Fotostrecke

"Green Brigade": Choreografien, Proteste, Festnahmen

Foto: A Burning Pride

Celtic-Fans "Green Brigade" Singende Gesetzesbrecher

Sie halten sich weder an Steh- noch an Fahnenverbote, mit Dauergesang feuert die "Green Brigade" ihren Verein an: den Celtic FC. Doch die Ultras des Glasgower Traditionsvereins stoßen auf Widerstand in der Politik. Ein Gesetz macht ihnen das Leben schwer, einige Fans wurden bereits verhaftet.

Chris McCann muss nicht lange überlegen, wenn er an die schönen Momente der vergangenen Saison denkt: "Wir sind Meister geworden, haben Barcelona an unserem 125. Geburtstag geschlagen und zum Abschluss den Pokal gewonnen. Es war ein großartiges Jahr", sagt der Fan des schottischen Fußballclubs Celtic FC.

Doch wer den Sport lebt wie McCann, für den geht es nicht nur um Ergebnisse. "Die Probleme mit der Polizei liegen wie ein Schatten über der Saison", sagt der junge Mann aus Glasgow, der zur "Green Brigade" gehört. Die Gruppe belebt seit 2006 die immer ruhiger gewordenen Tribünen des Celtic-Parks mit einer wilden Ultra-Kurve. Ihre Werkzeuge: Megafon, Fahnen und Dauergesang.

Das gefällt nicht jedem. Vor allem, weil sich die Gruppe den irischen Wurzeln des Clubs verpflichtet fühlt. Celtic wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Armutseinwanderern von der Nachbarinsel gegründet. Nun singt die "Green Brigade" im Stadion die Rebellenlieder aus dem Nordirlandkonflikt und protestiert gegen die britische Armee. Außerhalb organisiert sie Anti-Rassismus-Kampagnen und eine alternative Fußballliga mit Migranten.

Früh waren die Ultras, die sich weder an Steh- noch Fahnenverbote halten, den Behörden ein Dorn im Auge. In Fahrt kam die "Kriminalisierung von normalen Fans", wie McCann es nennt, Anfang 2012: Damals trat der "Offensive Behaviour at Football and Threatening Communications Act" in Kraft. Ein Gesetz, das Beleidigungen beim Fußball mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Wo aber eine Beleidigung anfängt, ist nicht geregelt.

Randale beim "Old Firm" veranlasste Regierung zu dem Gesetz

Nötig wurde das Gesetz aus Sicht der Politik im März 2011. Damals endete ein Pokalspiel zwischen Celtic und Dauerrivale Rangers mit drei Roten Karten, einer handfesten Schubserei zwischen Celtic-Trainer Neil Lennon und Rangers-Assistent Ally McCoist sowie 34 Festnahmen.

"Die schottische Parlamentswahl stand an, und die Regierung machte das angebliche 'Fußball-Problem' zu einem großen Thema", erinnert sich McCann, der gar kein Problem erkennen kann. In der Tat gibt es die früheren Schlachten rund um das politisch und konfessionell aufgeheizte "Old Firm", wie das Glasgower Derby genannt wird, heute nicht mehr. Trotzdem wurden das Gesetz sowie eine neue Polizeieinheit mit einem Etat von zwei Millionen Pfund vorgestellt.

Seitdem klagen schottische Fans über willkürliche Stadionverbote, Festnahmen sowie Gefängnisaufenthalte. Für Schimpfwörter in Gesängen sowie auf Plakaten oder für zu langes Stehen. Besonders trifft es die "Green Brigade", die durch den Bezug zum irischen Freiheitskampf eigentlich jedes Spiel gegen die Regeln verstößt. Das weiß die Polizei öffentlichkeitswirksam zu nutzen. Celtic-Ultras werden unter der Woche am Arbeitsplatz festgenommen, jüngere Mitglieder extra zu Hause vor den Augen der geschockten Eltern.

"Wir sollen eingeschüchtert werden", so McCann, der selbst festgenommen wurde, als er aus dem Spanien-Urlaub kam. Vor der Familie und Hunderten am Flughafen wurde er abgeführt wie ein Schwerverbrecher. Sein Vergehen: Er hatte Rangers-Fans auf einem Plakat als Zombies bezeichnet. "Es war so lächerlich, dass das Gericht nicht mal verhandelt hat", sagt McCann, der sich sicher ist, dass es nur darum geht, die Celtic-Gemeinde zu entpolitisieren.

"Das Gesetz verfehlt seine Wirkung"

Der Höhepunkt folgte im März dieses Jahres. Vor der Partie gegen Aberdeen demonstrierten die Ultras gegen Stadionverbote. Für die Polizei Grund genug, die Gruppe einzukesseln, es gab 13 Festnahmen und viele Verletzte. Die Polizei rechtfertigte den Einsatz später damit, dass "Umzüge auf einer Straße illegal" seien und manche Fans "mit Schals ihre Identität verschleiern wollten".

Tagelang diskutierten schottische Medien. Kommentatoren kritisierten Gesetz und Polizeiaktion als "antidemokratisch". Ähnliche Worte kamen aus der Politik: "Das Gesetz verfehlt seine Wirkung. In Wahrheit steigen die Spannungen", sagte Labour-Abgeordneter Michael McMahon bei einer Parlamentsdebatte.

Trotz der massiven Repressionen wollen die Ultras nichts ändern: "Fußball existiert nicht in einem Vakuum, er ist mehr als elf Spieler, die einen Ball kicken", sagt McCann, der den Celtic-Park als "einzigen Ort in Schottland" bezeichnet, "wo sich die armen Einwanderer früher offen als Iren zeigen konnten, ohne Diskriminierung oder Gewalt zu fürchten". Stadion und Verein seien über die Jahrzehnte zu einem Fluchtpunkt für die Migranten Glasgows geworden. "Das ist Teil unserer Geschichte, unserer Identität. Wenn das jemand als beleidigend empfindet, ist das nicht unser Problem", sagt McCann.

Die größte Demonstration seit Jahren

Den Celtic-Fans die irische Folklore zu verbieten, wäre in der Tat unmöglich. Bis heute kommen Hunderte Fanclubs und Tausende Dauerkartenbesitzer aus dem geteilten Land, das selbst keine Profiliga hat. Bands geben bei jedem Spiel Konzerte mit Rebel-Songs. Selbst der Verein pflegt das Image: Im Stadion laufen irische Lieder, auf den Fanartikeln tauchen die Farben oder berühmte Slogans auf, selbst den offiziellen Team-Pullover ziert die irische Trikolore am Kragen. Nicht zufällig hat Celtic Fanshops in Dublin, Belfast und Derry.

So dauerte es nicht lange, ehe aus der traditionell kritischen Celtic-Gemeinde eine Antwort auf die staatlichen Maßnahmen kam. Anfang April rief das Bündnis "Fans against Criminalisation" zum Protest auf. Mehr als 4000 kamen zur größten Demonstration seit Jahren in Schottland. Die öffentliche Meinung hat sich teilweise gedreht. Und McCann ist erstmals zuversichtlich: "Den Sommer über planen wir weitere Aktionen gegen das Gesetz. Die Demo war nur der Anfang."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren