Maxi-Erfolg mit Mini-Etat: Der FC Augsburg überrascht die Liga, ein Klub, der noch vor zwei Jahren beinahe abgestiegen wäre. Was ist das Geheimnis des Teams, das als Tabellendritter die Über-Bayern empfängt - und sie erneut schlagen will?
Der wundersame Aufschwung des FC Augsburg begann, nun ja, mit dem Hinterteil von Sascha Mölders. Die Augsburger waren nach der Hinrunde der Saison 2012/2013 Tabellenvorletzter, der Abstieg in die zweite Liga stand scheinbar schon fest. Doch zum Start der Rückrunde gewann der Klub 3:2 bei Fortuna Düsseldorf, Mölders gelangen zwei Tore. Bei seinem zweiten Treffer hatte ihn Düsseldorfs Torwart Fabian Giefer angeschossen, vom verlängerten Rücken des Stürmers prallte der Ball ins Tor.
Seitdem ist es aufwärts gegangen bei den Augsburgern: In besagter Saison schafften sie den Klassenerhalt, zuletzt landeten sie auf dem achten Platz. Das war schon eine Sensation, die in dieser Saison noch einmal übertroffen wird. Der FC Augsburg, vor zwei Jahren noch sicherer Absteiger, ist kurz vor der Winterpause Tabellendritter.
Zu Recht wird die Partie gegen den FC Bayern am Samstag (15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) als Spitzenspiel beworben. "Die Euphorie ist groß", sagt Trainer Markus Weinzierl, schiebt aber sofort den Hinweis nach, dass es sich bei dem Tabellenbild um "eine Momentaufnahme" handele. Was man eben so sagt, wenn man um den Einzug in die Champions League mitspielt, obwohl das Saisonziel der Klassenerhalt ist.
Während Traditionsvereine wie der VfB Stuttgart, Werder Bremen oder der Hamburger SV seit Jahren straucheln, zeigt der FC Augsburg, wie man mit Geduld und den richtigen Leuten an den richtigen Stellen trotz minimaler Mittel Maximales erreicht. Der Etat der Augsburger soll in den vergangenen beiden Spielzeiten bei 17 Millionen Euro gelegen haben, in diesem Spieljahr dürfte er nicht viel höher sein. Zum Vergleich: Der FC Bayern lässt sich seine Profimannschaft fast zehnmal so viel kosten.
Foto: Alexander Hassenstein/ Bongarts/Getty Images
Fotostrecke
Augsburger Aufschwung: Wenig Geld, viele Punkte
Wenn man nach Gründen dafür sucht, warum der FC Augsburg so gut dasteht, fällt auf, dass es keine auffälligen Gründe gibt. Zumindest, wenn man die sportlichen Kennzahlen heranzieht. Die Mannschaft schießt nicht übermäßig viele Tore. In dieser Spielzeit waren es bisher 20, sechs Mannschaften trafen öfter. Immerhin, die Augsburger kassierten bislang die viertwenigsten Tore. Ein überragender Wert sind 14 Gegentreffer in 14 Spielen aber auch nicht. Der FC Augsburg hat durchschnittliche Ballbesitz-Werte, die Laufwerte liegen unter dem Ligaschnitt. Das Gleiche ist bei den Pass-Zahlen zu beobachten.
Augsburger Passwerte: Wenig Pässe, durchschnittliche Quote
Foto: SPIEGEL ONLINE
Eine Waffe der Augsburger ist ihr Talent, enge Spiele zu gewinnen. Vier der acht Saisonsiege gelangen mit nur einem Tor Vorsprung, das 2:1 gegen den 1. FC Köln am vergangenen Wochenende ist dafür stellvertretend. Es war dazu der dritte Augsburger Sieg in dieser Saison nach einem Rückstand. Das Team kassiert seine Tore in der ersten Hälfte und trifft in der zweiten.
Das lässt auf eine gute Fitness schließen, auf eine ausgezeichnete Organisation und auf einen ausgeprägten Mannschafts- und Kampfgeist. "Große Stars haben individuelle Ideen, aber auch mal Eitelkeiten. Das funktioniert nicht bei uns. Wer hier neu ist und mit so was ankommt, wird von der Mannschaft ganz schnell geradegerückt", sagte Mittelfeldspieler Tobias Werner neulich der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Augsburger Torverteilung: Kassieren in der ersten, schießen in der zweiten Hälfte
Foto: SPIEGEL ONLINE
Damit beschrieb er treffend den Kern dessen, was den FC Augsburg ausmacht: Die Mannschaft besteht aus soliden Einzelspielern, die aufeinander angewiesen sind, um Erfolg zu haben. Werner, Halil Altintop, Daniel Baier und Top-Schütze Paul Verhaegh (fünf Saisontore, alle per Elfmeter) sind keine Alleinunterhalter. Selbst der als schwierig geltende Raúl Bobadilla fügt sich ins Gesamtkonstrukt.
