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Deutschland vs. Argentinien: Gala gegen die Gauchos

Foto: CHRISTOPHE SIMON/ AFP

Einzug ins Halbfinale Deutschland zerlegt Maradonas Elf

Unheimlich starker Auftritt der deutschen Nationalmannschaft: Das Team von Bundestrainer Joachim Löw deklassierte Argentinien im WM-Viertelfinale. Messi und Co. kassierten vier Treffer - und müssen nun nach Hause fahren.

Diego Maradona war völlig fertig, den Tränen nahe. Gestützt von einem Betreuer wankte die Fußball-Legende in die Umkleidekabine. Das 0:4 (0:1)-Debakel seiner Mannschaft gegen Deutschland hat dem 49-Jährigen schwer zugesetzt.

Joachim Löw

Argentinien hat Schwächen, Argentinien ist verwundbar - das hatte vor dem Viertelfinale gesagt. Dass seine Spieler die Schwächen der "Gauchos" so deutlich aufdecken würden - das hätte der Bundestrainer wohl nicht einmal zu träumen gewagt. Die DFB-Elf siegte 4:0 (1:0), die Tore erzielten Thomas Müller (3. Minute), Miroslav Klose (68./89.) und Arne Friedrich (74.). "Das ist unglaublich. Ich habe nicht mit einem solch hohen Sieg gerechnet", sagte Kapitän Philipp Lahm unmittelbar nach dem Spiel. "Das ist Wahnsinn", schwärmte Müller.

Mit dem schnellsten Tor dieser WM hatte er Deutschland in Führung gebracht: Nicolas Otamendi hatte Lukas Podolski an der linken Außenbahn gefoult. Den folgenden Freistoß flankte Bastian Schweinsteiger scharf vor das Tor, wo Müller den Ball mit dem Kopf streifte und so Keeper Sergio Romero überwand.

Damit war Argentiniens Konzept über den Haufen geworfen. Maradona stand mit verschränkten Armen an der Seitenlinie, er blickte skeptisch, die ganze Körperhaltung verriet große Anspannung - und die war berechtigt. Denn seine Mannschaft war klar unterlegen.

Wo war eigentlich Messi?

Deutschland dominierte die Partie, spielte ballsicher und kombinierte flüssig, immer wieder konnten die wendigen Müller und Podolski nur durch Fouls gestoppt werden. Vor allem Rechtsverteidiger Otamendi hatte weiter Probleme. In der elften Minute sah er wegen eines Fouls an Arne Friedrich die Gelbe Karte.

Und wo war eigentlich Lionel Messi?

Der vermutlich beste Fußballer der Welt konnte sich nur selten in Szene setzen. Schweinsteiger und Khedira engten die Kreise des Superstars vom FC Barcelona wirkungsvoll ein. Kaum einen Ball konnte Messi in Ruhe annehmen, manchmal ging er in die eigene Hälfte zurück, um Anlauf zu nehmen. Doch Maradonas gefürchtete Offensive fand gegen die deutsche Abwehr kein Mittel - auch Carlos Tévez und Gonzalo Higuaín blieben zunächst ungefährlich.

Dass sich diese Topstürmer jedoch nie völlig ausschalten lassen, wurde in der 22. Minute deutlich: Nach klugem Pass von Messi konnte DFB-Torwart Manuel Neuer den Ball gerade noch vor dem heranstürmenden Tévez abfangen.

Da Argentiniens Offensivstars in der Verteidigung jedoch meist nur zuschauten, blieb der abgeklärten deutschen Mannschaft oft viel Raum zum Kontern. Die beste Chance vergab Klose: Nach einem Querpass von Müller schoss der Bayern-Stürmer aus elf Metern unbedrängt über das Tor (24.).

An der Außenlinie brüllte Löw: "Maaaaaan, Miro!"

In der Folge wurden die Argentinier etwas gefährlicher: Messi drosch einen Freistoß über das Tor (31.), Higuaín scheiterte an Neuer (35.). Vier Minuten später musste Deutschland einen ersten Rückschlag hinnehmen: Müller sah wegen Handspiels vor dem eigenen Strafraum seine zweite Gelbe Karte im Turnier - und ist damit für das Halbfinale am Mittwoch gegen Spanien (20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) gesperrt.

