
Fotostrecke: Flecken auf der sauberen Weste
Antisemitische Rufe bei RB Leipzig Die Kurve verliert ihre Unschuld
Als es im Ostderby gegen Erzgebirge Aue (0:2) nur noch wenig Grund zum Jubeln gab, ließen einige Fans von RasenBallsport Leipzig ihren Frust verbal ab. Wie durch eine Tagung des RB-Fanverbands bekannt wurde, stimmten sie diskriminierende Rufe wie "Zigeuner" und "Juden Aue" an. Jetzt hat der Verein ein Problem.
Das Spiel in Aue war bisher vor allem dadurch in die Schlagzeilen geraten, weil sich die Fans der Gastgeber übel danebenbenommen hatten - durch einen Vergleich von Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz mit Adolf Hitler auf einem Plakat im Fanblock. Aber auch eine Handvoll Besucher im Gästeblock ließ offenbar jegliches Niveau vermissen.
"Das ist ein Einzelfall", sagt David Grabow vom RB-Fanverband. "Wir haben uns dafür entschieden, ihn öffentlich zu machen, um zu sensibilisieren." In der Dachorganisation der Fanklubs ist man sich einig, dass "rassistischen und menschenverachtenden Sprechchören entschieden begegnet werden muss".
40 RB-Fans werden der Kategorie B zugerechnet
Beim 2009 gegründeten Zweitliga-Aufsteiger waren solche Entgleisungen lange Zeit undenkbar. Zu unattraktiv erschien der familienfreundliche Klub mit seiner zahmen Anhängerschaft für Krawallmacher. Mit dem Durchmarsch aus der Regionalliga in den Profifußball und dem rasanten Anstieg des Zuschauerschnitts auf mehr als 25.000 hat sich das geändert.
Laut Angaben des sächsischen Innenministeriums werden aktuell 40 Anhänger von RB Leipzig der Kategorie B (gewaltbereit, gewaltgeneigt) zugeordnet. Im Vorjahr waren es zehn, in der Spielzeit 2012/13 noch null. Das kann man im Vergleich zu Dynamo Dresden (500), Lokomotive Leipzig (150-200) und Erzgebirge Aue (150) immer noch als Fußnote abtun, zumal die Kategorie C der aktiven Gewalttäter - anders als bei den übrigen sächsischen Klubs - gar nicht vorkommt. Trotzdem nährt sich die Kulisse im ehemaligen Zentralstadion langsam dem Durchschnittspublikum auf deutschen Fußballplätzen an.
Mindestens dreimal sorgten RBL-Anhänger 2014 für Negativschlagzeilen. Beim Gastspiel des FC Getafe wurden im Juli homophobe Gesänge angestimmt. In Nürnberg brannten Fans im Oktober zu "Zigeuner"-Rufen einen Schal der Gastgeber ab, beim Lokalrivalen Lokomotive Leipzig sangen Dutzende wenige Tage später erneut ein homophobes Lied.
Gibt es Verbindungen zu Legida?
In Aue haben die Nürnberger Unruhestifter, die laut Szenekennern zur sogenannten "Abteilung Freizeitsport Naunhof" gehören, erneut von sich hören lassen. Auf ihrer Facebook-Seite posieren 16 junge Männer mit überwiegend kurzen Haaren, sie tragen schwarze Pullover mit dem Schriftzug AFSN. Ein anderes Bild zeigt ein Transparent - mit zwei Boxhandschuhen und einem grimmig blickenden Hund.
Einige der Mitglieder, die dem Namen nach aus der Nähe von Leipzig kommen, sollen mit der islamfeindlichen Legida-Bewegung sympathisieren. Sind hier die ersten Hooligans in der Geschichte von RasenBallsport Leipzig am Werk? Oder sind es nur junge Hitzköpfe, die sich auf großer Bühne profilieren wollen?
Für das Letztere spricht, dass es bisher keine öffentlich bekannten Gewalttaten von RB-Fans gegeben hat. Es käme aber auch zu kurz, die Gruppierung, die hin und wieder bei Auswärtsfahrten auftritt, allein für Beleidigungen von Spielern, Zuschauern oder Schiedsrichtern verantwortlich zu machen. Ein Stadiongänger sagt: "Rassistische und homophobe Zwischenrufe gibt es fast bei jedem Spiel." Es sieht so aus, als habe die Kurve ihre Unschuld verloren.
Die "Red Aces" wollen das nicht hinnehmen. Der Fanklub hat sich den Einsatz gegen jegliche Form von Intoleranz auf die Fahnen geschrieben. Mitglieder der Aces waren es auch, die die Störer in Aue zur Rede stellten. Wie berichtet wird, kam es anschließend zu einem Gerangel. "Wir sind sehr stolz auf das aktive Eingreifen unserer Anhänger" sagt RB-Sprecher Sharif Shoukry. RB habe großes Vertrauen in die Selbstreinigungskräfte der Kurve. "Wir haben schnell und gut gehandelt", stellt auch David Grabow fest.
Bisher hat der Klub wenig Erfahrungen mit Problemfällen: Nach einem Bierbecherwurf gegen den FC Heidenheim sprach er 2014 das erste bundesweite Stadionverbot aus, gegen zwei Provokateure vom Nürnberg-Gastspiel erteilte er Hausverbote. Auch die homophoben Schlachtrufe bei Lok Leipzig wurden öffentlich verurteilt. Weil bei den jüngsten Entgleisungen keine Personalien festgestellt werden konnten, sind Konsequenzen ausgeschlossen. Die Verantwortlichen hoffen, dass das Eingreifen des Fanklubs bei den Pöblern schon zur Besinnung führt.
Nur: Wären alle Probleme damit erledigt? Nach dem Aufstieg in die 1. Bundesliga, der früher oder später gelingen soll, könnte die Zahl der Problemfans weiter steigen. Beobachter halten das zumindest für ein wahrscheinliches Szenario. "Wir müssen uns damit nicht abfinden", sagt David Grabow vom Fanverband. "Wir haben eine aktive Szene, die sich gegen Störenfriede positioniert und Mut beweist." Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Courage erneut nötig sein wird.