Reformpapier für die Fifa Acht Punkte Altbekanntes

Kurz bevor sich die US-Justiz zu den Ermittlungen gegen die Fifa äußert, gibt es Reformvorschläge für den angeschlagenen Fußball-Weltverband. Wie viel Propaganda steckt in dem Papier?
Fifa-Reformer Scala: "Ich mache keine Politik"

Fifa-Reformer Scala: "Ich mache keine Politik"

Foto: imago

Der nächste Reformvorschlag für den skandalumwitterten Fußballweltverband Fifa liegt auf dem Tisch.

Domenico Scala, Chef der "Audit & Compliance Kommission", hat sein acht Schwerpunkte umfassendes Papier vorgestellt. Er will damit nach eigener Aussage die öffentliche Diskussion voranbringen und die Fifa zukunftssicher machen.

Parallel zu Scala arbeitet seit vergangener Woche ein sogenanntes Reformkomitee, geleitet vom ehemaligen IOC-Generaldirektor François Carrard und besetzt mit den üblichen Verdächtigen aus dem Fifa-Business. Ebenfalls dabei: der olympische Strippenzieher Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah aus Kuwait. "Mein Bericht ist kein Papier der Fifa und auch kein Vorschlag des Reformkomitees", sagt Scala. "Ich lege den Katalog absolut unabhängig vor. Ich mache keine Politik."

Im Kern sind Scalas auf 26 Seiten gepresste Empfehlungen ein Mix aus den wichtigsten Vorschlägen ehemaliger Reformkommissionen des Schweizer Strafrechtlers Mark Pieth und des einstigen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger sowie dem umfassenden Konzept des ehemaligen Fifa-Präsidentschaftskandidaten Jérôme Champagne. Scala hat den Katalog bereits am 20. Juli in Zürich dem Exekutivkomitee vorgestellt und darüber auch am 2. September in Bern mit dem Reformkomitee von Carrard und Scheich Al-Sabah diskutiert.

Zeitliche Nähe rein zufällig

Warum er nun kurzfristig und ein wenig überraschend an die Öffentlichkeit ging, wenige Tage bevor sich US-Justizministerin Loretta Lynch und der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber in Zürich zu den Strafermittlungen gegen die Fifa äußern wollen? Dient die Bekanntmachung vielleicht einem Propagandazweck? Die zeitliche Nähe zum mit Spannung erwarteten Auftritt von Lynch und Lauber sei zufällig, erklärt Scala.

Er habe sich in der Pflicht gesehen, seine Vorschläge zu veröffentlichen, sagt Scala. Grund sei, dass "wir doch derzeit einige Leute relativ substanzlos über Reformen reden hören". Letzteres war zweifelsfrei auf Carrard gemünzt. Carrard wurde wie einst Scala vom Fifa-Präsidenten Joseph Blatter auserwählt.

Blatter zieht noch immer die Fäden in der Fußball-Konzernzentrale auf dem Zürichberg, obgleich er am 2. Juni seinen Rücktritt auf einem außerordentlichen Wahlkongress angekündigt hat. Der Kongress findet am 26. Februar statt.

Für Blatters Nachfolge gibt es mittlerweile ein halbes Dutzend Interessenten, zuletzt stieg der jordanische Prinz Ali Bin Al-Husain wieder in den Ring, der Ende Mai auf dem ordentlichen Fifa-Kongress in Zürich im ersten Wahlgang mit 73:113 Stimmen gegen Blatter verloren hatte. Doch ob nun Prinz Ali oder seine Widersacher Michel Platini, der Uefa-Präsident, und der südkoreanische Hyundai-Milliardär Chung Mong-Joon, sie alle sprechen nur oberflächlich von Reformen und gehen kaum ins Detail - stattdessen bekämpfen sie sich gegenseitig.

Das sind die acht großen Bereiche, für die Scala dringend Statutenänderungen verlangt:

  • Integritätsprüfungen für gewählte Funktionäre sollen zentral und nicht in den sechs Kontinentalverbänden durchgeführt werden. Scala will diesen Integritätscheck ausweiten und verschärfen und auch die 209 Nationalverbände einbeziehen.

