
DFB-Aus im Halbfinale: Italiens Super-Mario
Italien-Angreifer Balotelli Ball rein, Brust raus
Hamburg - Er stand da wie ein Gladiator. Gerade hatte Mario Balotelli sein zweites Tor gegen Deutschland erzielt, ein Hammer in den Winkel vom Strafraumrand. Direkt danach riss er sich sein Trikot vom Leib, präsentierte seinen muskelbepackten Körper und schaute grimmig und voller Genugtuung zu seinen Mannschaftskameraden. Ein Traum für Freunde der Bildsprache. Und ein Alptraum für Spieler und Fans der deutschen Nationalmannschaft.
Der italienische Angreifer hat mit seinen beiden Toren in der 20. und 36. Minute für das Aus der deutschen Nationalmannschaft gesorgt. 1:2 (0:2) hieß es am Ende, das DFB-Team muss nun die Heimreise antreten. Auf Italien wartet das EM-Finale gegen Spanien am Sonntag (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE).
Balotelli war der Mann des Spiels - und von den DFB-Verteidigern nicht zu stoppen. Beim ersten Tor, einem Kopfball nach Flanke von Antonio Cassano, hatte Holger Badstuber den Stürmer ziehen lassen. Den zweiten Treffer begünstigte dann Lahm, der sich verschätzte und Balotelli so den unbedrängten Weg Richtung Tor ermöglichte.
"Der schönste Abend meines Lebens"
"Das ist sehr, sehr bitter. Wenn man gegen Italien solche Fehler macht und in Rückstand gerät, dann wird es sehr schwierig", sagte Lahm nach dem Spiel. Und Schweinsteiger ergänzte: "Die Gegentore hätten nicht passieren dürfen, weil wir wussten, dass gerade Balotelli ein Spieler ist, der ständig lauert."
Balotelli hatte sich meist in der Schnittstelle zwischen Mats Hummels und Badstuber bewegt und die Innenverteidiger so einige Male in Bedrängnis gebracht. Selbst wenn er nicht an den Ball kam, konnte er sie doch oft zu hektischen Aktionen verleiten.
"Das war der schönste Abend meines Lebens", sagte der umjubelte Balotelli nach dem Spiel. Auch sein Trainer Cesare Prandelli war begeistert von seinem Angreifer: "Er ist ein einzigartiger, untypischer Spieler. Er ist physisch sehr stark und immer anspielbar."
Dabei hatte Balotelli in diesem Turnier sein Talent bisher nur angedeutet. Unvergessen: Gegen Spanien hatte er an der Seitenlinie einen Zweikampf gegen Sergio Ramos gewonnen, der Weg zum Tor war frei. Doch statt den Turbo- warf Balotelli den Schleichgang an, die Augen stur auf Keeper Iker Casillas gerichtet. Ramos konnte klären - und Prandelli wechselte seinen Stürmer zwei Minuten später aus.
Zerlegte Sportwagen, Feuer im Badezimmer
Durch solch kuriosen Szenen sorgt Balotelli immer wieder für Aufsehen und erkämpfte sich den Ruf eines Skandalprofis. Legendär das YouTube-Video, in dem zu sehen ist, wie Balotelli minutenlang vergeblich versucht, ein Leibchen anzuziehen. Oder die für seinen Club Manchester City vergebene Torchance, als er den Ball mit der Hacke ins Tor bringen wollte. Auch damals quittierte Clubtrainer Roberto Mancini die Aktion mit der Auswechslung.
Noch ein paar Balotelli-Geschichten gefällig? Er zerlegte Sportwagen, warf Dartpfeile auf Jugendspieler, verpasste seinem Gegenspieler im Ligaspiel gegen Tottenham einen Stollenabdruck im Gesicht, prügelte sich mit einem Mitspieler um einen Freistoß, fackelte sein eigenes Badezimmer ab und drohte Rassisten, sie zu töten, falls sie ihn während der EM beleidigen sollten.
Es ist fast tragikomisch, dass ausgerechnet ein solch anarchischer Spieler, der in der durch und durch auf professionelles Verhalten getrimmten deutschen Mannschaft niemals spielen würde, die Träume der DFB-Elf zerstörte. Trainer Prandelli sagt: "Er hat heute geholfen, unsere Strategie umzusetzen. Er hat das gemacht, was ich ihm gesagt habe."
Balotellis Abgang von der großen Halbfinalbühne in der 70. Minute war einem Krampf geschuldet. Der Angreifer hatte sich durch seine aggressive Spielweise verausgabt: "Ich habe heute ein bisschen gelitten." Prandelli reagierte sofort und wechselte seinen Doppeltorschützen aus. "Er musste schwer kämpfen, und ich wollte mit Blick auf das Finale kein Risiko eingehen", sagte der Coach. Nach dem Schlusspfiff sprangen die Spieler der italienischen Nationalmannschaft jubelnd über den Rasen, Balotelli jedoch lehnte scheinbar ohne jede Emotion an der Banküberdachung.
Nun wartet das Finale auf den Angreifer und die italienische Nationalmannschaft. Gegen Spanien kann die "Squadra Azzurra" ihren ersten EM-Titel seit 1968 gewinnen. Und Balotelli ist sich sicher: "Die zwei Tore gegen Deutschland waren für meine Mutter. Zum Finale wird auch mein Vater da sein - da mache ich vier."
Deutschland - Italien 1:2 (0:2)
0:1 Balotelli (20.)
0:2 Balotelli (36.)
1:2 Özil (90.+2/Handelfmeter)
Deutschland: Neuer - J. Boateng (71. T. Müller), M. Hummels, Badstuber, Lahm - B. Schweinsteiger, S. Khedira - T. Kroos, Özil, Podolski (46. Reus) - Gomez (46. Klose Italien: Buffon - Balzaretti, Barzagli, Bonucci, Chiellini - Pirlo - Marchisio, Montolivo (64. T. Motta), De Rossi - Balotelli (70. Di Natale), Cassano (58. Diamanti) Schiedsrichter: Lannoy (Frankreich)
Zuschauer: 55.540
Gelbe Karten: M. Hummels - Bonucci, De Rossi, Balotelli, T. Motta