Ezequiel Iván Lavezzi Der 56,7-Millionen-Dollar-Mann

Ezequiel Iván Lavezzi
Foto: PEDRO UGARTE/ AFPAnfang dieses Jahres wechselte der argentinische Nationalspieler Ezequiel Iván Lavezzi zu dem chinesischen Erstligaklub Hebei China Fortune Football Club. Das war erklärungsbedürftig, denn Lavezzi stand damals noch bei Paris St. Germain unter Vertrag, einem der ambitioniertesten Vereine Europas.
Also gab Lavezzi dem französischen Fernsehsender Canal+ ein Interview. Er habe Angebote von Inter Mailand, dem FC Chelsea und Manchester United ausgeschlagen, sagte der Fußballprofi, sich aber für China entschieden, weil dort "viele spannende Aufgaben" auf ihn zukämen.
Und das Geld? La plata? Habe keine entscheidende Rolle gespielt, wehrte der Argentinier ab: "Zudem interessiert mich die chinesische Kultur." Fehlte nur noch, dass Lavezzi sagte, er wolle eine neue Sprache lernen.
Lavezzi, 31, ein enger Freund Lionel Messis, ist einer von vielen namhaften Fußballprofis, die es in letzter Zeit aus Europa ins Reich der Mitte zog. Seit Chinas Staatspräsident Xi Jinping es vor knapp zwei Jahren zu einer nationalen Aufgabe erhob, endlich auch im Fußball Anschluss an die Weltspitze zu finden, überbieten sich die Klubs beim Poker um namhafte Neuzugänge.
Das Gehaltsgefüge für Stars aus dem Ausland, die in Europas Top-Ligen ihrem Karriereende entgegensehen, ist explodiert. Genaue Zahlen zu den Gagen in der Chinese Super League gab es bislang allerdings nicht, nur grobe Schätzungen. Doch nun lässt sich detailliert beschreiben, mit welch bizarren Summen chinesische Investoren den Transfermarkt fluten, dass selbst die Scheichs in Katar Schnappatmung bekommen. Die Enthüllungsplattform Football Leaks hat dem SPIEGEL den Arbeitsvertrag zugespielt, den Ezequiel Lavezzi am 10. Februar 2016 mit seinem neuen Verein abschloss. Es sind 21 Seiten Irrsinn.

Lavezzi, Messi
Foto: JUAN MABROMATA/ AFPLavezzi unterzeichnete für zwei Spielzeiten, der Kontrakt endet am 31. Dezember 2017. Für diese knapp 23 Monate bezahlt Hebei China Fortune Football Club dem argentinischen Nationalspieler 56,7 Millionen Dollar. Netto.
Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte der SPIEGEL mithilfe der Daten von Football Leaks das neue Gehalt, das Cristiano Ronaldo Anfang November mit Real Madrid vereinbart hat. Der dreifache Weltfußballer verdient nun 38,18 Millionen Euro pro Jahr. Doch diese Summe ist brutto, Ronaldo muss in Spanien 45 Prozent seines Einkommens abführen. Lavezzis Steuern übernimmt sein neuer Klub. Das macht für die fast zwei Jahre noch mal knapp 50 Millionen Dollar obendrauf, denn auch in China liegt der Steuersatz für Spitzenverdiener bei etwa 50 Prozent.
Die erste Netto-Rate für Lavezzi war neun Tage nach Unterschrift fällig: 26,7 Millionen Dollar. Das war sein Antrittshonorar, den Vertrag hatte der Stürmer noch in Paris gegengezeichnet. Erst nachdem das Geld auf seinem Konto bei der Bank Unicredit in Luxemburg eingegangen war, machte der Neueinkauf sich auf den Weg nach Qinhuangdao, einer Hafenstadt mit fast drei Millionen Einwohnern, die etwa 300 Kilometer östlich der Hauptstadt Peking liegt.
