Zukunft des FC Bayern So geht es nicht weiter

Der FC Bayern ist wieder einmal souverän Meister geworden. Aber für weitere Erfolge benötigt der Kader deutlich mehr Tiefe. Mit Verteidiger Tanguy Kouassi aus Paris soll schon der erste Transfer feststehen.
Von Florian Kinast, München
David Alaba feiert den achten Meistertitel des FC Bayern in Serie

David Alaba feiert den achten Meistertitel des FC Bayern in Serie

Foto: Stuart Franklin/POOL/EPA-EFE/Shutterstock

Draußen im Stadion war Stille, drinnen in der Kabine lärmte es. Die Spieler des FC Bayern hüpften nach dem 1:0 gegen Bremen, der die Meisterschaft besiegelte, auf und ab. Manche trugen noch ihre roten Meistershirts mit der weißen "8", für acht errungene Titel in Serie. Dazu skandierten sie wie in den vergangenen Jahren den triumphalen Gassenhauer "Campeones, Campeones". Auch Jérôme Boateng, der im Vorjahr beim Titelgewinn noch schlecht gelaunt daneben gestanden hatte, feierte nun ausgelassen mit.

Der 30. Meistertitel des FC Bayern ist ein besonderer: aufgrund der Corona-bedingten Umstände, ohne Fans und ohne Weißbierduschen. Aber auch aufgrund eines Stilwechsels im laufenden Betrieb - vorgenommen durch den im November installierten Trainer Hans-Dieter Flick, durch den ein zwischenzeitlicher Rückstand von sieben Punkten auf die Tabellenspitze wettgemacht wurde.

Anders als sein Vorgänger Niko Kovac hatte Flick auf Boateng im Abwehrzentrum gesetzt. Ansonsten aber verzichtete der ehemalige Co-Trainer auf die in solchen Fällen oft übliche Personalrochade. So sehr in den vergangenen Wochen beispielsweise die Rede davon war, wie wichtig etwa Joshua Kimmich als Spielgestalter im defensiven Mittelfeld ist, wie souverän David Alaba als Innenverteidiger agiert, welch Glücksgriff Alphonso Davies als Linksverteidiger war - genau auf diesen Positionen spielte das genannte Trio auch beim letzten Kovac-Spiel, dem 1:5-Debakel in Frankfurt.

Was Flick also anders machte? Er gewann die Mannschaft zurück, die Kovac zunehmend verloren hatte. Laut der amerikanischen Sportwebsite "The Athletic " hatte Flick dafür nach seiner Amtsübernahme zunächst wichtige Profis des Teams gefragt, wie sie spielen möchten. Höher stehen, früher attackieren, den Gegner einschnüren. So begann eine Siegesserie, die letztlich zum Meistertitel führte.

Dazu kam eine gesunde Mischung aus Empathie mit dem Gespür für das richtige Wort im richtigen Moment und der nötigen Autorität. Wenn ihm die Einstellung der Spieler zu lasch war, dann brach er auch schon mal erzürnt das Training ab. Flick, der richtige Mann für diese Saison und nach derzeitigem Ermessen auch für die nächsten Jahre.

Das lange Warten auf die Champions League

Doch was kommt jetzt, also nach den letzten Saisonspielen gegen Freiburg und Wolfsburg, dem Pokalfinale gegen Leverkusen? Dann beginnt eine für den FC Bayern gerade im Hinblick auf die Fortsetzung der Champions League im August sonderbare Zeit.

Feststeht, dass die Mannschaft nach dem Pokalfinale am 4. Juli zwölf Tage freihaben wird. Dann beginnt wieder das Training. Was sie beim FC Bayern aber nicht wissen: Tut es ihnen gut, im Kurzurlaub neue Kräfte zu tanken und sich mit gezieltem Aufbautraining für die Champions League vorzubereiten? Sie soll für die Bayern mit dem Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Chelsea am 7. oder 8. August weitergehen. Oder profitieren die Teams aus England, Spanien, Italien, die erst jetzt den Spielbetrieb wieder aufnehmen, und für die sich die restlichen K.-o.-Spiele der Königsklasse fast nahtlos an die eigene Meisterschaft anschließen, die dann also noch im Spielrhythmus sind? Und ist es ein Vorteil oder ein Nachteil für die Bayern, dass ab dem Viertelfinale die Partien nicht in Hin- und Rückspiel, sondern nur in einer einzigen Partie ausgetragen werden?

"Das weiß ich auch nicht. Das ist alles ein Blindflug", sagte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge.

Eines aber ist klar: Für langfristigen Erfolg ist der Bayern-Kader deutlich zu dünn besetzt. Die Münchner müssen und können trotz Coronakrise auf dem Transfermarkt aktiv werden.

Bisher ging das in dieser Saison noch gut. Flick spielte fast immer mit der gleichen Mannschaft, weil sie Erfolg hatte, aber auch weil ihm die Alternativen fehlten. Aus der Namensliste von Ersatzspielern in Bremen: Zirkzee, Wriedt, Meier, Singh, Richards. Steht kommende Saison wieder der gewohnte Rahmenterminkalender an, mit den entscheidenden Wochen in der Liga, im Pokal und in der Champions League zwischen März und Mai, dann braucht der Kader zur Entlastung der Stammkräfte als ebenbürtigen Ersatz deutlich mehr Tiefe.

Ein neuer Innenverteidiger soll kommen

Flick erhofft sich dabei Verstärkung gerade auf den Außenbahnen, doch selbst wenn der Transfer von Leroy Sané zustande kommt, wird er allein nicht ausreichen. Alternativen braucht es auch bei den Außenverteidigern. Der ausgeliehene Rechtsverteidiger Alvaro Odriozola, der wieder zu Real Madrid zurückkehren wird, war für Benjamin Pavard ebenso eine Verlegenheitslösung wie der bislang glücklose 80-Millionen-Rekordtransfer Lucas Hernández für Alphonso Davies auf der linken Seite.

Tanguy Kouassi, 18 Jahre alt, soll ablösefrei von Paris St. Germain kommen

Tanguy Kouassi, 18 Jahre alt, soll ablösefrei von Paris St. Germain kommen

Foto: FRANCOIS LO PRESTI/ AFP

Für die zentrale Abwehr scheinen sie schon fündig geworden zu sein. Laut "Bild" steht die Verpflichtung des 18-jährigen Tanguy Kouassi von Paris St. Germain bereits fest. Der Franzose verfügt über ein enormes Potenzial.

Wenn die Bayern ihren Kader weiter aufbessern mit guten Transfers wie zuletzt Davies oder auch den von Inter Mailand ausgeliehenen Ivan Perisic, der unbedingt in München bleiben möchte, dann spricht nach jetzigem Stand viel dafür, dass sie zum Leidwesen der Konkurrenz auch in den kommenden Jahren Meister werden. Es geht dann bei den Bayern zwar nicht weiter wie bisher, aber wohl doch mit der Bayern-Dominanz in der Liga.

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