  • Maximal für drei Amtszeiten und insgesamt zwölf Jahre sollen die wichtigsten Positionen in der Fifa (Präsident, Exekutivkomitee, Generalsekretär, Kommissionsleitungen), den Konföderationen und den Nationalverbänden besetzt werden dürfen.

  • Der Fifa-Kongress soll sämtliche Exekutivmitglieder wählen. Bislang wurden die Mitglieder in den Konföderationen bestimmt, zuletzt beispielsweise DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in der Uefa oder Scheich Ahmad in Asiens Kontinentalverband AFC.

  • Die finanziellen Vergütungen des Fifa-Präsidenten, der Exekutivmitglieder, des Generalsekretärs und aller Kommissionen sollen ausnahmslos offengelegt werden. Außerdem sollen Personen mit Wahlfunktionen gegenüber der Ethikkommission "sämtliche fußballbezogene Einkünfte und Entschädigungen" darlegen - letztere Angaben müssen nicht zwingend öffentlich werden, sagt Scala.

  • Die Anzahl und die personelle Besetzung der mehr als zwei Dutzend Fifa-Kommissionen soll verringert werden. Scala will die Leitung dieser Arbeitsgruppen Experten von außerhalb anvertrauen, um Interessenskonflikten vorzubeugen.

  • In Nationalverbänden und Konföderationen sollen analog zur Fifa höhere Ethikstandards und dieselben Governance-Regeln gelten.

  • Das Vergabeverfahren für künftige Weltmeisterschaften wurde bereits überarbeitet. Künftig entscheidet der Fifa-Kongress in offener Abstimmung, nicht mehr das Exekutivkomitee. Scala hat diesen Punkt der Vollständigkeit halber in sein Papier inkludiert.

Scala will in der Fifa-Administration organisatorisch strikter zwischen Tagesgeschäft und Aufsichtsratsfunktionen trennen, das Exekutivkomitee auf 40 Mitglieder ausweiten (auch auf Vertreter der Klubs und der Spielergewerkschaften).

Alle Punkte  werden seit Jahren diskutiert und scheiterten zuletzt am Widerstand der Kontinentalverbände und zweier Fifa-Kongresse. Auch die Uefa mit Platini und DFB-Boss Niersbach hat derlei notwendige Governance-Anpassungen torpediert, etwa im Winter 2013.

Scala unterscheidet zwischen einfachen und komplizierten Statutenänderungen. Unter den einfachen hält er die Amtszeitbegrenzung für entscheidend, weil dadurch Abhängigkeiten, die sich bislang über viele Jahrzehnte ausprägen konnten, eingedämmt werden könnten - derlei Zusammenhänge zählen in der Korruptionsbekämpfung zum Basiswissen.

Unter den komplizierteren Forderungen sei Punkt acht am wichtigsten, sagt Scala: Das Fifa-Kerngeschäft müsse künftig von Fachleuten und nicht von sportpolitischen Interessen dominiert werden.

Scala garnierte seine Ausführungen mit einigen bizarren Äußerungen. Die Fifa-Administration arbeite sehr gut, sagte er und bezeichnete die Geschichte der Fifa seit 1998, als Blatter Präsident wurde, als "kontinuierlichen Reformprozess".

Im Gegensatz dazu wird die Fifa in Dokumenten der US-Justiz als Rico bezeichnet, als von Gangstern dominierte korrupte Organisation (Racketeer Influenced and Corrupt Organization). Für Scala ist das eher ein juristisch-technischer Aspekt, denn die Einstufung als Rico erlaubt es den Behörden, gegen Fußballfunktionäre und Manager unter einem 1970 eigens erlassenen Gesetz zu ermitteln.

Auf eine Diskussion darüber, was passieren würde, wenn das Fifa-Exekutivkomitee und der Kongress erneut derlei drängende Satzungsänderungen verhindern sollten, will sich Scala nicht einlassen. "Ich denke, in der Fifa hat man den Ernst der Lage begriffen."

Zusammengefasst: Mit dem Reformpapier von Domenico Scala veröffentlicht die Fifa allenfalls bekannte Basics im Kampf gegen Korruption. Ihre Umsetzung ist zudem fraglich. Zu oft wurden ähnliche Bemühungen in der Vergangenheit verhindert.

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