BVB in der Europa League Ohne Zweifel
Zum fünften Tor sprintete sogar Roman Weidenfeller über den ganzen Platz, auch der Torhüter wollte seine Glückwünsche überbringen, an den großen Zweifler und Grübler, den sie aber alle irgendwie gern haben bei Borussia Dortmund.
Henrich Mchitarjan war gerade ein echter Hattrick gelungen, der Mittelfeldspieler hatte zwischen der 73. und der 86. Minute das 3:0, das 4:0 und das 5:0 für den BVB gegen den Wolfsberger AC erzielt, das Stadion feierte das Erreichen der Europa-League-Playoffs. Und Mchitarjan lächelte endlich.
Seine Bewegungen, sein Tempo, sein Umgang mit dem Ball haben oft eine Leichtigkeit. Wenn dann aber die durchschlagende Aktion kommen soll, verschwindet all das. Und es folgt ein Schuss, ein Pass oder eine Ballannahme aus der grauen Welt der Fehlerhaftigkeit.
Doch gegen die Österreicher erzielte Mchitarjan drei Tore, überdies hatte er eine schöne Vorlage zu Marco Reus' 1:0 geliefert (48. Minute), es war einer der besten Abende des Armeniers. "Wir alle haben große Hoffnungen, dass er das, was er spielen kann, noch häufiger abruft", sagte Mats Hummels.

Selten sind die Selbstzweifel eines Fußballprofis für die Zuschauer so spürbar wie bei Mchitarjan. Er bringe sein wunderbares Talent einfach nicht zur Entfaltung, lautete der Vorwurf, aber vielleicht tut der neue Trainer Mchitarjan besonders gut. Thomas Tuchel geriet regelrecht ins Schwärmen über den Mann, von dem es am Ende der Vorsaison noch hieß, er sei in Dortmund gescheitert. "Es ist eine große Freude, mit ihm zu arbeiten", sagte Tuchel und lobte die "Offenheit, die Höflichkeit, seinen Respekt gegenüber allen Mitarbeitern hier, und seinen Respekt gegenüber seinem großen Talent."
Und dann sagte er noch einen dieser Sätze, die so in den sieben Jahren unter dem alten Trainer in Dortmund nicht zu hören waren. Mchitarjan sei "wie kreative Menschen oft, sehr zurückhaltend und sehr sensibel", darauf müsse man eingehen. Die Verantwortlichen und die Spieler vergleichen Tuchels Vorgehen ja nur ungern mit dem von Jürgen Klopp, aber natürlich ist diese Gegenüberstellung sehr interessant, wenn man Fortschritte und vielleicht auch noch ungelöste alte Probleme erkennen will.
Während Klopp immer die Stärken des Fußballers Mchitarjan in den Vordergrund stellte, spricht Tuchel ohne Unbehagen von dessen menschlichen Eigenschaften. Dieser Umgang zeigt sich an vielen Stellen. Klopp erzeugte in seinen guten Zeiten eine enorme Wucht, wilde Emotionen. Tuchel legt mehr Wert auf Details, er hört anders zu. Vielleicht liegt diese Art Mchitarjan besser als der rauere Ton Klopps. "Mein erstes Jahr hier war nicht so schlecht, das zweite Jahr war weniger gut, nun hoffe ich, dass das dritte mein bestes wird", sagte der 26-Jährige selbst.

Aber berauschen lassen wollte sich trotz der Mchitarjan-Tore niemand von diesem am Ende sehr klaren Sieg, der auch seine Schattenseiten hatte. "In der ersten Halbzeit war das kein gutes Spiel von uns, die Laufwege waren nicht gut", sagte Reus und Tuchel ergänzte: "Da waren die Platzabstände zu lang, unsere Positionen waren nicht sauber genug besetzt, deshalb haben wir uns schwer getan."
In dieser ersten Hälfte erinnerte das BVB-Spiel tatsächlich an die Vorsaison. Es fehlte das Tempo, die Mannschaft hatte große Mühe, Lücken in den Verbund des tief stehenden Gegners zu reißen und die Chancen, die das Team heraus spielte, wurden nicht mit der nötigen Konsequenz genutzt. Vor allem Pierre-Emerick Aubameyang (24.) und Reus (38.) hätten die Dortmunder schon früher in Führung bringen können, und auch Mchitarjan spielte da keinesfalls durchweg überzeugend.
"Er hat sich dann aber zu dieser Leistung aufgerafft, nachdem ihm in der ersten Halbzeit nicht so viel gelungen ist", sagte Tuchel, der noch einmal darauf hinwies, dass Mchitarjan in den drei jüngsten Spielen gegen Juventus Turin, in Wolfsberg und nun im Rückspiel gegen die Österreicher jeweils das 1:0 vorbereitete.
Der alte Vorwurf, dieser hochbegabte Fußballer sei nur dann effizient, wenn die Mannschaft ohnehin schon vom ganz großen Druck befreit ist, trifft unter Tuchel bisher nicht zu.
Borussia Dortmund - Wolfsberger AC 5:0 (0:0)
1:0 Reus (48.)
2:0 Aubameyang (64.)
3:0 Mchitarjan (73.)
4:0 Mchitarjan (84.)
5:0 Mchitarjan (86.)
Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Gündogan (77. Sven Bender), Weigl - Mchitarjan, Kagawa (65. Castro), Reus (77. Hofmann) - Aubameyang
Wolfsberg: Kofler - Berger, Hüttenbrenner, Solbauer, Palla - Standfest (86. Tschernegg) - Jacobo, Putsche (67. Trdina), Weber, Wernitznig (74. Zulj) - Silvio
Schiedsrichter: Marius Avram (Rumänien)
Zuschauer: 65.190
Gelbe Karten: Reus - Jacobo