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Fifa-Chef Blatter Suspendiert - und trotzdem gewonnen

Blatter, Platini - beide Verbandsbosse sind gesperrt: Das war überfällig, abgeschlossen ist die Aufklärung damit aber noch lange nicht. Wie geht es weiter mit der Fifa? Der Überblick.

So merkwürdig das klingt, aber ein Sieger des Tages ist der suspendierte Joseph Blatter.

Denn durch den Beschluss der hausinternen Ethikkommission sind zwei Kandidaten für die Fifa-Präsidentschaft verhindert worden, so wie es der Schweizer wollte: Michel Platini und Chung Mong-Joon.

Das Verdikt der rechtsprechenden Ethikkammer, die vom deutschen Richter Hans-Joachim Eckert geleitet wird, ist einmal mehr merkwürdig. Das gesamte Verfahren bleibt dubios, denn gleiches Recht gilt in der Fifa unter Richter Eckert nicht für alle Funktionäre.

Warum Blatter nicht für die gesamte Zeit des Strafverfahrens suspendiert wurde, das in einen Strafprozess münden könnte, ist schwer nachzuvollziehen. So könnte der Fifa-Chef im Januar in sein Amt zurückkehren. Ausgeschlossen ist das keineswegs. Allerdings könnten weitere Enthüllungen Blatters schleichenden Abschied aus dem Home of Fifa finalisieren.

Diejenigen Fifa-Bosse und Manager, die Ende Mai in Zürich verhaftet und von der US-Justiz angeklagt worden sind, hatte die Ethikkammer übrigens noch am selben Tag suspendiert. Es dauerte nur wenige Stunden, bis Eckerts vorläufiger Richterspruch schriftlich verbreitet wurde.

Bei Valcke und Blatter dauerte es Wochen, die Entscheide liegen noch nicht vor, verbreitet wurde lediglich eine dürre Meldung, die auf "Vertraulichkeit" verweist. Wichtige Fragen dazu blieben von der Ethikkommission bislang unbeantwortet. Unabhängigkeit und Transparenz dieser Ethikkommission müssen einmal mehr in Zweifel gezogen werden.

Was ist am Donnerstag passiert im Königreich Fifa? Was ändert sich durch einen Beschluss der sogenannten Ethikkommission?

  • Neuer Fifa-Präsident kann nach Lage der Dinge nur Tokyo Sexwale aus Südafrika  sein, der einst mit Nelson Mandela auf Robben Island im Gefängnis saß und es nach dem Ende des Apartheid-Regimes vom ANC-Funktionär zum Unternehmer und Multimillionär gebracht hat.
  • Michel Platini, Uefa-Vizepräsident und Fifa-Vize, wurde ebenfalls 90 Tage suspendiert. Zwar läuft gegen ihn kein Strafverfahren wegen der dubiosen Überweisung von zwei Millionen Schweizer Franken, doch das kann sich schnell ändern. Die Bundesanwaltschaft könnte die Auskunftsperson Platini jederzeit zum Beschuldigten erklären, denn die Gründe dafür, warum Blatter im Februar 2011 Geld an den Franzosen zahlte, konnten weder Blatter noch Platini belegen. Dieser kann von der sogenannten Ad-hoc-Wahlkommission, die von Domenico Scala geleitet wird, schwerlich als Präsidentschaftskandidat zugelassen werden, denn am Tag des Meldeschlusses am 26. Oktober ist er noch immer suspendiert. Und die entscheidende Frage (abgesehen von seinen vielfältigen Katar-Verstrickungen), warum er 2011 die Millionen von Blatter kassierte und kurz darauf die europäischen Fifa-Mitgliedsverbände auf den Schweizer einschwor, der damals gegen Mohamed Bin Hammam aus Katar um die Präsidentschaft kämpfte, bleibt unbeantwortet.
  • Als Fifa-Präsident wurde am Donnerstag der Rangordnung entsprechend der bisherige Senior Vice President Issa Hayatou vorgestellt, der Sohn eines Sultans aus Kamerun. Hayatou hat von der einstigen Fifa-Partneragentur ISL Schmiergeld kassiert und steht zudem in dringendem Verdacht, aus Katar für seine Stimme bei der Vergabe der WM 2022 eine Millionensumme kassiert zu haben. Ihm werden noch allerlei andere unethische Sachverhalte angelastet. Bis Ende vergangenen Jahres hat er den Franzosen und ehemaligen ISL-Boss Jean-Marie Weber immer wieder mit Aufträgen im afrikanischen Fußballverband CAF versorgt. Weber ist jener Mann, der den größten Teil der gerichtsfest verbrieften 142 Schmiergeldmillionen der ISL verteilte, meistens in bar, und der die Namen aller Schmiergeldempfänger nicht preisgeben will und wird.
  • Bleibt der Koreaner Chung Mong-Joon, Milliardär, Sohn des Hyundai-Gründers und langjähriger Fifa-Vizepräsident. Chung wurde sechs Jahre gesperrt, weil er während der WM-Bewerbung Südkoreas für 2022 ein gigantisches sogenanntes Entwicklungshilfeprogramm auflegen wollte. Chung soll 100.000 Franken aus seiner Portokasse zahlen, beschied die Ethikkommission. Tags zuvor hatte Chung in London angekündigt, Blatter verklagen zu wollen. Chung scheint wild entschlossen, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Ein solcher Zivilprozess der einstigen Verbündeten wäre zweifellos unterhaltsam und würde vielleicht sogar neue Fakten ans Tageslicht bringen.

Doch selbst, wenn Chung kneifen sollte: der Zerfall jener korrupten Fifa-Strukturen, die unter Blatters maßgeblichem Einfluss 40 Jahre reifen konnten, ist nicht mehr aufzuhalten.

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