Schalkes fataler Fehlstart Und kein Ende der Sorgen in Sicht

Schalkes David Wagner am letzten Spieltag vor seiner Entlassung
Foto:Dean Mouhtaropoulos / Getty Images
Der Regen prasselte auf das Arena-Dach, die Spieler brüllten sich oder den Schiedsrichter an: Es war recht laut auf Schalke, auch wenn die Ränge wegen der hohen Infektionszahlen in Gelsenkirchen leer bleiben mussten.
Ganz am Ende eines für die Gastgeber mal wieder ernüchternden Fußballspiels ging der Lärmpegel beinahe an die Schmerzgrenze. Die Tormusik schallte durch die Arena. Das klang bizarr, denn es klang, als gebe es etwas zu feiern für den FC Schalke 04. Aber nur Zyniker sahen in dem Treffer von Mark Uth in der Nachspielzeit zum 1:3 gegen Werder Bremen einen Grund zu feiern.
Jochen Schneider, der Vorstand für die Ressorts Sport und Kommunikation, verließ die Arena, ohne öffentlich über das Spiel oder die Situation von Trainer David Wagner zu sprechen. Am Morgen danach war klar, warum: Der Verein hat Wagner erwartungsgemäß freigestellt.
Ein neuer Trainer wird einen Kader vorfinden, der Mängel in vielen Bereichen aufweist. Allerdings weist er auch grundsätzlich die Fähigkeit auf, den Klassenerhalt in der Bundesliga zu schaffen. Das sollte sogar recht mühelos gelingen, wenn die elementaren Fehler - wie etwa die bei Standardsituationen in der Defensive - abgestellt werden. Voraussetzung ist, dass die Spieler ein Grundvertrauen zurückgewinnen.
Bei manchen Profis, die am Samstag in der Startelf standen oder auf der Bank saßen, durfte das Grundvertrauen in Wagner zumindest angezweifelt werden. Ralf Fährmann, Nabil Bentaleb, Sebastian Rudy, Mark Uth - sie alle wurden zunächst an andere Vereine ausgeliehen, seitdem Wagner im Juli 2019 beim FC Schalke begann. Manche von ihnen äußerten gar den Wunsch, bei ihrem neuen Verein zu bleiben. Nun sollen sie, wie Sportvorstand Schneider in der vergangenen Woche sagte, "den Karren aus dem Dreck ziehen".
Tatsächlich könnte man ob einer sehr ordentlichen Phase nach der Pause, in der Schalke zu mehreren Tormöglichkeiten kam, den Eindruck gewinnen, das dies gelingen könnte. Doch ein Foul von Ozan Kabak, das zu einem Elfmeter führte, beendete diese Phase nach nicht einmal einer Viertelstunde.

Hatte nicht seinen besten Tag: Schalkes Ozan Kabak (gegen Bremens Niclas Füllkrug)
Foto: Guido Kirchner / dpaOzan Kabak ist ein 20 Jahre alter, sehr talentierter Innenverteidiger. Doch dieser Samstag war nicht seiner. Vor dem Eckstoß, der zum 0:1 führte, misslang ein Klärungsversuch. Viele Zweikämpfe wirkten hölzern, das gipfelte in dem Elfmeterpfiff und einer Gelben Karte. Ein taktisches Foul an der Mittellinie brachte ihm in der 85. Minute dann Gelb-Rot ein. Er wird damit im kommenden Spiel bei RB Leipzig fehlen.
Es könnte aber auch noch zu einer längeren Sperre kommen, denn in der ersten Halbzeit spuckte Kabak in Richtung seines am Boden liegenden Gegners Ludwig Augustinsson. "Es war keine Absicht, die Sicht von außen täuscht", schrieb Kabak noch am Abend bei Twitter.
Ich möchte mich bei Ludwig Augustinsson entschuldigen. Es war keine Absicht, die Sicht von außen täuscht. Ich habe so etwas noch nie gemacht und werde es auch niemals tun, da es einfach unsportlich ist. Dies war sehr unglücklich. In jedem Fall, Entschuldigung an Ludwig.
— Ozan KABAK (@ozankabak4) September 26, 2020
Es ist zu vermuten, dass weder Schiedsrichter Markus Schmidt noch Videoassistent Sascha Stegemann das Spucken in zeitlicher Nähe zur Aktion wahrgenommen haben. Daher könnte der Kontrollausschuss des DFB noch tätig werden und gegebenenfalls ermitteln. "Eine klare Rote Karte", sagte Bremens Trainer Florian Kohfeldt, nachdem er sämtliche Argumente aufgezählt hatte, die für Kabak sprechen. David Wagner nahm seinen Spieler in Schutz: "Die Szene sieht wahnsinnig unglücklich aus, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es keine Absicht war, auch wenn die Bilder das nicht hergeben."
Ein historisch schlechter Start in die Liga nach dem 0:8 zuvor bei den Bayern, ein nach zwei Spielen entlassener Trainer, ein wichtiger Profi, dem eine längere Sperre droht, schwach besetzte Positionen im Kader, ein leeres Stadion und ohnehin finanzielle Engpässe: Die Sorgenliste des FC Schalke ist lang - und hiermit noch nicht zu Ende.

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Im Hintergrund schwelt zudem die Sorge vieler, auch einflussreicher Fans, dass Clemens Tönnies auch ohne Amt weiter wichtig für den Verein sein könnte. "CT und Vorstand dicht an dicht, alles beim Alten?", war am Samstag auf einem Banner an der Arena zu lesen. Es bezog sich auf Tönnies, der zwar kein Amt mehr hat, in München aber dennoch mit der Schalker Delegation auf der Tribüne saß. Von der Anfang Juli angekündigten Transparenzoffensive des FC Schalke 04 scheint wenig übrig geblieben.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text nach Schalkes Trennung von David Wagner aktualisiert.