FC Bayern München Meister ohne Feier
Zehn Minuten nach dem Schlusspfiff stand eine Mannschaft auf dem Ingolstädter Rasen, die nicht so recht zu wissen schien, wie es weitergehen soll. Der FC Bayern München war soeben Deutscher Meister geworden, dank eines 2:1-Sieges in einem kampfbetonten oberbayerischen Derby, und doch wirkte das Team ratlos.
Natürlich waren die Münchner zunächst zu ihren Fans gegangen und hatten einen Humba-Humba-Pogo getanzt. Genauso selbstverständlich hatte jemand die obligatorischen Meister-T-Shirts ausgepackt, laut denen es ja auch etwas Historisches zu feiern gab: "4ever" war darauf zu lesen - keinem Bundesliga-Team war es zuvor gelungen, die Meisterschale viermal in Serie zu holen. Sogar die zurzeit verletzten Arjen Robben und Holger Badstuber hatten es sich übergestreift, für sie hatte man schon vor dem Spiel extra neben der Ersatzbank der Bayern zwei zusätzliche Stühle bereitgestellt.
Doch als auch die Ingolstädter allmählich aufhörten, ihre famose Saison und den letzten Spieltag im eigenen Stadion zu feiern, standen plötzlich auch die Münchner nur noch herum. Sich euphorisch gehen zu lassen, das schien niemandem möglich zu sein. Weißbierduschen? Fehlanzeige. "Alles in Ordnung in der Kabine, es stand schon was bereit", sagte Manuel Neuer, fast schon entschuldigend dafür, dass die Stimmung nach dem Schlusspfiff so gehemmt gewesen war.
Den emotionalsten Moment liefert der Gegner
Der Torwart war einer von gerade einmal zwei Bayern-Spielern, die sich nach dem Triumph in der Interviewzone blicken ließen. Klar freue er sich. Doch er sagte eben auch: "Natürlich ärgern wir uns, dass wir am Dienstag in der Champions League ausgeschieden sind." Das Halbfinal-Aus gegen Atlético Madrid war auch am Samstag um 17.20 Uhr noch nicht vergessen.
Statt Partystimmung herrschte eine staatstragende Atmosphäre, dazu passten auch die Gäste, die sich in Ingolstadt eingefunden hatten. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), ein gebürtiger Ingolstädter, hatte der Mannschaft und Trainer Josep Guardiola persönlich zur 26. Meisterschaft gratuliert. Und der wiederum gratulierte anderen. Er hob den Erfolg auf eine höhere, zeitlose Ebene, indem er ihn mit seinem Vorgänger Jupp Heynckes teilte. "Er ist eine Legende", sagte er. Dieser Vierfach-Titel gebühre Heynckes mindestens so sehr wie ihm selbst.
Als ob er einem diplomatischen Protokoll folgte, bedankte er sich anschließend noch bei den Bundesliga-Weggefährten der vergangenen drei Jahre, "den Trainerkollegen, den Schiedsrichtern, allen Menschen in Deutschland".

Guardiola hatte zwar seine Spieler umarmt und beglückwünscht, doch während der Partie hatte er weder die Tore bejubelt, noch war er später mit dem Team zu den Fans gegangen. Im Gegensatz übrigens zu Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl, der sich ebenfalls von seinem aktuellen Klub trennt und zu RB Leipzig wechselt. Er verbeugte sich vor den FCI-Anhängern, obwohl es aus der Fankurve auch Pfiffe zu hören gab.
Richtig emotional wurde es auch auf der Pressekonferenz bezeichnenderweise erst, als Hasenhüttl auf Guardiola antwortete. "Du hast die Mannschaft noch einmal auf eine Stufe gehoben, die unglaublich ist. Und in so einem Moment so zu sprechen, davor habe ich vielleicht noch mehr Respekt", sagte Hasenhüttl.
Das Champions-League-Aus noch immer im Hinterkopf
Karl-Heinz Rummenigge fand nach Abpfiff noch die ehrlichsten Worte für die gedrückte Stimmung: "Es wird uns ein bisschen die Wunden wieder schließen lassen, die es am Dienstag sicher gegeben hat", sagte der Vorstandschef der Bayern. Theoretisch hätte die Mannschaft jetzt drei Tage Zeit zu feiern, erst am Mittwoch muss sie wieder zum Training erscheinen. Thomas Müller sagte aber nur, man werde sich "bemühen", die 84 Kilometer im Bus zurück zur Säbener Straße in München so schön wie möglich zu bestreiten.
Müller selbst war die personifizierte Erinnerung an die Schmach vom Dienstag. Diesmal durfte Robert Lewandowski in der 15. Minute einen Foulelfmeter zum 1:0 verwandeln, das brachte die Mannschaft einerseits auf die Siegerstraße. Andererseits trat da eben nicht, wie sonst immer, Müller zum Strafstoß an. "Ich habe am Dienstag verschossen, da kann ruhig mal ein anderer ran", beschwichtigte Müller. Trainer Guardiola sagte, er habe Lewandowski helfen wollen, Torschützenkönig zu werden.
Auch dieses Rennen dürfte der Konkurrent aus Dortmund verloren haben. Lewandowski erzielte noch das 2:0 (32. Minute) und hat mit seinen 29 Treffern nun vier Tore Vorsprung auf Pierre-Emerick Aubameyang.
Und doch wurde der BVB in den höchsten Tönen gelobt, die Mannschaft habe den Bayern alles abverlangt, es sei die schwerste seiner drei Meisterschaften gewesen, sagte Guardiola - und verriet dann noch, was er zu Beginn der Saison seiner Mannschaft mitgeteilt hatte: "Sie sind ganz anders als das Jahr davor, wir werden bis zum letzten Tag kämpfen müssen", so Guardiola. Da hatte er Recht. In seinem letzten Spiel mit den Bayern wartet Borussia Dortmund im DFB-Pokalfinale.
FC Ingolstadt - Bayern München 1:2 (1:2)
0:1 Lewandowski (15., Foulelfmeter)
0:2 Lewandowski (32.)
1:2 Hartmann (42., Foulelfmeter)
Ingolstadt: Özcan - da Costa, Marvin Matip, Hübner, Suttner - Groß, Roger, Cohen (63. Morales) - Hartmann (77. Hinterseer), Lezcano (82. Lex), Leckie
München: Neuer - Lahm, Martínez, Kimmich, Alaba - Alonso (46. Benatia), Thiago (89. Rode) - Costa, Thomas Müller, Ribéry (57. Rafinha) - Lewandowski
Schiedsrichter: Meyer (Burgdorf)
Gelbe Karten: Lex (2), Leckie (9) - Benatia (2), Thomas Müller (4), Lewandowski (2)