FC Augsburg Der Aufstiegskandidat, den keiner will

Sie haben die zweitbeste Offensive der zweiten Liga und mit Michael Thurk einen der letzten klassischen Knipser in ihren Reihen. Trotzdem sind sie nicht willkommen. Bundesliga-Clubs und -Fans zittern vor dem FC Augsburg - allerdings nicht aus sportlichen Gründen.
Augsburg-Stürmer Thurk (M.): 19 Tore in 20 Spielen

Augsburg-Stürmer Thurk (M.): 19 Tore in 20 Spielen

Foto: A3419 Stefan Puchner/ dpa

"Augsburg grüßt Jogi Löw." Dieses Transparent könnte Mittwochabend beim DFB-Pokal-Viertelfinalspiel des FC Augsburg gegen den 1. FC Köln (19 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) in der Kurve zu finden sein. Denn spätestens seit dem 3:1 im dritten Spiel der Rückrunde über Aufstiegskonkurrent Arminia Bielefeld träumen die Anhänger des FCA nicht nur vom Aufstieg in die erste Liga, sondern auch davon, dass ein Spieler ihres Clubs im Sommer mit zur WM nach Südafrika fährt.

Gäste-Trainer Thomas Gerster hatte es auf den Punkt gebracht: "Man muss ganz einfach sagen, dass der FC Augsburg einen Stürmer hat, der normalerweise mit zur WM fahren müsste: Michael Thurk! Wenn ich Bundestrainer wäre, würde ich ihn mitnehmen." Der 33-Jährige ist mit 19 Treffern derzeit der erfolgreichste deutsche Stürmer und ein Garant dafür, dass die Bayern nach schwachem Saisonstart wieder um den Aufstieg mitspielen. Derzeit rangiert der Club auf dem dritten Rang mit sieben Punkten Rückstand auf einen direkten Aufstiegplatz.

Doch genau davor graut es Fans und Verantwortlichen der Bundesliga. Denn Augsburg gilt nicht gerade als Zuschauermagnet. Ticketmanager größerer Arenen, die nicht regelmäßig ausverkauft sind, würden lieber Düsseldorf oder Union Berlin neben den beiden Traditionsvereinen 1. FC Kaiserslautern und dem FC St. Pauli an der Tabellenspitze der zweiten Liga sehen. "Natürlich verkaufen wir gegen solche Vereine mehr Karten", sagt der Ticketmanager eines Bundesligisten, der namentlich nicht genannt werden möchte, auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE. Gleichzeitig befürchtet er, "dass der FC Augsburg kaum in der Lage ist, wenigstens den Gästeblock zu füllen".

30.000 Augsburger in der Allianz-Arena

Zumindest im norddeutschen Raum sprechen die Zahlen für diese These. "Bei weiten Reisen begleitet nur ein harter Kern von rund 200 Leuten die Mannschaft", sagt Dennis Galanti. Der Fanbeauftragte will aber nicht so stehen lassen, dass die FCA-Anhänger im Aufstiegsfall zu bundesweiten Stimmungskillern in den Stadion werden. "Bei Duellen im Süden sind dafür viel, viel mehr Fans dabei, als andere Vereine auswärts mitbringen. Als wir diese Saison beim TSV 1860 gespielt haben, waren 30.000 Augsburger in der Münchner Arena", so Galanti: "im Süden werden wir auch in der Bundesliga einiges reißen."

Doch das sind derbybedingte Ausreißer nach oben. Derzeit besuchen im Schnitt 16.170 Besucher die Heimspiele der Augsburger. Damit ist die im Juli 2009 eröffnete Arena meist nur halb gefüllt. Ein Grund für das geringe Interesse dürften die vergleichsweise hohen Ticketgebühren sein. 36 Euro kostet ein Sitzplatz auf der Gegengeraden. Bei St. Pauli beispielsweise kostet ein ähnlicher Platz die Hälfte. Das Fußball-Angebot ist in beiden Stadien ähnlich. Die Mannschaft von Trainer Jos Luhukay steht wie der FC St. Pauli für schwungvollen Offensivfußball. Mit 44 Toren haben Thurk und Co. die zweitmeisten Treffer nach den St. Paulianern erzielt (48).

Doch während die Aufstiegskonkurrenz von Hamburg über Düsseldorf bis Kaiserslautern die eigenen und sogar manch gegnerischen Anhänger verzückt, indem sie auf junge, freche Spieler wie Deniz Naki (St. Pauli) oder Sidney Sam (Lautern) setzt, wird der FCA von gegnerischen Fans gerne als Resterampe der Bundesliga verspottet. Verantwortlich für den Umbau des Teams ist Andreas Rettig. Der Manager, der in der Bundesliga schon für den SC Freiburg und den 1. FC Köln arbeitete, kam 2006 nach dem Aufstieg. Mit der finanziellen Unterstützung von Präsident Walther Seinsch, ehemaliger Besitzer der Billigkleiderkette KiK, krempelte Rettig den Aufsteiger in drei Jahren zu einem Aufstiegskandidaten um. Sein Motto: Spieler clever kaufen!

Kein Masterplan für den Aufstieg

Tatsächlich stehen einige ausgemusterte Bundesliga-Profis bei den Bayern unter Vertrag. Der ehemalige Wolfsburger Torhüter Simon Jentzsch beispielsweise oder das ewige Talent Marcel Ndjeng, der sein Glück weder in Bielefeld und Gladbach noch beim Hamburger SV fand. Auch die Angreifer Imre Szabics (unter anderem VfB Stuttgart) und Nando Rafael (ehemals Hertha BSC Berlin) gehörten schon zu Bundesliga-Zeiten nicht gerade zu den Lieblingen der Liga. Ganz im Gegensatz zum Teufelskerl Thurk. Für viele ist der ehemalige Mainzer das sympathische Gesicht einer sonst eher blassen Mannschaft aus einer als gemütlich geltenden, bayerischen Stadt.

Wie groß das Harmoniebedürfnis im Club ist, zeigt eine Maßnahme, die der Präsident höchstpersönlich angeordnet hat. Spieler, Trainer und Verantwortliche des FCA müssen einmal im Jahr eine Erklärung unterschreiben, wonach man in der Öffentlichkeit nicht schlecht über andere spreche. Dieser Kodex dürfte in der Bundesliga und dem damit steigenden Medieninteresse kaum zu halten sein.

Ist die erste Liga eine Nummer zu groß für den FCA? "Wir denken gar nicht so über das Thema Aufstieg nach", sagte FC-Kapitän Uwe Möhrle in einem Interview mit dem "Kicker". Diese Aussage gilt allerdings nicht für die Fans. "Natürlich gibt es einige Hardliner, die lieber in der zweiten Liga um den Aufstieg als in der ersten um den Klassenerhalt spielen", sagt Fanbetreuer Galanti. "Über 90 Prozent wollen aber unbedingt hoch."

Einen Masterplan für den Aufstiegsfall habe das Fanprojekt laut Galanti noch nicht entworfen. Der 29-Jährige verweist auf den Reiz des Neuen und wirbt mit Überzeugung für den Besuch des FCA. "Augsburg ist eine interessante Stadt mit einer tollen Arena", so Galanti. Und mit einem der letzten klassischen Torjäger. Vielleicht fällt das vor der WM ja auch noch Bundestrainer Joachim Löw auf.

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