Die restlichen 30 Millionen Dollar, so steht es in der Vereinbarung, werden Lavezzi in 22 Tranchen überwiesen - immer am Zehnten eines Monats, hübsch portioniert in 1.363.636 Dollar. Macht 45.455 Dollar pro Tag. 1894 Dollar pro Stunde. 32 Dollar pro Minute. Einen halben Dollar pro Sekunde.
Ein chinesischer Angestellter, der ganz gewöhnliche Fußballfan, verdient durchschnittlich 720 Dollar im Monat. Brutto.
Doch das ist noch nicht alles. Der Klub stellt Lavezzi zwei Häuser zur Verfügung, zwei Limousinen, einen Fahrer, einen Dolmetscher und einen Koch. Viermal im Jahr, auch das ist geregelt, darf der Kicker mit seiner Familie auf Kosten des Vereins nach Buenos Aires fliegen - Business Class, versteht sich.
Das Pech des Stürmers war, dass er sich schnell verletzte. Im Juni stürzte Lavezzi bei einem Länderspiel der Argentinier in den USA über eine Werbebande und brach sich den Ellenbogen, mehr als drei Monate fiel der Angreifer deshalb aus.
Sein Glück war, dass er trotz seines lädierten Armes weiter kassierte, als sei er topfit. Wenn sich in Deutschland ein Fußballprofi verletzt, bekommt er noch sechs Wochen lang sein Grundgehalt. Danach springen die Berufsgenossenschaft und private Zusatzversicherungen ein, die für diesen Service allerdings hohe monatliche Gebühren erheben.
Lavezzi lebt in China im Schlaraffenland. Die ersten zwei Monate im Krankenstand, so steht es in dem Vertrag, bezahlt ihm sein Klub weiterhin das volle Gehalt. Erst wenn er länger als zwei Monate ausfällt, verringert sich die Gage um 30 Prozent - womit Lavezzi immer noch knapp über 900.000 Dollar netto pro Monat liegt. Nicht schlecht für einen Reha-Patienten.
Der SPIEGEL befragte Lavezzi zu sämtlichen Details seines Vertrags. Von dem Spieler kam keine Antwort. Der Klub hingegen reagierte auf eine ausführliche Anfrage. Sämtliche Vertragsinhalte seien "vertraulich" und Privatangelegenheit zwischen dem Klub und dem Spieler, schrieb ein Vereinsmanager. Sollte der SPIEGEL dennoch Details des Vertrags öffentlich machen, sei dies ein "Gesetzesverstoß", gegen den sich Hebei China Fortune rechtlich zur Wehr setzen werde.
Der Gipfel dieses monströsen Vertrags ist die einseitige Option zur Verlängerung um ein weiteres Jahr, die Lavezzi sich hat garantieren lassen. So sieht sie aus: Einerseits muss Lavezzi in beiden Spielzeiten 40 Tore schießen und 20 Torvorlagen liefern. Andererseits muss er in dieser Zeit "mindestens 90 Prozent aller offiziellen Spiele" machen. Maßeinheit sind die gespielten Minuten.
Auch hier bleibt keine Frage offen. Reist er zu einem Match der argentinischen Nationalmannschaft, während sein Klub im Einsatz ist, wird dies Lavezzi auf seinem Minutenkonto nicht angelastet. Steht der Argentinier in der Startelf und wird während der Partie ausgewechselt, zählt das, als hätte Lavezzi durchgespielt.
Und was passiert, wenn Lavezzi nach einem taktischen Foul mit Gelb-Rot vom Platz fliegt und beim nächsten Spiel nicht dabei sein kann? Kein Problem, heißt es in dem Vertrag - solange "der Cheftrainer diese strategischen Fouls angeordnet hat".
Rafael Buschmann, Jürgen Dahlkamp, Stephan Heffner, Christoph Henrichs, Andreas Meyhoff, Nicola Naber, Jörg Schmitt, Alfred Weinzierl, Michael Wulzinger