Football Leaks Messis Amigos

Die Messi-Stiftung hat mit Benefizspielen viele Millionen eingenommen, der Weltstar schillerte als Mäzen. Dabei ging nur ein kleiner Teil der Erlöse an Bedürftige. Ermittler vermuten: Der Rest könnte in Steueroasen versickert sein.
Lionel Messi

Lionel Messi

Foto: David Ramos/ Getty Images

Mitte Juni 2012 flog Lionel Messi nach Mexiko. Sein Ziel war Cancún, ein Badeort in der Karibik. Seine Stiftung hatte dort ein Fußballspiel der "Freunde Messis" organisieren lassen, die Erlöse aus dem Prominenten-Kick sollten bedürftigen Kindern zugute kommen. Anschließend zogen Messi und sein Wanderzirkus weiter nach Bogotá und Miami.

Auch im Sommer 2013 traten Messi und seine Amigos in drei großen Stadien auf, diesmal im kolumbianischen Medellín, in der peruanischen Hauptstadt Lima und schließlich in Chicago. Vor Anpfiff der Partien überreichten honorig aussehende Männer dem Superstar große Schecks. Die Botschaft: Der Weltstar hat ein großes Herz für Menschen in Not.

Lionel Messi (r.) bei einem Benefizspiel 2013 in Chicago

Lionel Messi (r.) bei einem Benefizspiel 2013 in Chicago

Foto: Brian Kersey/ AP

Am 29. November 2013 bekam Lionel Messi dann unerwarteten Besuch aus Madrid. Polizisten der Guardia Civil waren nach Barcelona gereist, sie hatten jede Menge Fragen zu den vermeintlichen Benefizspielen seiner Stiftung. Messi war als Zeuge geladen. Die Beamten gehörten zu der Eliteeinheit Unidad Central Operativa (UCO), deren wichtigste Aufgabe die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist. Ihr Spezialgebiet: Geldwäsche im weltweiten Drogengeschäft.

Fast zwei Jahre lang hatten die Fahnder verdeckte Ermittlungen gegen einen Drogenring aus Südamerika geführt. Sie hegten den Verdacht, dass die Drogenkartelle ihre illegal erworbenen Millionen in Umlauf brächten, in dem sie auch mithilfe spanischer Staatsbürger große Konzert- und Sportveranstaltungen organisierten. Durch abgehörte Telefonate waren auch die Auftritte von Messis Freunden in das Visier der Fahnder geraten.

Im Zentrum der Affäre stand der Sportveranstalter Guillermo Marín aus Buenos Aires. Der kahlköpfige Unternehmer mit den tief liegenden Augen, ein guter Freund von Messis Vater Jorge, hatte die Verwertungsrechte an den vermeintlichen Charity-Auftritten von Messis Freunden erworben.

In einem Entwurf seiner "Mäzenatenvereinbarung" mit Messis Stiftung in Spanien, der dem SPIEGEL vorliegt, ist von Benefizspielen nicht die Rede. Dort geht es ausschließlich um kommerzielle Interessen: Die Messi-Stiftung übertrug demnach der Firma Player's Image mit Sitz in Uruguay, für die Marín als Direktor auftrat, die Erlaubnis, zur "Vermarktung einer Reihe von Freundschaftsspielen" den Namen und das Bild Leo Messis nutzen zu dürfen. Für jedes Spiel musste Player's Image der Messi-Stiftung 50.000 Dollar zahlen, die Firma in Montevideo sollte im Gegenzug für alle Kosten aufkommen. Was mit möglichen Gewinnen passierte, lässt der Vertragsentwurf offen.

Die Einnahmen aus den Auftritten von Messis Freunden waren gewaltig, wie Marín selbst gegenüber den Ermittlern bei einer Zeugenanhörung zu Protokoll gab. Kalkuliert hatte der Vermarkter demnach bei den sechs Spielen 2012 und 2013 mit Einnahmen von mindestens 12,3 Millionen Dollar, wie er den Beamten erzählte. Am Ende wurden es nach seiner Darstellung rund 6,9 Millionen. An die Messi-Stiftung musste er laut des Vertragsentwurfs dafür nur 300.000 Dollar weiterleiten. Ein Anteil von nicht einmal fünf Prozent vom Umsatz - so großherzig gegenüber ihren Geschäftspartnern zeigt sich die Stiftung des Superstars sonst nicht.

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Bei ihren Ermittlungen waren die spanischen Elitepolizisten auf mysteriöse Überweisungen gestoßen. Demnach waren 1,37 Millionen Dollar aus den zwei Spielen in Kolumbien auf einem Konto der First Caribbean International Bank im Inselstaat Curaçao gelandet, einer Steueroase. Marín räumte bei seiner Anhörung ein, Zugriff auf dieses Konto zu haben. Der Verdacht der Beamten war, dass auf diesem Weg Geld an Spieler bezahlt worden sein könnte. In ihrem Bericht halten die Fahnder fest, dass sich auf Überweisungsträgern für die Zahlungen nach Curaçao schriftliche Hinweise gefunden hätten wie dieser: "pago G. Marín Messi". Zu deutsch: Zahlung Marín Messi.

