Belgiens Sieg gegen Irland Der Gegenangriff

Belgiens Trainer Marc Wilmots (r.) und sein Stürmer Romelu Lukaku
Foto: Dean Mouhtaropoulos/ Getty ImagesAuch beim belgischen Nationalteam ist es längst nicht Alltag, dass sich so hoher Besuch einfach mal Zutritt zur Kabine verschafft. Daher teilte das belgische Königshaus am Samstag selbst mit, dass König Philippe im Stadion von Bordeaux seinen Beitrag nicht darauf beschränkt hatte, beim 3:0 gegen Irland nur Beifall zu klatschen. Der Monarch sei vielmehr persönlich in die Kabine gegangen, um zu gratulieren. "Belgien ist stolz. Glückwunsch - Bravo", twitterte der Königliche Palast. Und wie es sich gehört, um die Einheit der Flamen und Wallonen zu beschwören, hatte die Hoheit artig einen Fanschal um den Hals gewickelt.
Es gab auch noch andere Bilder, die Einigkeit demonstrieren sollten: etwa die Jubelpose von Eden Hazard, Kevin de Bruyne und Doppeltorschütze Romelu Lukaku nach dem Tor zum 3:0. Die England-Legionäre, angestellt bei Chelsea, Manchester City und Everton, in trauter Feierstimmung. Wenig später marschierte die gesamte Mannschaft, Ersatzspieler inklusive, zur Fankurve, um zu feiern.

EM-Analyse: Warum Belgien ein einziger Fehler reichte
Alles wieder gut bei den Red Devils? Wohl kaum. Nach dem ersten EM-Erfolg wollte Nationaltrainer Marc Wilmots nichts von Versöhnung wissen. Dafür hatten ihm seine Kritiker vor allem auf flämischer Seite zu sehr zugesetzt. Immer wieder waren seine vermeintlichen taktischen Defizite thematisiert worden. Sogar Keeper Thibaut Courtois hatte zwischen den Zeilen angedeutet, dass sein Trainer das Strategenduell gegen Italiens Antonio Conte verloren habe.
"Ich will mich mit positiven Menschen umgeben"
Auf der Pressekonferenz genügte die Frage eines deutschen Journalisten, um das Schalker "Kampfschwein" in den Angriffsmodus zu versetzen. "Ich kann mit Kritik leben, aber manchmal wird nur kritisiert, um zu manipulieren. Ich möchte gesund bleiben. Ich bin 47 Jahre alt und will meine Kinder auf den richtigen Weg bringen." Und weiter: "Leute, die negativ sind, interessieren mich nicht. Leute, die kritisieren, werden nie ein glückliches Leben haben. Ich will mich mit positiven Menschen umgeben."
Der offenbar in seiner Ehre getroffene ehemalige Bundesligaprofi sah seinen Beitrag zur Einheit einer zerrissenen Nation nicht ausreichend gewürdigt: "Ich hoffe, das Land ist jetzt wieder stolz auf eine Mannschaft, die in den vergangenen vier Jahren immer alles gegeben hat", fügte Wilmots noch an.

Belgien vs. Irland: Der Favorit meldet sich zurück
Ob diese Verbalattacke wirklich klug war? Eigentlich hätte sich die Ausgangslage erst einmal verbessert. Die Belgier müssten am Mittwoch in Nizza gegen das schwedische Team verlieren, um nicht den zweiten Platz in der Gruppe zu erreichen. "Wir haben noch dieses Finale gegen Schweden", warnte Wilmots, wohl wissend, dass sich jetzt kaum einer mehr ein Scheitern vorstellen kann. Dafür ist die individuelle Qualität seines Kaders zu hoch. "In dieser Hinsicht sind die Belgier eines der besten Teams des Turniers", lobte auch der irische Nationalcoach Martin O'Neill.
Bluff ohne De Bruyne und Lukaku
Vor allem die Art und Weise, wie der Favorit seine Treffer herausspielte, belegte diese These. Rechtzeitig rafften sich die Belgier zu einer Leistung auf, die dem eigenen Anspruch genügte. "Wir sind aufgewacht, jetzt liegt es an uns, diese Form zu halten. Wir haben versucht, positiv zu bleiben", berichtete hinterher Lukaku, dessen Vater Roger sich in die Wilmots-Debatten mit diesem Beitrag eingeschaltet hatte: "Romelu ist ein Typ, der von seinem Trainer respektiert werden muss."
Und was tat der belgische Fußballlehrer? Veranstaltete zur Abwechslung mal eine Trainingseinheit, in der neben De Bruyne eben auch Lukaku nicht in der Startelf auftauchte. "Da habe ich geblufft", räumte Wilmots triumphierend ein, "bei uns hat jeder Bescheid gewusst - und alle waren für dieses Spiel bereit."

Romelu Lukaku und seine Teamkollegen bejubeln das 3:0
Foto: Andrew Medichini/ APSo war auch aufgeklärt, warum Lukaku nach seinem 1:0 (48. Minute) - zu dem der verbesserte De Bruyne mit einem Flügellauf die Vorarbeit geleistet hatte - direkt zu seinem Trainer rannte. Wilmots erteilte für die Umarmung später ein Lob: "Wir wollten Romelu wieder Selbstvertrauen geben. Er ist weite Wege gegangen und hat hart gearbeitet." Nach formidabler Vorarbeit von Kapitän Hazard glückte dem 23-Jährigen später auch noch das 3:0 (70.).
Noch besser als der Mittelstürmer spielte nur Axel Witsel, der nicht nur wegen seines Kopfballtors zum 2:0 (61.) zu Recht zum "Spieler des Spiels" gekürt wurde. Der im zentralen Mittelfeld sehr umsichtig agierende Witsel steuerte danach das vielleicht treffendste Statement bei: "Kritik ist ein Teil des Fußballs. Aber manchmal ändern sich die Dinge im Fußball auch sehr schnell."