Bayern Münchens neunter Titel in Folge Und jetzt die Zehn!

Jubelnde Bayern-Spieler nach dem neunten Titel in Folge
Foto: Peter Kneffel / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Um fünf vor halb neun gab es noch ein Ringelreihen. In einem großen Kreis hüpften die Spieler des FC Bayern München auf und ab und sangen dazu dem Anlass entsprechend den Evergreen von den »Campeónes«. Nach nur zwei Runden war es dann schon wieder vorbei. Und weil Weißbierduschen im noch gültigen DFL-Hygienekonzept nicht vorgesehen sind, schlichen die Spieler mit ihren Titel-Shirts mit der Neun auf der Brust sehr schnell und sehr trocken in die Katakomben der Münchner Arena. Dort, wo sie eine gute Stunde vor Anpfiff ihres Spiels gegen Mönchengladbach (Ergebnis: 6:0) von der insgesamt 31. Deutschen Meisterschaft erfahren hatten, dank Leipzigs Niederlage in Dortmund.
Ein alles in allem skurril anmutender Meisterfeierabend am Ende einer komplizierten Saison, die der FC Bayern mit der neunten Meisterschaft in Serie noch versöhnlich zu Ende gebracht hat. Dass das famose Triple, das in den Monaten danach noch zu einem Titel-Sixpack angeschwollen war, nicht wiederholt wurde, das wäre an sich verschmerzbar gewesen. Eher schwierig und ziemlich ernüchternd waren für den Klub aber vor allem die Begleitumstände, der alles überlagernde Machtkampf zwischen Hansi Flick und Hasan Salihamidžić.

Getrennte Weg: Hasan Salihamidžić (l.) und Hansi Flick
Foto: Alexander Hassenstein / Getty ImagesEin Konflikt, der dazu führte, dass Flick am Ende nicht mehr mochte und nach dem siebten Titel in seinen 18 Monaten als Cheftrainer die Bayern nun verlassen wird. Auch ohne die Ankündigung von Joachim Löw, nach der EM als Bundestrainer aufzuhören: Flick, der als Favorit auf die Nachfolge gilt, hätte wohl so oder so hingeworfen.
Als Flick nach der 6:0-Gala gegen Gladbach zu seiner Zukunft gefragt wurde, entgegnete er, dass zwar noch keine finale Entscheidung pro DFB gefallen sei. Er erinnerte aber ausdrücklich an seine gute Zusammenarbeit mit Oliver Bierhoff während seiner Zeit als Co-Trainer unter Löw. Flick sprach von »enormer Loyalität, enormer Wertschätzung«, die er dort in den acht Jahren zwischen 2006 und 2014 erfahren habe. Loyalität und Wertschätzung, die er auch bei den Bayern gerne gehabt hätte, aber nie wirklich bekam.
Selbstkritik bei den Verantwortlichen
Zum einen, weil sie, wie man zuletzt aus dem Klub hörte, nicht restlos überzeugt waren, dass Flick der Richtige sei, die Zukunft zu gestalten. Zum anderen, weil sie es versäumten, den Dauerzoff zwischen Trainer und Sportvorstand zu moderieren. Vor Anpfiff sagte der künftige Vorstandschef Oliver Kahn: »Als Verantwortliche stellen wir uns auch Fragen, wo hätten wir eingreifen und wo es laufen lassen können. Während einer Saison ist das nicht so einfach. Jetzt werden wir in uns gehen und zurückschauen, was haben wir gut gemacht und was nicht.« Es klang fast schon wie ein zarter Hauch von Selbstkritik.
Dazu passt, was man in den vergangenen Tagen im Hintergrund aus höheren Klubkreisen hörte, ganz gut. Dass man die »Sprengkraft des Konflikts unterschätzt« habe, heißt es, dass man vielleicht eher ein Machtwort hätte sprechen müssen, um Flick vielleicht doch zu halten. Nun geht Flick eben.
Dass sie Julian Nagelsmann dank einer Ablösesumme von kolportierten 15 Millionen Euro plus Bonuszahlungen an RB Leipzig sehr schnell als Nachfolger präsentieren konnten, ersparte den Bayern zumindest weitere störende Nebengeräusche bei der Suche nach einem neuen Trainer. Allein die Verpflichtung des Wunschkandidaten bedeutet freilich nicht, dass in der kommenden Saison alles leichter wird. Denn es gibt zu viele Unwägbarkeiten, die darauf hindeuten, dass auch die nächste Spielzeit knifflig wird.
Das geringste Problem dürfte das Verhältnis zwischen Trainer und der Mannschaft sein. Nagelsmann ist zuzutrauen, dass er aufgrund seiner fachlichen Kompetenz wie auch seiner sozialen Empathie einen guten Draht zu den Spielern haben wird. Fraglich ist vielmehr, wie entspannt die Beziehung zu den Bossen wird. Droht auch hier Konfliktpotenzial zum Sportvorstand, wenn er wie einst Flick nicht die Spieler bekommt, die er gerne hätte? Und dazu, wen werden die Bayern überhaupt noch holen für die kommende Saison?
Führungsspieler gehen
Vor einigen Wochen sagte Flick, dass der Kader der aktuellen Saison schwächer sei als derjenige der vorherigen Triple-Spielzeit. Und im Moment spricht viel dafür, dass das Personal in der nächsten Spielzeit noch mal weiter an Qualität einbüßt. Gerade mit David Alaba und Jérôme Boateng verlieren die Bayern zwei wichtige Führungsspieler, die mit ihren Ansagen und ihrer Körpersprache während eines Spiels Zeichen setzen konnten, die prägende Persönlichkeiten waren. Auch Routinier Javi Martínez geht, dessen sportlicher Wert zuletzt gering war, der aber nach neun Jahren beim FC Bayern enormen Anteil an der Entwicklung zu den Über-Bayern in der Bundesliga hatte.
Das designierte neue Innenverteidiger-Duo besteht aus Neuzugang Dayot Upamecano und Lucas Hernández, dazu gibt es Niklas Süle und Tanguy Nianzou, der am Samstag fünf Minuten nach seiner Einwechslung nach einer Notbremse schon wieder vom Platz flog. Keiner des Quartetts drängt sich nach derzeitiger Einschätzung in die Rolle eines wahren Abwehrchefs auf.