Die Architekten des Aufschwungs sind Sportchef Stefan Reuter und Trainer Weinzierl. Der Klub trotzte den sogenannten Mechanismen der Branche, als er vor zwei Jahren trotz akuter Abstiegsgefahr an einem Trainer festhielt, der zuvor lediglich den Drittligisten Jahn Regensburg betreut hatte. In diesen Tagen zahlt sich das Vertrauen in Weinzierl aus.
Es spricht für den Trainer, dass die Augsburger bestens dastehen, obwohl sie im Sommer ihre Top-Spieler verloren haben: André Hahn wechselte zu Borussia Mönchengladbach, Matthias Ostrzolek zum HSV, Kevin Vogt nach Köln. Weinzierl schaffte es, die Lücken aus dem Kader heraus zu schließen. Von den Zugängen in der Sommerpause hat einzig Linksverteidiger Abdul Rahman Baba einen Stammplatz.
Platzierungen des FC Augsburg
Saison
Nach dem 14. Spieltag
Abschlusstabelle
2014/2015
3. Platz
???
2013/2014
10. Platz
8. Platz
2012/2013
18. Platz
15. Platz
2011/2012
18. Platz
14. Platz
Seit dem Bundesliga-Aufstieg 2011
Es ist das Schicksal aufstrebender Klein-Klubs, dass größere Vereine ihnen das Personal wegkaufen. Der SC Freiburg erlebt beinahe jedes Jahr den Exodus, und auch die Augsburger müssen sich verstärkt mit diesem Problem befassen. Gerade geriet Reuter als Kandidat für den Sportchef-Posten in Stuttgart ins Gespräch, Reuters Dementi kam umgehend. Und der ein oder andere Bundesligaklub wird vorsorglich schon einmal nachgeschaut haben, wie lange Weinzierls Vertrag in Augsburg noch läuft (die Antwort: bis 2017).
Mit einem Sieg gegen den FC Bayern könnte er seinen Marktwert weiter steigern. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Rekordmeister in Augsburg Probleme bekommt. In der vergangenen Saison fügte Weinzierls Team den Münchnern die erste Niederlage nach 53 ungeschlagenen Ligaspielen zu.
8 BilderAugsburger Aufschwung: Wenig Geld, viele Punkte
1 / 8
Markus Weinzierl kann zufrieden sein: Der Trainer hat den FC Augsburg - einst ein Abstiegskandidat - auf den dritten Platz in der Bundesliga geführt. Jetzt geht es im Spitzenspiel gegen den FC Bayern.
Foto: Alexander Hassenstein/ Bongarts/Getty Images
2 / 8
Neben dem Trainer gehört Sportchef Stefan Reuter zu den Baumeistern des Augsburger Aufschwungs. Erstaunlich: Der Verein steht gut da, obwohl die besten Spieler im Sommer gewechselt sind.
Foto: imago
3 / 8
Prominentester Fall ist André Hahn. Der Stürmer schoss in der vergangenen Saison zwölf Tore für den FC Augsburg.
Foto: Alexander Hassenstein/ Bongarts/Getty Images
4 / 8
Für nicht einmal zweieinhalb Millionen Euro wechselte er zur neuen Spielzeit nach Mönchengladbach - und ist mit der Borussia in der Europa League aktiv.
Foto: FABIAN BIMMER/ REUTERS
5 / 8
Im Sommer wechselte Matthias Ostrzolek (l.) zum Hamburger SV. Mit den Norddeutschen spielt er gegen den Abstieg, während sein Ex-Verein auf einem Champions-League-Platz steht.
Foto: DPA
6 / 8
Verteidiger Ostrzolek (l.) war in der vergangenen Saison auch dabei, als die Augsburger dem FC Bayern die erste Niederlage nach 53 Spielen beibrachten.
Foto: Alexander Hassenstein/ Bongarts/Getty Images
7 / 8
Auch Kevin Vogt (hinten) war in der vergangenen Saison Leistungsträger beim FC Augsburg. Neuerdings spielt er in Köln. Mit seinem neuen Team unterlag er am Wochenende seinem alten, hier mit Halil Altintop.
Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFP
8 / 8
Jubel in Augsburg: Der Verein zeigt, wie man mit wenig Geld eine funktionierende Mannschaft zusammenstellen kann. Gegen den FC Bayern soll der nächste Coup gelingen - wie schon in der Vorsaison.
Foto: Alex Grimm/ Bongarts/Getty Images
Augsburger Passwerte: Wenig Pässe, durchschnittliche Quote
Foto: SPIEGEL ONLINE
Augsburger Torverteilung: Kassieren in der ersten, schießen in der zweiten Hälfte