Fifa und Katar Scheichs bangen um ihre WM

Täglich neue Vorwürfe, täglich neue Anschuldigungen - der Korruptionsskandal erschüttert den Fußballweltverband. Fifa-Boss Blatter wird seinen Job zwar behalten, doch die umstrittene Wüsten-WM 2022 in Katar steht auf der Kippe.
Fifa-Chef Blatter: Nie ein großer Freund der Katar-WM gewesen

Fifa-Chef Blatter: Nie ein großer Freund der Katar-WM gewesen

Foto: Walter Bieri/ dpa

Die Zeit des Schweigens ist vorbei. Der Machtkampf an der Spitze des Weltfußballverbands Fifa lässt derzeit alle Dämme brechen. Jeder gegen jeden, täglich werden neue Beschuldigungen laut - und mittendrin steht der Präsident Joseph Blatter und sagt bei der Pressekonferenz am Montagabend wahrhaft: "Ich sehe keine Krise, wir haben höchstens ein paar Schwierigkeiten, die wir innerhalb der Fifa-Familie lösen werden."

Blatters Schwierigkeiten könnten im Lauf des Dienstags noch größer werden - es sind neue Details zur umstrittenen Vergabe des WM-Turniers 2022 an das Emirat Katar angekündigt.

Auf einer Pressekonferenz am Nachmittag sollten Beweise für einen Stimmenkauf zu Gunsten Katars vorgelegt werden, so melden zumindest die Nachrichtenagenturen. Wobei allein schon die nebulöse Einladung, die das Kommen eines "Mr. Mystery Guest" ankündigte, für Verwirrung sorgte. Das Hotel, in dem die Pressekonferenz stattfinden sollte, wusste zudem gar nichts von dem Termin.

Die Vorwürfe ranken sich um vier Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees, die Zahlungen in Höhe von insgesamt 20 Millionen Dollar erhalten haben sollen, um Katar mit ihrem Votum zur WM zu verhelfen. Tatsächlich hat das Emirat im vergangenen Dezember den Zuschlag mit 14:8 Stimmen gegenüber dem Mitbewerber USA erhalten - vier Stimmen auf der anderen Seite hätten also ausgereicht, um den Amerikanern zum Sieg zu verhelfen.

Hinter den neuen Veröffentlichungen soll pikanterweise der suspendierte Fifa-Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad und Tobago stecken, ein Skandal-erprobter Funktionär. Warner, Präsident des zentralamerikanischen Fußballverbandes, stand in der Vergangenheit selbst mehrfach unter Korruptionsverdacht. Bislang hatte er alle Affären überstanden. Sein Einsatz für Blatters Gegenkandidaten Mohammed Bin Hammam hat ihn jetzt vorläufig das Amt gekostet. Warner befindet sich derzeit im Vorfeld des Fifa-Kongresses in Zürich auf einer Art Rachefeldzug und hat schon am Montag verlangt: "Blatter muss gestoppt werden."

Valcke könnte das Fifa-Bauernopfer werden

Das dürfte ihm kaum gelingen. Der 75-jährige Schweizer zeigte sich am Montagabend unbeirrt entschlossen, sich am Mittwoch als nunmehr einziger Kandidat der Wiederwahl zum Fifa-Boss für eine dann vierte Amtszeit zu stellen. Es spricht nichts dafür, dass ihm die Zustimmung der Delegierten versagt bleibt. Derzeit gibt es keinen Spitzenfunktionär im Weltverband, der bereit wäre das Amt zu übernehmen. Also darf Blatter, wenn auch angezählt, weitermachen.

Zur Disposition steht dagegen sein Generalsekretär, der Franzose Jérôme Valcke, ein treuer Mitarbeiter Blatters. Der 50-Jährige steht derzeit ebenso massiv in der Kritik. Seine von Warner an die Öffentlichkeit lancierte Mail, in der er andeutete, Katar habe die WM 2022 tatsächlich gekauft, lässt die Vermutung zu, dass die Fifa-Spitze längst über die Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der Vergabe Bescheid wusste. Valcke hat die Mail in einer Pressemitteilung als "privat" bezeichnet und seinen Chef Blatter damit aus der Schusslinie genommen. Gut möglich, dass der Fifa-Boss seinen Generalsekretär opfert, um den eigenen Job zu retten.

Ob dagegen auch die Wüsten-WM 2022 zu retten ist, hängt maßgeblich von der Qualität der Beweise ab, die in Zürich vorgelegt werden sollen. An einer nachweislich gekauften WM festzuhalten - das kann sich die Fifa in ihrem derzeit geschwächten Zustand kaum erlauben. Rechtlich ist eine Rücknahme der WM-Vergabe durchaus möglich - es bedarf dafür allerdings des Votums von 75 Prozent der Fifa-Delegierten.

Eine Rücknahme von Katar würde der Fifa manches erleichtern

Der Weltverband hätte dann auch nicht mehr das Problem, eventuell eine Weltmeisterschaft im Winter zu organisieren, da es im Sommer möglicherweise zu heiß zum Fußballspielen in der Wüste ist. Sämtliche Wettkampfkalender der Ligen in Europa müssten für eine Winter-WM umgestellt werden. Der logistische Aufwand wäre erheblich. Zudem würde das dem Verband die Chance eröffnen, zeitnah eine WM in China anzupeilen. Der chinesische Markt ist mittelfristig der interessanteste in Asien. Wenn Katar die WM bekäme, müsste sich Asien danach erst einmal wieder hinten anstellen.

Blatter selbst war nie ein echter Unterstützer der Katar-WM. Letztlich hat er sich mit dem Gedanken angefreundet, da Asien als Boom-Markt für die Fifa hochinteressant ist und entsprechenden Profit für die Fifa gewährleistet. Allerdings bieten auch die USA, bisher erst einmal Gastgeber im Jahr 1994, noch Wachstumspotentiale für den Fußballmarkt. Wenn Blatter sich für eine Neuausschreibung der WM 2022 stark machte, könnte er sich zudem nach außen als lernfähig präsentieren, als jemand, der für Reformen und den Kampf gegen Korruption noch empfänglich ist.

Die Scheichs in Katar scheinen sich ihrer WM jedenfalls auch nicht mehr ganz sicher zu sein. Mehrfach sollen sich Mitglieder der Königsfamilie zuletzt mit Blatter getroffen haben, um ihrer Besorgnis über die internationale Kritik an dem Wüstenstandort Ausdruck zu verleihen. Wie es heißt, habe Blatter ihnen die Unterstützung für die WM 2022 zugesagt. Im Gegenzug solle das Königshaus Druck auf Bin Hammam ausüben, seine Gegenkandidatur zurückzuziehen. Was Bin Hammam am Wochenende überraschend getan hat.

Den vier Exekutivmitgliedern, die der Bestechlichkeit verdächtig sind, droht die Suspendierung. Damit wären dann schon zehn der 24 Mitglieder dieses exklusiven Gremiums in Korruptionsvorwürfe verstrickt. Einer der Beschuldigten soll laut Untersuchungsbericht des englischen Fußballverbandes auch der britischen WM-Bewerbung seine Stimme angeboten haben. Im Gegenzug soll er verlangt haben, dass der traditionsreichste Pokalwettbewerb auf der Insel, der nach dem englischen Fußballverband benannte FA-Cup, künftig seinen Namen tragen solle. Es gibt derzeit in der Fifa nichts, was es nicht gibt.

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