
Frühe Trainerentlassungen im Fußball Vier Doofe, ein Gedanke


David Wagner (bei seinem letzten Spiel als Schalke-Trainer)
Foto:Moritz Mueller / imago images/Moritz Müller
Der Fußball wird von ungeschriebenen Gesetzen gesteuert. Eines lautet: Der Trainer ist das schwächste Glied und muss bei Misserfolg gehen - oder "Verantwortung übernehmen", das klingt etwas professioneller. Man kann ja nicht die ganze Mannschaft austauschen. Hinter diesem Argument verstecken sich die Fußballführungskräfte gerne.
Dabei zeigt die aktuelle Entwicklung, dass es vielmehr ein strukturelles Versagen auf der Management-Ebene gibt.
In den vergangenen Tagen wurde das ungeschriebene Gesetz in den höchsten drei Ligen gleich viermal exekutiert: David Wagner ist seit Sonntag nicht mehr Trainer beim Bundesligisten FC Schalke. Einen Tag später musste Achim Beierlorzer in Mainz gehen. Bei Zweitligist Würzburger Kickers erwischte es Michael Schiele, und noch eine Liga tiefer wurde Boris Schommers in Kaiserslautern beurlaubt. Alle vier Trainer eint eine Tatsache: Sie hatten die ersten beiden Saisonspiele verloren. Zwei von 34 respektive 38 Partien.
Nun darf man die vier Entscheidungen nicht pauschal gleichsetzen. Es gibt individuelle Ausgangslagen, und es lassen sich vereinzelt Argumente finden, die eine Rechtfertigung erlauben:
Wagner hatte auf Schalke schon in der vergangenen Rückrunde nur ein Spiel gewonnen. Der sportliche Trend war für diesen großen Klub besorgniserregend.
In Mainz soll es bereits in der vergangenen Saison zu atmosphärischen Störungen zwischen Beierlorzer und Teilen der Mannschaft gekommen sein.
Schiele hatte die Kickers zum überraschenden Aufstieg geführt. Doch der ambitionierte Sponsor und dessen Fußballchef Felix Magath denken größer und zögerten lange mit der Weiterverpflichtung des Trainers.
Kaiserslautern steckt in einem Insolvenzverfahren. Das allein macht die Entlassung brisant, denn Schommers muss - wie die anderen Trainer auch - zunächst weiterbezahlt werden. Der FCK spricht nun davon, in der sportlichen Ausrichtung nicht auf einen Nenner mit dem Coach gekommen zu sein.
Vier Klubs, vier Entscheidungen, eine Lesart: Die Zweifel an der Arbeit der Trainer waren nicht neu, sie sind über Monate gewachsen. Und doch wurde im Sommer entschieden, mit Wagner, Beierlorzer, Schiele und Schommers in die Saison zu gehen. Sie durften eine komplette Vorbereitung verantworten, bei Transfers mitentscheiden, die taktische Ausrichtung der Mannschaft bestimmen.
Wenn die Verantwortlichen vor drei Monaten eine Trennung beschlossen hätten, wäre es womöglich nicht populär gewesen. Doch genau das sollten Manager, Vorstände oder Sportchefs tun, wenn es größere Bedenken gibt: unpopuläre Entscheidungen treffen, um die Vereine voranzubringen. Denn nun steigen neue Trainer ein, die keine Vorbereitung bekommen, mit fertigen Kadern auskommen müssen und deshalb weniger gestalten können.
Zu den ungeschriebenen Gesetzen im Fußball gehörte es lange, dass es auf der Managementebene häufig reichte, Ex-Spieler zu sein, möglichst mit sogenanntem Stallgeruch. Es gibt jetzt zwar, zumindest in der Bundesliga, gegenläufige Tendenzen. Ex-Profis wie Thomas Hitzlsperger (Klubchef VfB Stuttgart), Simon Rolfes (Sportchef Bayer Leverkusen), Sebastian Kehl (Leiter Lizenzspielerabteilung Borussia Dortmund) und Hasan Salihamidzic (Sportvorstand FC Bayern) kombinieren Stallgeruch mit einer gewissen Intelligenz.
Aber das viel größere, strukturelle Problem blieb bisher dennoch bestehen: Immer noch gibt es keine einheitliche Ausbildung zum Fußballmanager, wie es etwa bei den Trainern der Fall ist, die eine Fußballlehrerausbildung erfolgreich abschließen müssen, bevor man ihnen eine Mannschaft anvertraut.
Bei den Geschicken ganzer Vereine aber verzichtete man bisher darauf, obwohl es sich oft um Wirtschaftsunternehmen mit Umsätzen im dreistelligen Millionenbereich handelt.
Der deutsche Fußball hat dieses Defizit immerhin erkannt. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) starten im Oktober das Programm "Management im Profifußball", 14 Teilnehmer sind angemeldet, darunter Schalkes Ex-Profi Sascha Riether, der dort mittlerweile als Koordinator der Lizenzspielerabteilung arbeitet. Vielleicht bringt er ja den einen oder anderen Tipp für Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider mit.
Einer sollte zum Gesetz werden: Wer nach zwei Spieltagen den Trainer entlässt, hat vorher etwas falsch gemacht.