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Bayerns Sieg bei Heynckes Rückkehr Ganz in Ordnung

Rückkehrer Jupp Heynckes bremst nach dem leichten 5:0 gegen Freiburg mit Recht die Euphorie. Doch schon bei seinem ersten Spiel werden klare Unterschiede zu Vorgänger Carlo Ancelotti deutlich.

Zwei Minuten vor Abpfiff wurde Jupp Heynckes noch einmal sehr wütend. Arjen Robben war kurz davor, einen Eckball zu treten, als auch Innenverteidiger Niklas Süle zum gegnerischen Strafraum trabte. Der FC Bayern führte da gegen den SC Freiburg bereits 4:0, alles war entschieden. Kein Grund zur Aufregung? Für Heynckes schon. Zürnend blickte er durch seine Brille, dann verließ er seine Coaching-Zone um mehrere Meter und beorderte Süle lautstark zurück, damit er gefälligst auf Höhe der Mittellinie als letzter Mann absichern solle. Und Süle tat artig, wie ihm geheißen.

Es war nur eine kleine Szene, aber sie war bezeichnend für das erste Spiel von Jupp Heynckes in seiner vierten Amtszeit als Trainer des FC Bayern. Taktische Disziplinlosigkeiten lässt er nicht durch. Unter ihm muss alles seine Ordnung haben. Egal bei welchem Spielstand.

5:0 hieß es am Ende gegen in München traditionell harmlose Freiburger. Trotzdem bot das Spiel keinerlei Anlass, in grenzenlosen Überschwang zu verfallen und reflexartig gleich dem Jupp-Effekt zu huldigen. Immerhin aber hinterließ der Trainer an seinem ersten Samstagnachmittag in München schon eine klare Handschrift. Die Unterschiede zu Vorgänger Carlo Ancelotti wurden deutlich sichtbar. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Unter Heynckes gibt es allmählich wieder Struktur in einem sehr chaotischen, zerrütteten Mannschaftsgefüge.

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Vom Publikum gab es wie erwartet einen euphorischen Empfang. Als kurz vor dem Anstoß der Kopf von Heynckes bei der Mannschaftspräsentation auf den beiden Anzeigetafeln erschien, dröhnte tosender Lärm durch die Arena, wie man ihn in dieser Wucht in dieser Saison hier noch nicht vernommen hatte. Manche Zuschauer erhoben sich ergriffen von ihren Hartschalensitzen und klatschten. Es wirkte, als gelte es nicht einem 72 Jahre alten Fußballtrainer zu huldigen, sondern gleich dem Messias persönlich. Einen großen Unterschied sahen viele darin sicher nicht.

Wie er selbst diesen Moment erlebt habe, wollte ein TV-Reporter später von Heynckes wissen - wohl in der Hoffnung, der Coach würde bewegt von seinen Gefühlswallungen berichten. Heynckes sagte, er habe sich auch beim Champions-League-Sieg 2013 eher nach innen gefreut. Warum sollte das bei einem Bundesliga-Sieg gegen Freiburg an einem achten Spieltag anders sein. Und so sah Heynckes sehr sachlich aus.

Während des Spiels jedoch war es mit der Sachlichkeit oft vorbei. Ganz anders als der zuletzt immer phlegmatischer wirkende Ancelotti sprang Heynckes immer wieder gestenreich auf von seiner Bank, dirigierte seine Mannschaft mit weit ausgebreiteten Armen und ausgestreckten Fingern. Jubelte mit erhobenen Händen gerade bei den beiden ersten Toren, einem Eigentor von Julian Schuster und einem Kopfball von Kingsley Coman, schimpfte aber auch bei Abspielfehlern. Kratzte sich die Stirn, schlug gar die Hände über dem Kopf zusammen, als mitunter schludrige Bayern die Freiburger fahrlässig zu gefährlichen Kontern einluden. Und brüllte sich die Kehle wund.

Heynckes: "Haben noch viel Arbeit vor uns"

Und es war typisch Heynckes, dass er später wirkte, als würde er sich über die drei Großchancen der Gäste mehr ärgern, als sich über die fünf Tore der eigenen Mannschaft zu freuen. "Wir sollen das Ergebnis nicht zum Anlass nehmen, dass jetzt wieder alles wunderbar ist", sagte Heynckes nach Abpfiff nüchtern und krächzte dabei, als hätte er seine Stimmbänder durch ein Reibeisen gezogen. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns, bald kommen schwerere Gegner. In der ersten Halbzeit haben wir in der Vorwärtsbewegung zu oft die Bälle verloren, darüber werden wir noch reden müssen."

Geredet hatte Heynckes schon unter der Woche viel, die Spieler berichteten von zahlreichen Einzelgesprächen. Wie akribisch und detailversessen Heynckes schon in den ersten Tagen arbeitete, schilderte Mats Hummels. "Im Training kam wieder viel Zug von außen rein", sagte der Innenverteidiger, "das hat uns sehr gutgetan. Der Trainer hat jede Unkonzentriertheit angemahnt und korrigiert."

Auch das war ein klarer Seitenhieb in Richtung Ancelotti, der so gut wie nie mahnte und korrigierte, sondern eher teilnahmslos von außen zuschaute. Deshalb fühlten sich die Spieler, wie zu hören war, deutlich unterfordert und mahnten auch bei Klub-Chef Karl-Heinz Rummenigge härtere Einheiten an. Die härteren Einheiten haben sie nun unter Heynckes, das tut ihnen nur gut. Endlich wird es wieder ungemütlich. Das muss es auch werden angesichts der kommenden englischen Wochen. Zweimal Celtic, zweimal Leipzig, einmal Hamburg, einmal Dortmund.

Als Joshua Kimmich in der Nachspielzeit per Hacke das 5:0 erzielte, ertönte finaler Jubel im Stadion. Jupp Heynckes blickte skeptisch zum Linienrichter wegen einer etwaigen Abseitsstellung. Das Tor zählte, Heynckes klatschte zweimal in die Hände, er setzte sich auf die Bank. Als Schiedsrichter Frank Willenborg Sekunden später abpfiff, mussten die Glückwünsche zum Sieg warten. Heynckes nahm erst einmal die Brille ab und verstaute sie in seinem Etui. Ordnung muss sein.

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