Bayerns Einzug ins DFB-Pokalfinale Pomadig nach Berlin

Beim Sieg im Pokalhalbfinale wirkt der FC Bayern müde und erstmals seit Wochen wieder verwundbar. Das 2:1 gegen Frankfurt zeigt, dass es dem Kader derzeit an Breite fehlt.
Von Florian Kinast, München
Ivan Perisic (r.) brachte den FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt in Führung

Ivan Perisic (r.) brachte den FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt in Führung 

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Kai Pfaffenbach/ dpa

Wenig war zu sehen von ekstatischem Jubel in Überschwang, von ausgelassener Freude. Der FC Bayern war gerade ins Pokalfinale in Berlin eingezogen, doch statt grenzenlos euphorisch wirkten die Spieler nur erleichtert, vor allem aber erschöpft. Beim 2:1 gegen Eintracht Frankfurt zeigte sich, dass die vergangenen anstrengenden Wochen mächtig Spuren hinterlassen hatten - und dass sich die Bayern trotz der derzeit phänomenalen Erfolgsserie Gedanken machen müssen: zum Kader der Zukunft.

"Das war eines der pomadigsten Halbfinale, das ich je gespielt habe"

Warum sie behäbig waren und platt, lag vor allem daran, dass Hansi Flick seit Wochen mit einigen ganz wenigen Ausnahmen immer die gleiche Startformation aufs Feld schickt, was wiederum zwei Gründe hat. Zum einen vertraut Flick gern einer eingespielten und erfolgreichen Mannschaft. Wenn es einmal läuft, ist er keiner, der - anders als manchmal sein Vorgänger Niko Kovac - gern herumexperimentiert und in aktionistischen Rotationsmodus schaltet, er vertraut auf das Altbewährte. Der zweite Grund aber ist schlicht und ergreifend: Flick hat nicht wirklich viele Alternativen. Zwischen den nun ziemlich müden Spielern auf dem Platz und denen auf der Bank herrscht gerade ein klares Gefälle.

Seit dem Neustart nach der Corona-Pause hatten die Bayern ihre Gegner nach Belieben hergespielt, doch an diesem Mittwochabend wirkte die Mannschaft gerade in der zweiten Halbzeit erstmals seit langer Zeit verwundbar. Verletzlich. Fast schon menschlich. Dementsprechend unzufrieden wirkte Thomas Müller, er bemängelte das "unsaubere Spiel", die mangelnde Chancenverwertung in der ersten Hälfte ("Da hätten wir schon 4:0 führen können") und die fehlende Aggressivität ("Pressing konnte man das nicht nennen"). Müllers Fazit mündete in dem schönen Satz: "Das war eines der pomadigsten Halbfinale, das ich je gespielt habe."

Ersatzmann Perisic empfiehlt sich

Dass es trotzdem für die Reise am ersten Juliwochenende in die Hauptstadt reichte, lag unter anderem an Ivan Perisic, der den verletzten Serge Gnabry ersetzte und zum Schlüsselspieler des Abends wurde. Weil er das 1:0 erzielte, weil er der frischeste aller Bayern-Spieler war, hellwach und ziemlich fit. 60 Minuten durfte er spielen, für den kroatischen Vizeweltmeister eine sehr überzeugende Stunde Bewerbungszeit in eigener Sache. Perisic, bis Saisonende von Inter Mailand ausgeliehen, möchte sehr gern in München bleiben, ob mit einer weiteren Leihe oder einem Kauf, all das ist noch eine Hängepartie. Nach der Partie gestern muss bezweifelt werden, ob ihn die Bayern-Bosse wirklich ziehen lassen.

Der Kroate Perisic ist seit dem vergangenen Sommer von Inter Mailand ausgeliehen

Der Kroate Perisic ist seit dem vergangenen Sommer von Inter Mailand ausgeliehen

Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERS

Vielleicht war Perisic auch angestachelt von der Aussage des Trainers, der sich am Vortag für Verstärkungen auf den Außenpositionen aussprach, um "mehr Breite in der Qualität" zu haben: "Ich glaube, da würde uns Tempo auch noch guttun, dass wir nachlegen können." Was durchaus auch als Anspielung auf eine baldige Verpflichtung von Leroy Sané interpretiert werden konnte.

Die von Flick angesprochene Breite in der Qualität ist aber im Moment nicht nur auf den Randpositionen das Problem - sondern im gesamten Kader. Vom Wunsch und dem Anspruch, jede Position doppelt besetzen und damit gleichwertig ersetzen zu können, sind die Bayern - natürlich auch bedingt durch etliche Verletzungen - gerade weit entfernt. So mühte sich beispielsweise Thiago in der letzten halben Stunde übers Feld, während auch der weiter glücklose Lucas Hernández kaum ins Spiel fand, beim Ausgleichstor durch da Costa drehte er eher halbherzig ab. Später kam noch der schon etwas ausgemusterte Javi Martínez zu einem Kurzeinsatz, weiter saßen als Feldspieler auf der Ersatzbank: Álvaro Odriozola, Sarpreet Singh, Joshua Zirkzee.

Rummenigge bleibt zurückhaltend

Natürlich, im Moment läuft ja noch alles bestens. Auch nach dem Frankfurter Ausgleichstor gerieten die Münchner nicht ins Taumeln, sie schüttelten sich und schossen durch Robert Lewandowski noch das Siegtor. Und auch angesichts dieser überragenden Serie mit 20 Siegen und einem Unentschieden aus den letzten 21 Pflichtspielen gibt es keinen Anlass, um aktuell von einem übermächtigen Problem zu sprechen. Die Bayern werden sich die Meisterschale sichern und sind auf dem besten Weg zum Double.

Doch was ist danach mit der Champions League, mit der angedachten Fortsetzung ab Mitte August? Es gilt als sicher, dass die Klubs dann mit dem noch aktuellen Kader ohne etwaige Neuverpflichtungen nach dem 1. Juli antreten müssen. Was, wenn sich bis dahin noch mehr Spieler verletzen? Dann hätten die Bayern ein echtes Problem. Viel darf nicht passieren. Und was ist mit nächster Saison?

So wenig abzuschätzen ist, wie auch Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge vor dem Spiel noch einmal betonte, wie sich in diesem Jahr der Transfermarkt entwickeln wird: Leroy Sané würde das Team sicher bereichern - für die nötige Breite und Balance wäre er aber noch zu wenig.

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