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Fazit des Bayern-Trainingslagers Offensive mit Pep

Schnell und entschlossen krempelt Pep Guardiola die Münchner Meistermannschaft um. Er hat ein noch offensiveres Spielsystem und rotierende Positionen eingeführt - und stellt nebenbei auch manche Hierarchie im Club in Frage.
Von Sebastian Winter

Pep Guardiola sitzt im blauen Poloshirt auf dem Podium, er soll ein Fazit ziehen nach dem Trainingslager seiner Mannschaft am Gardasee. Der Trainer des FC Bayern München nimmt einen Schluck aus dem halbvollen Glas Wasser, runzelte die Stirn und sagte: "Guten Tag. Ich glaube, wir sind ein bisschen besser als vor einer Woche. Ich bin zufrieden, das ist ein Schritt nach vorn." Punkt.

Nur wenig später erstaunt er die Zuhörer mit einer konkreten Ansage: Er will Barcelonas Mittelfeld-Talent Thiago Alcántara verpflichten. Das ist so ungewöhnlich wie frech. Und man ahnt, dass da einer sitzt, der auch seinem eigenen Arbeitgeber noch öfter unbequem werden dürfte.

Guardiola wirkte sehr entschlossen in dieser Woche am Gardasee. In seinen Worten, die er in täglich besserem Deutsch formuliert. Aber auch in seinem Auftreten auf und neben dem Platz. Mit den Spielern redet er ständig auf dem Rasen, oft heftig gestikulierend, manchmal fast ungeduldig. Im Training am Mittwochabend hat er kurz gezeigt, was er selbst noch am Ball kann: Ein 30-Meter-Schuss des 42-Jährigen landete im rechten oberen Toreck, und bei einer Kurzpass-Übung, die er wie selbstverständlich im Kreis seiner Spieler absolvierte, ärgerte er sich maßlos über eigene schlechte Pässe. "Meine erste Periode bei Barcelona war wie jetzt hier bei den Bayern: mit Drang", sagt Guardiola. Dieser Drang ist deutlich zu vernehmen.

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FC Bayern im Trainingslager: Zwei Siege und ein Wunschspieler

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ dpa

In den wenigen Tagen als Bayern-Trainer scheint Pep Guardiola bereits eines geschafft zu haben: seine Prinzipien durchzusetzen, auch gegen Widerstände. Er installierte ein 4-1-4-1-System mit absoluter Offensive, viel Zonenverteidigung, feste Positionen scheint es kaum noch zu geben. "Mein System ist sehr einfach: Rennen, rennen, rennen mit dem Ball, und elf Spieler helfen", sagt der Bayern-Trainer.

Blickdichter Trainingsplatz

Den nun im Raum stehenden möglichen Thiago-Transfer fädelte Guardiola ein, mit freundlicher Unterstützung seines Bruders Pere, der nicht nur sein Berater ist, sondern auch der Thiagos. Und das entgegen der Meinung des Bayern-Vorstands, der Pep Guardiola den Dortmunder Jungstar Mario Götze erst schmackhaft machen musste und sich nun einer neuen Situation gegenübersieht.

Guardiola verfügte zudem, dass etwa die Hälfte der Trainingseinheiten in Arco nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. Der Trainingsplatz der Bayern an der Säbener Straße wird blickdicht gemacht, vor Spielen darf künftig wohl niemand mehr zuschauen, erst danach. All diese Maßnahmen und sein forderndes, von Anspruchsdenken geprägtes Auftreten werden Guardiola nicht nur Freunde bringen.

Es kommt ein Mann zum Champions-League-Gewinner, der viel Macht und Einfluss hat im Fußballgeschäft. Weil er lange Zeit Spieler und Trainer Barcelonas war und nicht zuletzt durch seinen Bruder exzellente Kontakte hat. Der außerdem ziemlich genau weiß, was er will. Und was nicht.

Hoeneß angeschlagen, Rummenigge reibt sich auf

Dazu kommt, dass die Hierarchien im Verein nicht mehr so klar ausgeprägt sind wie in den vergangenen Jahren. Präsident Uli Hoeneß ist wegen seiner Steueraffäre extrem angeschlagen, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge leistet sich ermüdende Sticheleien mit Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Sportdirektor Matthias Sammer muss seine Rolle bei den Bayern neu definieren. Er hat selbst gesagt, dass er sein Augenmerk bislang zu wenig auf die eigene Jugendabteilung gelegt habe und besser mit den Talenten kommuniziert werden müsse.

Über den neuen Trainer sagte Sammer: "Die Tradition der Mannschaft und Pep Guardiolas Ideen prallen aufeinander." Zwei Welten also. Guardiola findet die Zusammenarbeit mit Sammer "sehr, sehr gut. Ich arbeite ohne Probleme mit ihm, er ist ein Superprofi, ein guter Mensch und er hat große Erfahrung in der Bundesliga".

Das klingt professionell, aber nicht vertraut. Man könnte es auch so lesen: Wenn Guardiola Sammers Hilfe braucht, dann nimmt er sie in Anspruch. Wenn er es selbst besser weiß, lässt er es sein. Das könnte häufiger passieren, als es Sammer lieb ist. Und es würde hervorragend passen zur neuen Autarkie im System Guardiola.

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