

Zum Schluss dieses unerfreulichen Nachmittags, eine Stunde nach dem dürftigen 2:2 gegen Mainz 05, zitierte Mats Hummels noch seinen alten Trainer aus Dortmunder Tagen: "Jürgen Klopp hat einmal gesagt: 'Es gibt keine leichten Spiele, wenn man sie sich vorher einfach vorstellt.' Ich finde den Satz noch immer ganz passend. Wenn man sich denkt, es wird ein Spaziergang, dann wird es meistens keiner." Hummels war als Letzter aus der Bayern-Kabine gekommen, er blickte dabei genauso leer und frustriert drein wie seine Mitspieler, Arjen Robben etwa oder Thomas Müller.
Sie alle mussten erkennen: Zu einem leichtfüßigen Spaziergang war der FC Bayern an diesem Samstag einfach nicht in der Lage, vier Tage nach dem dramatischen Aus in der Champions League bei Real Madrid. Stattdessen humpelten und stolperten sie schwerfällig über den Platz, mental noch immer auf den Krückstock gestützt. Der Dienstagabend hatte länger als gedacht seine Spuren hinterlassen, die Wunden waren noch immer nicht vernarbt. So analysierte Müller die Stimmungslage ganz treffend: "Real hängt uns noch immer nach, auch wenn es uns nicht nachhängen sollte. Wir sind ja Profis." Dann sagte er: "Aber wir sind eben auch Menschen."
Thomas Müller
Foto: AFPDie Partie gegen Mainz war die vermutlich undankbarste der gesamten Saison. Auch wenn Carlo Ancelotti noch am Freitag beschworen hatte, die 120 Minuten von Madrid seien abgehakt: Sie waren es eben nicht. Die Spieler waren nicht in der Lage, sich für die nötige Konzentration und Konsequenz zu motivieren. Es war für sie nicht möglich, sich nach dem rauschenden Duell mit einer der aktuell weltbesten Mannschaften nun in solch einem Pflichtkick gegen einen Bundesliga-Abstiegskandidaten durchzusetzen. Deshalb musste auch der Trainer nach der Partie erklären: "Nach dem Schock von Madrid war es heute schwierig für uns." Sichtlich schwer tat sich aber auch Ancelotti selbst, die vergangen 14 Tage, seine bisher bitterste Zeit beim FC Bayern, zu verarbeiten.
Richtungsweisendes Pokalspiel gegen Dortmund
Noch vor zwei Wochen hatten die Münchner beim 4:1 gegen Dortmund eine furiose Gala gefeiert und hohe Fußballkunst zelebriert. Dann begannen die Verletzungssorgen, es folgte das Hinspiel gegen Real (1:2), ein 0:0 in Leverkusen, das packende 2:4 in Madrid, nun ein Remis gegen Mainz. Vier Spiele ohne Sieg, ganz schnell hat sich Ratlosigkeit und Freudlosigkeit breitgemacht in München. Statt sich über Triumphe zu freuen, herrscht plötzlich Trübsinn. Natürlich konnten sie dabei am Samstag mit Recht noch auf die Enttäuschung gegen Real verweisen. In der kommenden Woche können sie das nicht mehr.
Das Spiel am Mittwoch im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund (20.45 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE) wird nicht nur über den Einzug ins Finale nach Berlin entscheiden. Es wird auch richtungsweisend für die kommenden Wochen bis Ende Mai. Mit einem Sieg können sich die Bayern das derzeit abhandengekommene Selbstvertrauen zurückholen, um die Saison seriös und erfolgreich zu Ende zu spielen - und um mit Meisterschaft und Pokal wenigstens das Double zu holen. Geht nun aber auch das Spiel gegen Dortmund verloren, dann ist zu befürchten, dass ein mächtiges Stimmungstief Einzug halten wird, wie man es in München jahrelang nicht mehr erlebt hat.
Sicher, die fünfte Deutsche Meisterschaft in Serie dürfte niemand ernsthaft infrage stellen. Selbst bei einem Leipziger Sieg am Sonntag auf Schalke haben die Bayern noch sechs Punkte Vorsprung. Allerdings waren es auch schon einmal 13, vor genau einem Monat nämlich, als Präsident Uli Hoeneß das Titelrennen schon für entschieden erklärte. So quälen sich die Bayern also eher zur Meisterschaft und üben sich stattdessen lieber noch in Wehklagen über vermeintliche Ungerechtigkeiten der Vergangenheit.
Rummenigge hadert immer noch mit Kassai
So wie bei Karl-Heinz Rummenigge, der im Vorwort des Stadionmagazins den FC Bayern bezüglich des Spiels in Madrid immer noch in der Opferrolle sah. Nach seiner Klage bei der Bankettrede in Madrid ("Ich spüre eine Wut in mir" - "Wir sind beschissen worden") legte der Klubboss noch einmal nach, zählte einzeln die Fehlentscheidungen von Schiedsrichter Viktor Kassai auf (allerdings nur die gegen die Bayern und nicht die gegen Real) und schrieb: "Wir sind nicht bloß unglücklich ausgeschieden, sondern auch unverdient." Eine Meinung, die er wohl exklusiv haben dürfte.
Realistischer sah es da Hummels, der nach dem Remis gegen Mainz erklärte: "Madrid ist verdient weitergekommen, und wir in der Mannschaft haben nicht drei Tage auf Kassai geschimpft, sondern uns selbst hinterfragt." Hinterfragen müssen sie sich vor allem vor dem kommenden Mittwoch noch einmal, in Sachen Einstellung, Begeisterung, Leidenschaft.
Zumindest wird dann niemand den alten Klopp-Spruch bemühen. Leicht stellt sich das Spiel gegen Dortmund sicher keiner vor.
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Erneuter Rückschlag für den deutschen Rekordmeister: Gegen Mainz kamen die Bayern nicht über ein Remis hinaus. Die Münchner haben damit auch das vierte Pflichtspiel in Folge nicht gewonnen. Das gab es zuletzt im April/Mai 2015 - als das Team bereits Meister war.
Schon in der dritten Minute erzielte Bojan Krkic die Führung der Gäste. Es war das erste Tor für den Spanier seit seinem Wechsel nach Mainz. Damit ist Krkic der siebte Profi, der in allen vier großen Ligen (Deutschland, England, Italien, Spanien) getroffen hat.
Das Münchner Verletzungspech in der Defensive geht unterdessen weiter. Kurz nach dem Ausgleich musste David Alaba, der für den verletzten Jérôme Boateng in die Innenverteidigung gerückt war, wegen Oberschenkelproblemen vom Platz. Joshua Kimmich kam für den Österreicher.
Den Bayern gelang der schnelle Ausgleich: Arjen Robben traf mit einem platzierten Schuss aus spitzem Winkel (15. Minute).
Noch vor der Pause gingen die Mainzer ein zweites Mal in Führung. Kimmich foulte Yoshinori Muto, Daniel Brosinski trat zum Strafstoß an und verwandelte. Bayern-Torwart Sven Ulreich war noch am Ball, konnte den Versuch aber nicht mehr entscheidend ablenken.
Aber die Bayern kamen erneut zurück: Thiago erzielte durch einen platzierten Schuss das 2:2. Wenig später hätte es nach einem Foul an Robert Lewandowski Elfmeter geben müssen, der Pfiff blieb aus. Auch mit dieser Schiedsrichterleistung werden die Münchner nicht zufrieden sein.
Aber trotz des Punktgewinns: Das Münchner Selbstverständnis bröckelt durch den Negativlauf. Und am Mittwoch treffen die Bayern im Pokal-Halbfinale auf Borussia Dortmund.
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