
FC Barcelona Außerirdisch erfolgreiche Schönspieler
- • Fußball: Ibrahimovic unterschreibt bei Barça, Eto'o bei Inter
- • Klassiker Real vs. Barça: Brieftasche gegen Nachwuchs
Für jeden moralisch einigermaßen gefestigten Fußballfan dürfte es außer Frage stehen, welcher Mannschaft er heute im Halbfinale der Champions League die Daumen drückt. Wenn Inter Mailand gegen den FC Barcelona antritt, muss man schon Fan der Mailänder sein, Anhänger von Real Madrid oder ein latent dunkler Charakter, um den Katalanen nicht alles Gute zu wünschen. Nicht etwa, weil sie sich aufgrund der Aschewolke tapfer die fast tausend Kilometer zum Spielort im Bus durchkämpfen mussten, sondern weil jeder Erfolg für den FC Barcelona auch einer für den Fußball ist.
Bekanntlich setzen die erfolgreichsten Teams immer auch die Trends, und im Weltfußball gibt es auch 2010 kein besseres Vorbild als die Mannschaft von Pep Guardiola. Ihr Offensivspiel ist so mitreißend, die Kunst am Ball so groß, dass die Fußballwelt zweifellos schöner wäre, würden sich alle Clubs an der Spielweise der Katalanen orientieren. Das Problem besteht allerdings darin, dass man sich eine Mannschaft wie den FC Barcelona weder zusammenkaufen kann, noch ihr Stil von heute auf morgen kopierbar ist.
Es soll dabei nicht unterschlagen werden, dass auch die Katalanen atemberaubende Beträge in ihre Mannschaft investiert haben. Ungefähr 200 Millionen Euro wurden in den vergangenen drei Jahren für Zugänge ausgegeben, trotzdem ist die Mannschaft das komplette Gegenteil einer Söldnertruppe. Mitunter hat man das Gefühl, dass Transfers nur getätigt wurden, weil Spitzenmannschaften so etwas eben machen müssen. Vor allem der bizarre Mittelstürmertausch zwischen Inter und Barça, bei dem Samuel Eto'o und Zlatan Ibrahimovic hin- und herwechselten, Barcelona für den Schweden aber zusätzlich 50 Millionen überwies, zeigt, dass die Katalanen für Irrationales nicht unanfällig sind.
Abenteuerlich altmodische Ansammlung von Vereinstreuen
Doch im Kern hat das Team einen ganz anderen Charakter. Es ist eine abenteuerlich altmodische Ansammlung von Vereinstreuen, die mit der Welt der Turbotransfers nichts zu tun haben. Mit Mannschaftskapitän Carles Puyol, Torhüter Victor Valdés, Lionel Messi, Xavi, Andres Iniesta, Sergio Busquets, Pedro und Bojan Krkic stehen acht Spieler im aktuellen Kader, die seit frühester Jugend bei Barça unter Vertrag sind. Auch Innenverteidiger Gerard Pique hat dort angefangen, war zwischendurch aber mal vier Jahre bei Manchester United. Um eine Bundesliga-Mannschaft mit ähnlich vielen Stammspielern aus dem eigenen Nachwuchs zu finden, müsste man wohl bis in die sechziger Jahre zurückgehen, etwa zum großen Team des FC Bayern jener Zeit.
Es ist auch kein Zufall, dass diese Spieler das Gerüst der Mannschaft bilden. Sie haben die Spielweise des Clubs mit den langen Kombinationsketten über Jahre so tief verinnerlicht, dass die Partien des FC Barcelona auch einen Dauerbeweis dafür liefern, wie wichtig Kontinuität in der Entwicklung von Mannschaften ist. Es bringt schlicht einen Vorteil, wenn man aufgrund langjähriger Erfahrung mit schlafwandlerischer Sicherheit weiß, was der Mitspieler tut. Aus dieser Erkenntnis haben auch andere ihre Schlüsse gezogen, selbst Clubs wie der FC Chelsea, Manchester United oder auch Bayern München ergänzen ihre Kader inzwischen nur noch punktuell. Zumal das regelmäßige Scheitern von Real Madrid mit all seinen Galacticos darauf hinweist, wie es nicht geht.
Erfreulicher Retro-Trend
Auch sonst setzen die Superstars in Blau und Rot einen erfreulichen Retro-Trend. Während einer wie Reals Cristiano Ronaldo seine Tricks und Tore so demonstrativ feiert, als wäre er beim Foto-Shooting für eine Werbekampagne, kommt Lionel Messi nach ungleich bewunderungswürdigeren Heldentaten fast entschuldigend daher. Es soll sich von ihm kein Mitspieler ungewürdigt und kein Gegner gedemütigt fühlen. Als er bei seiner Vier-Tore-Gala gegen Arsenal den Ball über Torhüter Almunia lupfte, war das einfach nur die beste Lösung und nicht mehr. Der kleine Argentinier, aber auch Xavi, der beste Ballverteiler der Welt, wirken so freundlich sportsmannhaft, als seien sie Zeitgenossen von Fritz Walter und Uwe Seeler.
Um ein solches Team mit derartigen Verhaltensweisen zu entwickeln, braucht es allerdings viele Jahre, und deshalb muss man den FC Barcelona wohl noch längere Zeit Erfolge wünschen, damit in der Zwischenzeit nicht Propagandisten des Defensivfußballs und Zusammenkäufer von Siegermannschaften wieder die Vorherrschaft übernehmen.
Am Dienstag in Mailand (20.45 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) trifft der FC Barcelona auf einen Meister der Zermürbung und Zerstörung spielerisch überlegener Gegner. Inters Trainer Jose Mourinho strebt offen ein torloses Unentschieden an, um dann vor dem Rückspiel wahrscheinlich wieder seine Psychokriege zu inszenieren. Der Portugiese hatte in der Vergangenheit nicht einmal davor zurückgeschreckt, Lionel Messi der Schauspielerei auf dem Platz zu bezichtigen. In bislang sechs Partien gegen Mourinho-Teams hat der Argentinier keinen Treffer erzielt. Vielleicht hat Barcelona also doch gut daran getan, mit Zlatan Ibrahimovic einen Spieler zu verpflichten, der das Team um etwas Bösartigkeit bereichert.
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