Bayerns Sieg in Dortmund "Ich hätte gern anders gespielt"

Bayern-Trainer Guardiola (r.): "Was ist machbar?"
Foto: Matthias Hangst/ Bongarts/Getty ImagesAls Thiago Alcántara nach dem Spiel die Kabine betrat, taten seine Teamkollegen das, was zuvor Tausende Bayern-Fans getan hatten: "Thiago, Thiago", hallte es durch die Katakomben des Dortmunder Stadions. Mehr als ein Jahr hatte der Mittelfeldspieler verletzt gefehlt. Nun war er beim Stand von 1:0 für seine Münchner bei Borussia Dortmund eingewechselt worden, hatte in 20 Minuten ein feines Solo gewagt, durch eine Grätsche einen BVB-Konter gestoppt und ansonsten geholfen, den Sieg über die Zeit zu bringen.
Für die Bayern war es der nächste Schritt auf dem Weg zur 25. Meisterschaft - für Thiago ein "sehr emotionaler Moment". Bereits auf dem Rasen hatte er Tränen in den Augen, und noch lange nach dem Spiel war sein Blick wässrig. "Fußball ist mehr als ein Spiel, es ist wirklich unser Leben", sagte der 23-Jährige und bedankte sich immer wieder bei allen, die ihn unterstützt hatten. Doch auch dem Spanier war nach dem Kurzeinsatz klar, dass er noch Zeit braucht: "Nach zehn Minuten war ich müde", gab er zu und hoffte, jetzt "von Spiel zu Spiel" mehr Einsatzzeit zu bekommen.

Dortmund in der Einzelkritik: Alle harmlos außer Reus
Mit der Hoffnung dürfte er nicht allein sein. Spielertypen wie Thiago - schnell, mutig, trickreich, stark im Eins-gegen-eins - sind nach den Verletzungen von Arjen Robben und Franck Ribéry in München rar gesät. Zudem fehlt David Alaba, der auch immer für einen Sololauf über den Flügel gut ist.
Klopp reagierte zerknirscht
So musste BVB-Trainer Jürgen Klopp nach dem ungewohnt defensiven Auftritt der Bayern zerknirscht feststellen: "Sie haben ihrer Aufstellung Rechnung getragen, dann macht die Spielweise Sinn."
Trotzdem wollte die so gar nicht zu der Art Fußball passen, mit der Bayern-Trainer Josep Guardiola vor Jahren in Barcelona berühmt geworden war. Und die er auch bei seinem jetzigen Arbeitgeber zum Ideal erklärt: viel Ballbesitz, viel Tempo, viele kurze Pässe.
An diesem Samstagabend in Dortmund sah das anders aus. Neben der tief stehenden und ausschließlich aus Innenverteidigern bestehenden Dreierkette spielten die Außen Rafinha und Juan Bernat meist nur theoretisch im Mittelfeld. Stattdessen verwandelten sie die hintere Reihe oft in eine Fünferkette. Das Mittelfeld davor - Xabi Alonso, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm - bestand aus drei weiteren eher defensiv Orientierten. Acht von zehn Feldspielern interessierten sich mehr fürs eigene Tor als für das des Gegners.
Nur zwei Torschüsse der Bayern - es reichte
Entsprechend sah das Spiel aus. Bayern stand hinten ebenso tief wie eng und beraubte die schnellen und pressenden Dortmunder wie Marco Reus oder Pierre-Emerick Aubameyang damit ihrer Räume und Konterchancen. Vorne passierte dafür umso weniger. Ganze zwei Schüsse brachten die Gäste aufs Tor, Minusrekord in dieser Bundesliga-Saison.

Bayern in der Einzelkritik: Ausgerechnet Lewandowski
"Ich hätte gern anders gespielt", sagte Guardiola hinterher fast entschuldigend. Aber er müsse gucken, wer zur Verfügung steht. "Wenn man den Kader sieht, fragt man sich: Was ist machbar?" sagte auch Sportvorstand Matthias Sammer, der dann ein Wort verwendete, das im Bayern-Sprachschatz selten vorkommt. Nach der Niederlage gegen Gladbach habe "der ein oder andere schon die Messer gewetzt, das macht uns ein bisschen Angst, und deswegen laufen wir etwas schneller".
Weil der Tabellenführer vor dem Gladbach-Spiel bereits in Wolfsburg leer ausgegangen war, "wollten wir heute auf keinen Fall verlieren", sagte Sammer, um schnell hinterherzuschieben: "Aber wir wollten auch gewinnen." Dass es dann ein "Arbeitssieg" mit "viel zu wenig Ballbesitz" wurde, wie Startelf-Rückkehrer Philipp Lahm sagte, störte Sammer weniger. Allerdings: "So extrem war es nicht geplant".

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Doch Sammer wäre nicht Sammer, wenn er nicht auch das positiv verkaufen würde: "Es war ein wichtiges Signal, die Konstellation dann auch stabil zu halten." Was etwa heißen sollte: "Wir können mehr als das schöne Spiel. Gerade, wenn wir wissen, dass sich der Gegner gegen tief stehende Mannschaften schwertut."
War Dortmund also nur der Test für die nächsten Wochen, die Guardiola als seine "schwierigste Zeit" bei den Bayern bezeichnet hatte? Im DFB-Pokal geht es am Mittwoch nach Leverkusen, in der Champions League am 15. und 21. April gegen den FC Porto (jeweils Liveticker SPIEGEL ONLINE), danach vielleicht gegen Barcelona oder Madrid. Auch dann wird die Personaldecke ähnlich dünn sein.
Sammer umging die Frage. "Bei uns ist noch nie etwas in Stein gemeißelt gewesen." Es gehe immer nur darum, "einen guten Mix daraus zu finden, was der eigenen Mannschaft guttut, und was den Gegner in so einer Situation neutralisiert". Und dafür sei ihr Trainer ein "absoluter Experte". "Für Mittwoch werden wir uns wieder etwas einfallen lassen."
Borussia Dortmund - Bayern München 0:1 (0:1)
0:1 Lewandowski (36.)
Dortmund: Weidenfeller - Sokratis, Subotic, Hummels, Schmelzer - Sven Bender, Gündogan (79. Mchitarjan) - Blaszczykowski (67. Kagawa), Reus, Kampl (67. Ramos) - Aubameyang
München: Neuer - Benatia, Jérôme Boateng, Dante - Alonso - Rafinha, Lahm (69. Thiago), Schweinsteiger (58. Rode), Bernat - Thomas Müller (79. Götze), Lewandowski
Schiedsrichter: Knut Kircher (Rottenburg)
Zuschauer: 80.667 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Aubameyang (4), Schmelzer (4) - Schweinsteiger (3), Alonso (6), Rode (2)