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Fifa-Korruptionsskandal Es wird eng für Blatter

So hatte sich Joseph Blatter das Warten auf seine fünfte Amtszeit nicht vorgestellt. Für den Fifa-Präsidenten könnte es nach den Festnahmen in Zürich und dem Boykottaufruf der Uefa tatsächlich brenzlig werden.

Der 27. Mai 2015 wird Spuren hinterlassen in der Parallelgesellschaft des Weltsports, nicht nur im Reich des Fußball-Weltverbandes Fifa. Im Morgengrauen wurden ausgerechnet im Luxushotel "Baur au Lac", wo schon Heerscharen korrupter Funktionäre gastierten, sieben Fifa-Funktionäre aus dem Schlaf gerissen und verhaftet. So müsste das bei Delikten dieser Art - Geldwäsche, internationaler Betrug, Verschwörung - eigentlich immer sein. Aber in Wirklichkeit war es noch nie so.

Die Schweiz garantierte den Sportverbänden bislang stets die nötige Verschwiegenheit und eine gewisse Ruhe vor Strafverfolgung. Das scheint nun anders, die Ereignisse vom Mittwoch sind deshalb historisch zu nennen. Bisher hatten internationale Verbände, von denen mehr als 60 in der Schweiz residieren, gern damit gedroht, das Land zu verlassen und sich anderswo anzusiedeln, sollten die Gesetze gegen Korruption und Geldwäsche verschärft werden. Nun haben die Schweizer Behörden auf Ersuchen ihrer amerikanischen Kollegen einfach mal gehandelt.

In den USA wird der Druck erhöht

Einige Stunden später in Brooklyn: So einen Aufmarsch an Prominenz amerikanischer Bundesbehörden hat die Welt selten gesehen. Seit vier Jahren befassen sich die US-Fahnder mit Schmutzgeschäften im Umfeld der Fifa. Justizministerin Loretta Lynch, FBI-Direktor James Comey, der New Yorker Staatsanwalt Kelly Currie und hochrangige Vertreter der Steuerbehörde IRS beschrieben die Fifa einmal mehr als mafiöses System.

Gegen 14 Funktionäre und Sportrechtehändler, darunter die sieben in Zürich Festgenommenen und insgesamt sechs aktuelle oder ehemalige Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees wurde Anklage erhoben. Einige andere wie der US-Amerikaner Chuck Blazer, langjähriger Fifa-Vorstand und Generalsekretär der nordamerikanischen Konföderation Concacaf, haben Delikte der Unterschlagung, des Betruges, der Geldwäsche, der Steuerhinterziehung und Verschwörung längst gestanden und kooperieren seit Jahren mit FBI und IRS, um das Strafmaß zu mindern.

Auch die beiden Söhne des einstigen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner, der selbst angeklagt wird, haben gestanden, nachdem sie bereits 2013 in den USA festgesetzt worden sind. Blazer und die Warner-Söhne wurden zu Kronzeugen.

Mit der Härte des Gesetzes agieren

Das alles hat eine neue Qualität und zeigt den einzig wirkungsvollen Weg, wie dem flächendeckenden Korruptions- und Selbstbedienungssystem im Reich des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter beizukommen ist: Mit der Härte des Gesetzes. Klingt einfach, ist in dieser Branche, die mit Emotionen handelt und ein Kulturgut der Menschheit vermarktet, allerdings nicht so einfach.

Zu oft haben sich staatliche und Kriminalbehörden sowie Politiker in eigentlich allen Ländern einlullen lassen. Zu oft haben sie durch Lobbyarbeit im Sinne der Fifa und anderer Verbände, durch Unterlassung und Wegsehen die Geschäfte der Funktionärsclique gestärkt. Noch ist es verfrüht, diesen 27. Mai als Wendepunkt anzusehen. Und doch setzen diese Ermittlungen Maßstäbe.

Ob das auch für das Strafverfahren gilt, das die Schweizer Bundesanwaltschaft seit März 2015 zu den dubiosen Vergaben der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar führt, muss sich zeigen. Beamte haben zunächst in der Fifa-Zentrale größere Datenmengen gesichert. Dort aber werden sich kaum Beweise für die Staatskorruption von Russland und Katar finden.

Der Ball liegt auf der Seite der Uefa

Es muss anderswo ermittelt werden. Die Indizienlage ist in etlichen Fällen erdrückend. Für Enthüllungen haben allerdings bisher allein Medienvertreter gesorgt, allen voran Reporter der "Sunday Times" mit ihren Aufsehen erregenden Geschichten, die auf Millionen Dokumenten beruhen. Für die Fifa und ihren Präsidenten Joseph Blatter aber steht seit Langem fest, was am Mittwoch demonstrativ erneuert wurde: 2018 soll die WM in Russland, 2022 in Katar stattfinden - egal was noch passiert.

Wenn sich Blatter da mal nicht täuscht. Nach diesem Tag hat er die Zügel nicht mehr in der Hand. Es ist nicht einmal mehr klar, ob der 65. Fifa-Kongress, auf dem er sich am Freitag zum fünften Mal zum Präsidenten küren lassen will, überhaupt stattfindet. Die Führung der Europäischen Fußball-Union Uefa, besetzt mit einigen Fifa-Vorständen und etlichen ebenfalls schwer belasteten Personen, verlangt vorerst eine Vertagung der Wahl. Notfalls, kündigte sie an, wolle man den Kongress boykottieren.

Vorerst sind das nur Worte von Sportfunktionären. Die Handlungen der Ermittler in den USA und in der Schweiz wiegen schwerer. Eine der wichtigsten Meldungen kam kurz vor Mitternacht: Jack Warner hat sich gestellt. Warner wird und muss auspacken, um seine Strafe zu mindern und seinen Söhnen zu helfen. Wenn er alles erzählen sollte, dürfte Blatter erledigt sein. Das wäre dann jener Tsunami, den Warner schon 2011 versprochen hatte.

Seit dem 27. Mai 2015 ist alles möglich.

Video: Festnahmen, Korruption und viele Fragen im Fifa-Skandal

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