Baumgartner schießt Österreich weiter Mit Brummschädel ins Achtelfinale

Christoph Baumgartner wird nach seinem Siegtor von den Teamkollegen geherzt
Foto:Mihai Barbu / dpa
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Das Duell des Spiels: Es lief die 18. Spielminute, da gerieten das ukrainische Abwehrtalent Illia Zabarnyi und Österreichs Mittelfeld-Youngster Christoph Baumgartner erstmals aneinander: Nach einem Eckball der Ukraine war das Duo mit den Köpfen zusammengestoßen, besonders Baumgartner musste länger behandelt werden. Kaum war das Spiel wieder angepfiffen und der Ball auf der anderen Seite des Feldes, kam es zum nächsten Duell. Diesmal hatte Österreich die Ecke, David Alabas Hereingabe stocherte Baumgartner am desorientierten Zabarnyi vorbei ins Netz (21. Minute). Doch der schmerzhafte Zusammenprall wirkte beim Österreicher nach: Zehn Minuten später wurde Baumgartner angeschlagen ausgewechselt, schon zuvor hatte er sich benommen auf den Rasen gesetzt. Es mochte sich sportlich ausgezahlt haben, doch der Umgang mit Kopfverletzungen im Fußball wirkt weiter fahrlässig.
Das Ergebnis: Es blieb beim 1:0 (1:0) – damit darf sich Österreich als Zweiter der Gruppe C auf die ersten K.-o.-Spiele bei einem großen Turnier seit 1954 vorfreuen. Lesen Sie hier den Spielbericht.
Keine Schande: Ausgerechnet Zabarnyi hatte schon im Vorfeld der Partie eine ruppige Gangart angekündigt: Die ukrainische Mannschaft wolle den Sieg »mit ihrem Blut erringen«, versprach der 18-Jährige. Dabei hätte der Ukraine ein Remis zum Weiterkommen gereicht, auch Österreich hätte mit einem Punkt hervorragende Chancen gehabt, das Achtelfinale als einer der vier besten Gruppendritten zu erreichen. Zu einer neuen »Schande von Gijón« – als solche ging das WM-Spiel zwischen Westdeutschland und Österreich 1982 in die Geschichte ein, als ein Nichtangriffspakt beim Stand von 1:0 das beidseitige Weiterkommen besiegelte – kam es in Bukarest jedoch nicht.
Die erste Hälfte: Stattdessen zeigten die Österreicher ihre bislang beste Turnierleistung. Alaba rückte erstmals auf seine favorisierte Linksverteidigerposition, hatte in der Offensive aber trotzdem genug Einfluss: Mit acht getretenen Eckbällen sorgte der Kapitän immer wieder für Gefahr, bereitete so schließlich auch die Führung vor. Und die Ukraine? War im Mittelfeld schnell den Ball los und jenseits eines leicht zu entschärfenden Schusses von Mykola Shaparenko (29.) nach vorn unsichtbar. 13:1 Schüsse gab die ÖFB-Elf bis zur Pause ab.
4 – David Alaba created four chances in the first half versus Ukraine – only Martin Harnik against Croatia at EURO 2008 (5) has created more chances for Austria in a whole game at the European Championships. Visionary. #EURO2020 pic.twitter.com/qYrOdRMQRU
— OptaJoe (@OptaJoe) June 21, 2021
Auf dem Treppchen: Für Österreichs Innenverteidiger Aleksandar Dragović war die Partie eine besondere. Nicht nur, weil Dragović drei Jahre lang in der Ukraine kickte und von 2013 bis 2016 mit dem ukrainischen Kapitän Andriy Yarmolenko bei Dynamo Kiew zusammenspielte. Mit seinem 93. Länderspieleinsatz zog der 30-Jährige auch im Ranking der österreichischen Rekordnationalspieler mit Gerhard Hanappi gleich, lediglich Toni Polster (95) und Andi Herzog (103) können noch mehr Partien im ÖFB-Dress vorweisen.
Plötzlich ganz zahm: Matchwinner Baumgartner selbst hatte vor der Partie noch einen anderen Schlüsselspieler vermutet: Marko Arnautović sei ein »Ausnahmespieler«, ein »absolutes Mentalitätsviech«, generell prasselte das Lob auf den Stürmer aus ganz Österreich nur so ein. Im ersten Gruppenspiel gegen Nordmazedonien hatte Arnautović erst als Joker getroffen, um dann Gegenspieler Ezgjen Aliovski zu beleidigen und gegen die Niederlande aufgrund einer nachträglichen Sperre zu fehlen. Bei seinem Comeback und Startelf-Turnierdebüt rieb Arnautović sich auf, hatte die Emotionen im Griff, vergab aber auch eine Riesen- und eine Großchance zur Vorentscheidung (42., 45.+2).
Die zweite Hälfte: Der profilierteste ukrainische Offensivspieler, Mittelfeldantreiber Ruslan Malinovskyi, wurde zur Pause von Nationaltrainer Andrej Schewtschenko ausgewechselt. Und so trat die Ukraine dann auch auf: Österreich konnte das Ergebnis nach Belieben verwalten. Für Torgefahr sorgte lediglich ein Klärungsversuch Stefan Lainers, der den Ball nach einem Freistoß per Kopf auf den eigenen Kasten lenkte (62.), und ein Schuss von Roman Yaremchuk, der aus spitzem Winkel am langen Pfosten vorbeistrich (87.).
Alpine Nagelprobe: Im Achtelfinale trifft Österreich nun auf den südlichen Nachbarn: Am Samstag (21 Uhr, Liveticker SPIEGEL.de; TV: ARD oder ZDF, Stream: Magenta) kommt es im Londoner Wembley-Stadion zum Duell mit Italien, das sich mit drei Siegen ohne Gegentor Platz eins in Gruppe A sichern konnte. Ob auch die Ukraine in die Runde der letzten 16 einzieht, entscheidet sich erst nach der Gruppenphase: Dann steht fest, ob es für einen Platz unter den vier besten Gruppendritten gereicht hat.