FC Bayern So gut waren sie unter Guardiola noch nie
Die Antwort von Josep Guardiola kam sofort. Der Trainer des FC Bayern München war nach dem fulminanten 5:1-Erfolg im Champions-League-Spiel gegen den FC Arsenal gefragt worden, ob das jetzt der beste FC Bayern sei, seitdem er das Team vor gut zwei Jahren übernommen hat. Guardiola: "Ja." Warum? Diese Antwort dauerte dann ein bisschen länger.
Der 44-Jährige redet zurzeit sehr gerne und gut gelaunt von dem "Prozess", den er gemeinsam mit der Mannschaft durchläuft. "Wir kennen uns jetzt viel besser", sagt Guardiola, es brauche eben einfach Zeit, bis man "gut angreifen" könne.
Es gibt noch eine weitere Frage, die Guardiola zurzeit sehr schnell beantwortet - allerdings harsch und ausweichend. In den kommenden Wochen will der FC Bayern bekanntgeben, ob der Vertrag mit dem Trainer über Sommer 2016 hinaus verlängert wird. Angesichts der aktuellen Stimmung im Verein ist es schwer vorstellbar, dass zeitnah der Abschied des Spaniers verkündet wird.
Das Spiel gegen Arsenal hat zur guten Stimmung beigetragen, die Qualifikation für das Achtelfinale ist nur noch Formsache. Darüber hinaus machte die Partie deutlich, dass sich der Angriffsfußball Guardiolas tatsächlich weiterentwickelt: Eine englische Spitzenmannschaft, die zwei Wochen zuvor noch 2:0 gewonnen hatte, wurde demontiert, ihre Abwehr früh in Einzelteile zerlegt.

Der zweifache Torschütze Thomas Müller merkte an, man sei gut mit dem Druck umgegangen. "Wenn du gegen Wolfsburg und gegen Arsenal zur Halbzeit drei Tore geschossen hast, hast du schon ein gutes Spiel gemacht", sagte er mit Blick auf den Sieg im DFB-Pokal eine Woche zuvor. In den bislang noch wenigen wirklich wichtigen Spielen der Saison hat die Mannschaft stets ihre besten Leistungen gezeigt.
Die souveränen Auftritte haben freilich weitere Gründe. Fast genau vor einem Jahr brach sich Philipp Lahm im Training den Knöchel. Thiago und Javi Martínez fehlten da schon seit Monaten. Guardiola brachen mehr und mehr Spieler weg, die Bundesliga verkam zur taktischen Improvisation. Im Herbst 2015 tritt genau das Gegenteil ein: Ein Spieler nach dem anderen kehrt zurück. Sinnbildlich dafür steht Arjen Robben, der am Mittwochabend 37 Sekunden nach seiner Einwechslung in der 55. Minute zum 4:0 traf.
Die Mannschaft wirkt auch mental stabiler als in der vergangenen Saison, was Guardiola gerne mit Thiago erklärt: "Er hat diese Persönlichkeit. In wichtigen Spielen haben manche Spieler ein bisschen Angst. Thiago ist komplett anders, in wichtigen Spielen ist er der beste Thiago."
Seit Jahrzehnten gibt es rund um den FC Bayern eine Art Reflexfrage: Bricht nach einer Niederlage vielleicht eine Krise aus? Folgte dann gar ein weiterer Punktverlust, ist sie meist schon da. Selbst unter Guardiolas Vorgänger, dem Triple-Sieger Jupp Heynckes, war das phasenweise noch so. Zum Beispiel, als die Mannschaft im Oktober 2012 überraschend 1:3 bei Bate Borissow verlor.
Guardiola hat es geschafft, diesen Reflex im Umfeld zu unterdrücken. Niemand hat eine Krise ausgerufen, als die Mannschaft in London verlor oder in Frankfurt nur 0:0 spielte. Die Gegner hoffen auch gar nicht mehr auf eine Bayern-Krise, sie ergeben sich meist ihrem Schicksal. Bayerns Sportchef Matthias Sammer wiederholt nach gewonnenen Spielen immer wieder gerne, worum es unter Guardiola gehe: Man wolle jederzeit so auftreten, dass der Gegner denkt, nein, weiß: Er hat gegen Bayern keine Chance.
Die Gehirnwäsche scheint erfolgreich gewesen zu sein. Die Körpersprache eines Mesut Özil oder eines Alexis Sanchez kurz vor der Halbzeit waren jedenfalls ein Beleg dafür, dass dieser Glaube bisweilen schon von Weltklassespielern Besitz ergreift.
Die Bayern freilich kokettieren noch, die wichtigsten Spiele stünden ja erst im kommenden Jahr an. Wie weit es dort noch gehen könnte in der Champions League, wurde Müller nach dem Arsenal-Spiel gefragt. Es war spät geworden, kurz vor Mitternacht, Müller war bei der Dopingprobe. Doch auch er ließ sich noch eine schnelle und zugleich humorvolle Antwort einfallen: "Ach, wie weit kann es noch gehen? Wir wollen, dass es ganz weit geht. Es kann überall hingehen. Ich gehe jetzt nach Hause."