Dayot Upamecano kommt von RB Leipzig – wer noch?
Foto: KH / imago images/Karina HesslandUnd was ist mit einem weiteren Rechtsverteidiger? Dem Vernehmen nach suchen die Bayern weiter nach einer gleichwertigen Alternative für Benjamin Pavard, nachdem sich die vergangenen Verpflichtungen Álvaro Odriozola und Bouna Sarr auf dieser Position als Fehlinvestitionen entpuppten. Kommt noch einer fürs Mittelfeld, nachdem auch der von Salihamidžić immer so gelobte Neuzugang Marc Roca sich nie behaupten konnte? Und vor allem, schafft es der neue Trainer, nach den Stationen in Hoffenheim und Leipzig nun wirklich auch eine große Spitzenmannschaft wie den FC Bayern zu vielen Titeln zu führen? Kann Nagelsmann Bayern?
Spannend wird auch sein, wie reibungslos es Karl-Heinz Rummenigge und Kahn gelingt, bis Ende des Jahres den anstehenden Machtwechsel an der Klubspitze zu gestalten. Zuletzt schienen sich die beiden eher zu blockieren, allein in der Causa Flick, wo sich Rummenigge als Einziger aus der Führungsriege klar für einen Weiterverbleib des Trainers aussprach, während Kahn aufreizend provokant jedes Bekenntnis zu Flick verweigerte. Kurz, es herrscht bei den Bayern eine Gesamtgemengelage, die das Potenzial hat, auch die kommende Saison auf dem Weg zum zehnten Meistertitel in Folge kompliziert zu gestalten.
Der Rekord winkt
Läuft die Übergabe in der Führung glatt, gibt es zwischen Trainer und Vorstand mehr Harmonie als zuletzt und verstärken sich die Bayern noch auf neuralgischen Positionen, dann kann es natürlich auch eine sehr erfolgreiche Saison werden, dann könnten sie für einen Rekord sorgen. Zehn Meisterschaften in Serie, das gab es noch in keiner der europäischen Topligen. Sicher dürfte sein, dass es bei einer Feier zu einer La Decima im Mai 2022 wieder Fans im Stadion geben würde. Und dazu natürlich auch die Weißbierduschen.