ONLINE: Die Täter haben Sie noch nicht. Warum sperren Sie erstmal die aus, die die Prügel bezogen haben?
Voigt: Am Montag nach dem Spiel bekam einer unserer Mitarbeiter die Ansage von UB, dass sie sich 45 Südkurven-Karten für das Heimspiel gegen Stuttgart gekauft haben. Es geht nicht darum, wer gut oder böse ist, sondern darum, dass wir die Sicherheit gewährleisten müssen.
SPIEGEL ONLINE: Hätte man das nicht informell regeln können?
Voigt: Absprachen mit UB sind nicht einfach. Die Gruppe wusste, dass sie uns vorher informieren soll, wenn sie zu Auswärtsspielen fährt, und dann auf keinen Fall in den Stehplatzbereich soll. Dann stehen sie genau da und stellten uns vor vollendete Tatsachen. Und auch als Ordner sie baten, in den Sitzplatzblock zu gehen, haben sie sich erstmal - auch gegen das Hausrecht von Mönchengladbach - geweigert.
SPIEGEL ONLINE: Sie bestreiten nicht, dass die Ultras massiv angegangen worden sind und dass es zu antisemitischen Beschimpfungen kam?
Voigt: Auch Eintracht-Mitarbeiter waren schockiert über das Ausmaß an Hass, der UB entgegenschlug und der aus einer ursprünglich völlig unpolitisch motivierten Situation heraus resultiert. Wer dann die Gruppe anging und rechte Parolen rief, wird gerade ermittelt. Offenbar waren es Einzeltäter, die ihren Resonanzboden gefunden haben.
SPIEGEL ONLINE: Wie erklärt sich der Hass gegen die Gruppe? In den Eintracht-Fanforen gibt es Menschen, die behaupten, das einzige, was sie an UB nicht störe, sei deren Bekenntnis gegen rechts.
Voigt: Das ist Mehrheitsmeinung in der Fanszene. Deswegen ist in Braunschweig der Ärger so groß: In Hamburg oder Berlin tun die Leute so, als sei da eine brave antifaschistische Gruppe, die von einem Riesenmob an Nazis terrorisiert werde. Erstens ist dem faktisch nicht so und zweitens hat der ganze Konflikt eine lange Vorgeschichte.
SPIEGEL ONLINE: Welche Vorgeschichte?
Voigt: UB hatte früher selbst rechte Tendenzen, das geben sie ja auch selbst zu. Vor allem aber hatten sie anderen Fangruppen gegenüber einen Führungsanspruch, den sie auch mit Gewalt durchgesetzt haben. Seither ist der Gruppenname ein rotes Tuch für alle in der Fanszene.
SPIEGEL ONLINE: UB von 2013 dürfte personell nicht mehr viel mit der Gruppe zu tun haben, die vor einigen Jahren ein Stadionverbot bekam.
Voigt: Das stimmt. Einige wenige haben sich während der Zeit des Stadionverbots in eine andere Richtung, eine politische, entwickelt. Das alles haben sie aber nie publik gemacht, nie Brücken in Richtung aktive Fanszene gebaut. Wir reden übrigens von acht bis zwölf Leuten, wenn wir von UB sprechen.
SPIEGEL ONLINE: Zwölf Leute, die sich 45 Tickets fürs Heimspiel kaufen?
Voigt: Es wäre nicht das erste Mal, dass sie von Fans aus Bremen oder St. Pauli oder auch von Mitgliedern politischer Organisationen unterstützt werden. Mancher Eintracht-Fan wundert sich schon, wenn in der Nordkurve Leute sitzen, die sich gar nicht freuen, wenn Eintracht ein Tor schießt.
SPIEGEL ONLINE: UB bekam Unterstützung, nachdem aus ihrem Umfeld die "Kurvenlage" veröffentlicht wurde, eine Dokumentation rechter Umtriebe in der Eintracht-Fanszene.
Voigt: Vieles darin stimmte, aber die Erkenntnisse waren sehr vergangenheitsbezogen. Wie fast überall in Deutschland hatten auch wir in den Achtzigern und Neunzigern rechte Gruppen im Stadion. Da hat sich aber vieles zum Besseren gewendet. Vor Jahren gab es mal diese "Zigeuner"-Rufe. Fanprojekt und Fanbeauftragte der Eintracht haben damals unmittelbar Gespräche mit Sinti und Roma-Gruppen organisiert. Wenn heute einer damit anfängt, bekommt er Gegenwind aus der Kurve. Für das Thema sind wir seit langer Zeit sensibilisiert.
SPIEGEL ONLINE: Dennoch scheint die Empörung der Braunschweiger Fans über "Juden"-Rufe nicht so groß zu sein wie die über ein paar Ultras.
Voigt: Dies ist nicht der Fall. Natürlich empören sich die Fans über solche Äußerungen. Eintracht Braunschweig ist sich bewusst, dass es unter den Zuschauern einzelne Personen gibt, die sich gewaltbereit zeigen und mitunter verfassungswidrig handeln. Wir haben seit dem Gladbach-Spiel nichts anderes gemacht, als mit organisierten und unorganisierten Fangruppen der aktiven Fanszene zu sprechen. Es gab die klare Ansage: Ihr müsst euch nicht nur gegen Gewalt und rechte Tendenzen aussprechen, sondern auch zeigen, dass ihr bereit seid, die Leute, die das nicht einsehen, zu isolieren. Ihr sagt, ihr seid nicht rechts, dann zeigt das auch! Die Fanszene ist dazu bereit und hat dies auch durch zahlreiche Stellungnahmen publik gemacht.