Hat Lionel Messi über eine Steueroase Geld für seine Teilnahme an Benefizspielen seiner Stiftung kassiert? Der Superstar bestritt das, als er von den Polizisten der Guardia Civil befragt wurde. Auch Marín wies diesen Verdacht bei seiner Anhörung zurück: Nein, Messi habe kein Geld bekommen. Nur seine Stiftung. Auf Anfrage des SPIEGEL äußerte sich Marín ebenfalls nicht zu den Vorgängen.

Doch nicht alle von Messis Amigos spielten wohl gratis für den guten Zweck. Organisator Marín wollte für zwei Spiele im Sommer 2013 unbedingt auch den Stürmer Robert Lewandowski im Team haben - der Pole hatte zuvor weltweit auf sich aufmerksam gemacht, als er in einem Halbfinalspiel der Champions League vier Tore gegen Real Madrid erzielt hatte. Das erste Angebot, das ein Geschäftspartner Maríns dem Berater Lewandowskis machte, lag bei 30.000 Dollar, das letzte bei 250.000, plus Flügen erster Klasse und Übernachtungen in einem Fünf-Sterne-Hotel. "Die Kontaktaufnahme und die Angebote kamen mir merkwürdig vor", sagte Lewandowskis Berater dem SPIEGEL, "an diesem Geschäftsmodell wollten wir nicht teilnehmen."

DER SPIEGEL

Der italienische Trainer Fabio Capello, der bei zwei Spielen in Bogotá und Miami an der Seitenlinie stand, hatte offenbar eine Gage von 25.000 Dollar pro Spiel vereinbart. Die Rechnung schickten Capellos Berater an die Firma Player's Image in Montevideo. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Enthüllungsplattform Football Leaks dem SPIEGEL zur Verfügung gestellt und die das Hamburger Nachrichtenmagazin mit seinen Partnern vom Recherchenetzwerk European Investigative Collaborations ausgewertet hat. Capellos Anwalt und Sprecher, sein Sohn Pierfilippo, sagte, die Gage sei korrekt in Rechnung gestellt und versteuert worden.

Die Fahnder der UCO waren offenbar davon ausgegangen, dass der Argentinier Guillermo Marín die Spiele von Messis Freunden über seine Firma Imagen Deportiva mit Sitz in Buenos Aires vermarkten würde. Dass Marín offenbar für die Firma Player's Image mit Sitz in der Steueroase Uruguay agierte, ist im UCO-Abschlussbericht mit keinem Wort erwähnt.

Es gibt weitere Ungereimtheiten. Lionel Messis Vater Jorge, der am 24. Januar 2014 in der Kommandantur der Guardia Civil als Zeuge angehört wurde, sagte aus, dass die Messi-Stiftung in Barcelona Erlöse aus diesen Benefizspielen an das Kinderhilfswerk Unicef gespendet habe. Überweisungsträger, so steht es im Ermittlungsbericht, hatte Vater Messi offenbar mitgebracht.

Möglicherweise ist den Beamten ein wichtiges Detail nicht aufgefallen. Die Unicef bestätigte dem SPIEGEL, im Jahr 2013 Spenden der Messi-Stiftung in Höhe von 300.000 Dollar erhalten zu haben, um Kindern in Peru, Kolumbien und Jordanien zu helfen. Geldgeber war jedoch nicht die Messi-Stiftung in Barcelona. Die Unicef bekam das Geld nach eigener Darstellung von Messis Stiftung in Argentinien.

Dort, in seiner Heimatstadt Rosario, betreibt der Superstar die Fundación Privada Leo Messi Argentina. Sie ist heute rechtlich vollkommen unabhängig von der Messi-Stiftung in Barcelona, wie Rodrigo Messi, der Bruder des fünffachen Weltfußballers, auf Anfrage bestätigte. Und das war sie auch schon im Jahr 2013. Vater Messi, der für die argentinische Stiftung auftritt, äußerte sich nicht zu konkreten Nachfragen zu den 300.000-Dollar-Spenden an die Unicef.

Die Fahnder der UCO fertigten im Dezember 2015 für das zuständige Untersuchungsgericht in Barcelona einen Abschlussbericht ihrer Ermittlungen zu den Geldflüssen rund um die Benefizspiele von Messis Freunden an. Am Ende ihres Reports erbaten die Elitebeamten der Guardia Civil, ihre Ermittlungen ins Ausland ausdehnen zu dürfen. Sie schlugen Rechtshilfeersuchen an Behörden in Argentinien, Kolumbien, Peru, Mexiko, die USA, Hongkong, Curaçao und Panama vor. Zudem wollten sie vollständige Einsicht in die Steuerakten der Messi-Stiftung in Barcelona und des Spielers seit dem Jahr 2011 nehmen.

Doch die Richterin stellte das Verfahren ein. Begründung: kein hinreichender Anfangsverdacht. Die ermittelnde UCO-Einheit, so erzählen es Ermittler, habe nicht einmal einen Einstellungsbeschluss erhalten.

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