Bayerns Niederlage gegen Hoffenheim Geblendet von sich selbst

Serge Gnabry ärgert sich über seine vergebene Chance in der Schlussphase
Foto:Matthias Balk/ dpa
"Das sind wir ja schon gewohnt", erwiderte Sportdirektor Hasan Salihamidzic auf die Frage, ob es um die Stimmung wohl nicht ganz so prima vor dem traditionellen Oktoberfestbesuch der Mannschaft am Sonntag bestellt sein wird.
Denn schon in den vergangenen Jahren war die Laune getrübt, 2017 prostete man sich am Tag nach einem 2:2 gegen Wolfsburg zu, im vergangenen Jahr galt es, den Frust über ein 0:3 daheim gegen Gladbach am Vortag runterzuspülen. Die bis zum Samstagnachmittag letzte Heimniederlage in der Bundesliga. Nun schreiten die Bayern am Sonntagmittag erneut bereits verkatert ins Bierzelt - nach diesem ernüchternden 1:2 zu Hause gegen Hoffenheim. Eine Pleite, die man nicht erwartet hatte, vier Tage nach dieser fulminanten Gala am Dienstag, als die Bayern wie berauscht von sich selbst die Spurs aus Tottenham mit 7:2 demütigten.
Im Bundesliga-Alltag sind die Bayern geblendet von sich selbst
Ein Erfolg, der vermutlich doch viel zu hoch ausfiel, der viel zu leicht zustande kam. Ein knapper, hart erkämpfter Sieg am Dienstag mit dem entscheidenden Treffer kurz vor Schluss, das hätte ihnen wohl besser getan. Denn wie sich am Samstag im grauen Bundesliga-Alltag zeigte, waren die Bayern noch zu sehr geblendet von sich selbst. Zu überzeugt waren sie, zu euphorisiert. Selbst der etatmäßige Chefmahner vom Dienst, Karl-Heinz Rummenigge, hatte sich am Dienstag hinreißen lassen, die Mannschaft in den höchsten Tönen zu loben und auf warnende Worte zu verzichten.
Von der Realität eingeholt zu werden, geht in diesem Geschäft dann doch ganz schnell. So schön es sein mag, ein Topteam um Harry Kane und Co. auswärts vorzuführen: Umso bitterer, wenn man sich kurz darauf zu Hause gegen bislang schwächelnde Hoffenheimer blamiert - und dabei von einem gewissen Sargis Adamyan zwei Tore eingeschenkt bekommt.

Sargis Adamyan schnürt gegen die Bayern sein Doppelpack und schießt die TSG zum Sieg
Foto: Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty ImagesAls Manuel Neuer sprach, konnte man zwischen den Zeilen gut heraushören, dass man nach der Sieben-Tore-Nacht von London Hoffenheim eben doch unterschätzt hatte: "Es war ein Warnhinweis für uns, dass man nichts geschenkt bekommt." Niko Kovac sprach von einer "Kopfsache". Und vielsagend war auch die Aussage von Sportdirektor Salihamidzic nach Abpfiff: "Jetzt haben wir die Bundesliga doch wieder spannend gemacht." Als hätten sie sich nach der Eroberung der Tabellenspitze vor einer Woche auf dem Weg zur Meisterschaft schon unantastbar gesehen und uneinholbar.
Müller wird zum dauerhaften Reservisten und Martínez weint auf der Bank
Eher überraschend hatte Niko Kovac genau die Elf auf den Platz geschickt, die am Dienstag in Tottenham die zweite Halbzeit begann. Viel hatte dafür gesprochen, dass Thomas Müller von Beginn an ran durfte. Doch die Aussage von Niko Kovac vor Spielbeginn ließ tief blicken, als er am Sky-Mikrofon erklärte, dass Müller sicher ein wichtiger Spieler sei, dann aber sagte: "Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen." Was nichts anderes heißt, als dass Müller damit zum dauerhaften Reservistendasein degradiert wird - sofern sich kein anderer Offensivspieler verletzt.
"Nothing to say", blieb Müllers einziges Statement nach dem Spiel. Denn ehrlich zu sagen, wie er sich wirklich fühlt, wäre vermutlich auch nicht gut angekommen bei der Klubführung.
Keine Stellungnahme gab es auch von Javi Martínez. Der Spanier saß vor Anpfiff traurig und sichtlich bewegt auf der Bank, Bilder zeigten, wie er sich durch die Augen wischte und von Co-Trainer Hansi Flick in den Arm genommen wurde - unklar blieb zunächst, warum.
Javi Martinez verließ eben wortlos die Arena. Kein Kommentar zu den Bildern. [@kerry_hau] pic.twitter.com/E8Xy7poufy
— FC Bayern News (@iMiaSanMia_GER) October 5, 2019
Hasan Salihamidzic jedenfalls sagte auf die Frage, ob Martínez aus sportlichen Gründen wegen der Nichtberücksichtigung so traurig gewesen sei: "Ja, ich denke schon. Nicht, dass ich etwas anderes wüsste. Natürlich ist das auch ärgerlich für Javi. Aber wir haben viele Spiele, in denen Javi noch eine Chance bekommen wird."
Ein grummelnder Müller, ein trauriger Martínez. Ein kleiner Anflug von Reizklima, eine leicht angeraute Brise, die an diesem frischen Oktobernachmittag zu spüren war, weit weg noch freilich von den großen Herbststürmen, die in den vergangenen zwei Jahren den FC Bayern durcheinanderwirbelten: 2017, als Carlo Ancelotti rausgeworfen wurde. 2018, als Niko Kovac eine wochenlange Krise überstand und im letzten Moment seinen Job rettete.
Trotz Stimmungstief geht's erstmal auf die Wiesn
Viel tun kann Kovac nun erst einmal nicht. Das Stammpersonal ist in den nächsten eineinhalb Wochen bei den Länderspielen mit ihren Nationalmannschaften im Einsatz, zurück an der Säbener Straße bleibt eine Rumpftruppe. Darunter auch Thomas Müller und Javi Martínez.
Erst einmal aber ist Wiesn. Mag die gute Stimmung überschaubar sein, immerhin muss sich hier keiner der Profis benachteiligt fühlen. Im Bierzelt am Sonntag gibt es keine Vorzugsbehandlung. Im Bierzelt sitzen alle auf der Bank.