Nach dem folgenden Freistoß bekamen die DFB-Verteidiger den Ball nicht aus der Gefahrenzone, plötzlich tauchte Otamendi frei vor Neuer auf, stand dabei aber deutlich im Abseits - der Treffer zählte nicht.

Wenn Schweinsteiger ausgespielt war, half Khedira

Nach dem Seitenwechsel geriet die deutsche Mannschaft noch stärker in Bedrängnis: Zu schnell verloren Löws Spieler in dieser Phase den Ball, immer wieder konnten die Argentinier nachsetzen. Doch der Weg zum Tor blieb Messi und Co. verbaut. Mit vereinten Kräften jagten die Deutschen ihm immer wieder den Ball ab. Wenn Schweinsteiger ausgespielt war, halfen Khedira oder Boateng, manchmal sogar Müller.

In der 63. Minute versuchte es Tévez mit einem Schuss aus der Distanz, Neuer parierte sicher. Auch bei einem Versuch von Higuaín aus spitzem Winkel war der Schalker Schlussmann auf dem Posten.

Als der Druck immer größer wurde, schlug das deutsche Team zurück: Müller passte kurz vor dem Strafraum im Liegen auf Podolski, der spielte vorbei an Torwart Romero quer auf Klose - und der 32-Jährige drückte den Ball aus kurzer Distanz über die Linie. Es war sein dritter Treffer im Turnier.

Jetzt schaute Maradona nicht mehr skeptisch. Er schaute besorgt. Fast verzweifelt. Seine Spieler versuchten alles, um den Anschluss zu schaffen. Doch echte Chancen bekamen sie nicht. Ganz im Gegenteil: Es sollte noch schlimmer kommen für die "Albiceleste".

Die Deutschen waren einfach besser

Die DFB-Elf spielte sich wieder in einen Rausch, wie schon gegen Australien (4:0) und England (4:1) gelang nun fast alles. Schweinsteiger dribbelte völlig unbedrängt durch den gegnerischen Strafraum und legte genau im richtigen Moment zurück auf Friedrich - der Innenverteidiger behielt die Nerven und erzielte das erste Länderspieltor seiner Karriere.

Schon zuvor hatte Löw den Hamburger Marcell Jansen für Boateng eingewechselt, nach dem dritten Tor durften auch Leverkusens Toni Kroos (77. Minute für Khedira) und Hamburgs Piotr Trochowski (84. Minute für Müller) noch beim Schaulaufen der jungen und doch so abgeklärten DFB-Mannschaft mitmachen.

Als Maradona schon den Schlusspfiff herbeisehnte, den Tränen nahe, erhöhte Klose auf 4:0. Nach Flanke von Mesut Özil schoss er den Ball per Volley aus kurzer Distanz ins Netz. 14 WM-Tore hat er nun auf dem Konto - so viele wie Gerd Müller. Nur Brasiliens Ronaldo hat noch ein Tor mehr erzielt. Es war ein historischer Schlusspunkt unter eine berauschende Partie.

"Was wir heute in der zweiten Halbzeit gespielt haben - das war klasse. Die Mannschaft hat den Willen von Champions gezeigt", sagte Löw. Tumulte nach dem Schlusspfiff blieben aus - ganz im Gegensatz zum Aufeinandertreffen vor vier Jahren. Diesmal waren die Argentinier faire Verlierer. Sie wussten: Die Deutschen waren einfach besser. Das hatte am Ende auch Maradona eingesehen.

Argentinien - Deutschland 0:4 (0:1)
0:1 Müller (3.)
0:2 Klose (68.)
0:3 Friedrich (74.)
0:4 Klose (89.)
Argentinien: Romero - Otamendi (70. Pastore), Demichelis, Burdisso, Heinze - Maxi Rodriguez, Mascherano, Di Maria (75. Agüero) - Messi, Tévez, Higuaín
Deutschland: Neuer - Lahm, Mertesacker, Friedrich, Boateng (72. Jansen) - Khedira (77. Kroos), Schweinsteiger - Müller (84. Trochowski), Özil, Podolski - Klose
Schiedsrichter: Irmatow (Usbekistan)
Zuschauer: 64.100 (in Kapstadt)
Gelbe Karten: Otamendi, Mascherano - Müller

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