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DFB-Spieler Özil: Mehr Mut im Nationaldress

Foto: DAMIEN MEYER/ AFP

DFB-Spieler Mesut Özil Der nervöse Hellseher

Mesut Özil ist einer der besten Fußballer der Welt - und hoch sind die Erwartungen bei der EM. Doch die Partie gegen Portugal war eines der schwächsten Länderspiele des Stars von Real Madrid. Legt Özil gegen die Niederlande seine Nervosität ab?

Erschöpft, beinahe mitgenommen sah Mesut Özil aus, als er im EM-Spiel gegen Portugal nach 87 Minuten vom Platz trabte. Hochrot war sein Kopf, als er mit Ersatzmann Toni Kroos halbherzig abklatschte. Deutschland hatte einen wichtigen Arbeitssieg gefeiert - doch Özils Spiel war das nicht. Geglänzt hatten die, deren Aufstellung zuvor heftig diskutiert worden war: die Abwehrspieler Mats Hummels und Jérôme Boateng, Torschütze Mario Gomez.

Dabei gilt der Star von Real Madrid als ideenreicher Spielmacher. Auch in der Nationalmannschaft soll er im Mittelfeld als kreative Schaltzentrale wirken - erst recht, da Bastian Schweinsteiger nach diversen Verletzungen noch nicht auf seinem Höchstniveau spielt. Gegen die Portugiesen ließ Özil aber genau diesen Ideenreichtum vermissen. Nur selten blitzte sein Genie auf, wie etwa in der 31. Minute, als er Lukas Podolski mit einem für ihn so typischen Traumpass bediente: In den Laufweg des Angreifers, direkt auf seinen Fuß.

Özil war ungewohnt unauffällig, wirkte mitunter orientierungslos und deplatziert. Das Spiel gegen Portugal war eines der schwächeren Länderspiele des Madrilenen - verwunderlich, dass er von der Uefa ausgerechnet dafür als "Man of the Match" ausgezeichnet wurde. "Mesut Özil ist ein eleganter Fußballer, technisch beinahe perfekt. Immer wieder spielt er die richtigen Pässe auf seine Teamkollegen. Deshalb haben wir ihn gewählt", sagte die Jury nach der Partie.

Spanische Medien bezeichnen Özil als "hellseherisch"

Zumindest mit Blick auf Özils Spiel für Real Madrid hat sie mit dieser Beurteilung recht. Dort hat der 23-Jährige sich enorm weiterentwickelt, ist mit seinem Nationalmannschaftskollegen Sami Khedira zu einer festen Größe im Team von José Mourinho gewachsen; die spanische Presse bezeichnet Özil gar als "hellseherisch". Mit seinem intelligenten Fußball setzt er Mitspieler Cristiano Ronaldo gekonnt in Szene: "Wenn Cristiano in die Lücke läuft und ich ihm den Ball dorthin spiele, ist es ein Tor", sagt Özil. Auch dank dieses eingespielten Gespanns wurde Real Madrid spanischer Meister.

Özil, der sich grundsätzlich mit Kritik zurückhält, versuchte nach dem EM-Auftakt beinahe verzweifelt, die Leistung der deutschen Mannschaft schönzureden. Mehrfach betonte er, wie gut die DFB-Elf gespielt habe - womit er, die vermeintliche Inspirationsquelle, im Team aber ziemlich alleine stand. Gleichzeitig betonte Özil, dass er "sehr nervös vor diesem ersten Spiel gewesen" sei und er viel besser spielen könne als heute. Man sieht es nicht oft, dass Özil unter derartigen Druck gerät.

Schon länger wird ihm vorgeworfen, in der Nationalmannschaft gerne unterzutauchen, sein Potential nicht vollständig abzurufen. Özil verlasse sich im Mittelfeld zu sehr auf Taktangeber Bastian Schweinsteiger und übernehme nur wenig Verantwortung. Dabei könnte er seine Madrider Rolle eigentlich auf die DFB-Elf übertragen: "Real und die Nationalmannschaft spielen das gleiche System. Ich muss mich nicht umstellen", hatte er vor dem Turnier gesagt.

Özil muss sich selbst mehr in Szene setzen

Umstellen muss er sich lediglich auf den Stürmer. Zu Özils Spielweise würde Angreifer Miroslav Klose wesentlich besser passen als Mario Gomez. Klose hat ein ausgeprägteres Verständnis für die intuitiven Spielzüge Özils, tickt und denkt völlig anders als Gomez. Der 34-Jährige lässt sich in Spielgeschehen und -aufbau einbinden, führt Spielzüge fort, nicht nur aus - im Gegensatz zu Gomez. Der wartet meist im Strafraum darauf, Özils Zuspiele verwerten zu können. Dieses statische Stürmerspiel kennt Özil von Ronaldo in Madrid nicht.

Wen Bundestrainer Joachim Löw im Spiel gegen die Niederlande am Mittwoch (20.45, Liveticker SPIEGEL ONLINE) in die Spitze stellt, ist noch offen. Klar ist: Mesut Özil ist gesetzt. Vielleicht hilft es ihm, dass in den Reihen der Elftal kein einziger Spieler von Real Madrid steht. Vielleicht hilft es ihm, dass er im vergangenen Duell mit den Niederländern im November eines der Tore zum 3:0-Sieg selbst beisteuerte.

Wie bei dieser furiosen Machtdemonstration der Deutschen gegen "Oranje" muss Mesut Özil in der Nationalmannschaft weniger versuchen, andere in Szene zu setzen. Die Spielweise der Niederländer könnte ihm in die Karten spielen: Anders als die Portugiesen mit ihrer engen Zehn-Mann-Verteidigung richtet Bert van Marwijk sein Team stärker auf die gegnerische Hälfte aus. Die niederländischen Außenverteidiger Willems und van der Wiel stehen wesentlich höher - erst recht nach der Niederlage gegen Dänemark. Das öffnet dem deutschen Angriffsspiel neue Räume. Özil könnte das Spiel in die Spitze so freier gestalten - wenn er sich denn traut.

Mut machen sollte ihm das Bekenntnis des ehemaligen niederländischen Torwarts Hans van Breukelen: "Was würde ich dafür geben, damit Mesut Özil für uns spielt."

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