Making of Football Leaks Ein Treffer nach dem anderen

Am Anfang waren die Daten. Viele davon. Doch wie findet man etwas im größten Fußball-Leak aller Zeiten, wenn man nicht einmal weiß, wonach man sucht?

Was für die entfesselte Fußballbranche gilt, gilt auch für Football Leaks: Alle Zahlen werden immer größer. Seit sieben Monaten werten 60 Journalisten von zwölf europäischen Medienhäusern einen riesigen Datensatz aus der Welt des Fußballs aus. In dieser Zeit ist die Dokumentensammlung auf etwa 1,9 Terabyte angewachsen, aus drei großen Geschichten sind viele Geschichten geworden. Auf den Startschuss zu dieser Serie haben mittlerweile über hundert Journalisten, Programmierer, Grafiker und Kameraleute hingearbeitet. Nun ist es so weit.

Was in den vergangenen sieben Monaten entstanden ist, hätte sich zu Beginn kaum jemand vorstellen können. Wer hinter Football Leaks steckt und wo die Daten herkommen, lesen Sie im aktuellen SPIEGEL. Nach langen Gesprächen über verschlüsselte Kommunikationskanäle hatte SPIEGEL-Redakteur Rafael Buschmann von den Betreibern der Enthüllungsplattform Football Leaks zwei Festplatten erhalten. Wer sich durch die unzähligen Ordner und Dateienlisten klickte, erkannte schnell: Hier versteckt sich brisanter Stoff. Doch wie findet man etwas in Millionen von Dokumenten, wenn man selbst nicht weiß, wonach man überhaupt sucht?

Journalistennetzwerk nahm im April die Arbeit auf

Unzählige E-Mails, Verträge und Präsentationen auf Englisch, Deutsch, Spanisch, Portugiesisch und Französisch, Tausende Suchergebnisse zu Profispielern von Bundesliga, Premier League und Primera Division, Gehälter von Weltmeistern, Kontoauszüge von Europameistern - wer, wenn nicht ein europäisches Netzwerk aus erfahrenen Investigativjournalisten und versierten Sportexperten, sollte sich um diese Daten kümmern?

Im April nehmen die Mitglieder des Recherchenetzwerks European Investigative Collaborations (EIC) die Arbeit auf. Neben dem SPIEGEL beschäftigt sich bald die belgische Tageszeitung "Le Soir" mit dem Material, ebenso Kollegen aus Dänemark ("Politiken") England ("Sunday Times"), Frankreich ("Mediapart"), Italien ("L'Espresso"), aus den Niederlanden ("NRC Handelsblad"), Österreich ("Falter"), Portugal ("Expresso"), Rumänien (RCIJ, "The Black Sea"), Serbien ("Newsweek Srbija") und Spanien ("El Mundo").

Das Ergebnis ist das erste gesamteuropäische Rechercheprojekt mit sehr verschiedenen und vielseitigen Projektpartnern: Reine Onlineredaktionen treffen auf reine Print-Titel, Journalisten arbeiten in alteingesessenen Medienhäusern oder am Laptop im eigenen Schlafzimmer, unweit der Atlantikküste vor Lissabon oder im SPIEGEL-Gebäude an der Hamburger Ericusspitze.

Darum geht es bei Football Leaks

Die Enthüllungsplattform Football Leaks sammelt vertrauliche Daten und E-Mails zu den Geldflüssen im Fußball. So deckt sie illegale Zahlungen an Spielerberater und Investoren ebenso auf wie die Versuche, Millionen an der Steuer vorbeizuschmuggeln dank Offshore-Geschäften. Football Leaks schweigt zu seinen Quellen, hat die Dokumente allerdings dem SPIEGEL und anderen Medien im Verbund der European Investigative Collaboration zur Verfügung gestellt. Mit einem Umfang von 1,9 Terabyte handelt es sich um den bisher größten Datensatz im Sport.

Während sich DER SPIEGEL einer professionellen Software für Datenforensik bedient, bauen IT-Experten rund um den rumänischen Programmierer Alex Morega mit Unterstützung des SPIEGEL für die EIC-Partner eine eigene Suchdatenbank auf. Die erweitern sie in den nächsten Monaten und schaffen sich so selbst ein gut nutzbares Rasterprogramm. Auf einer verschlüsselten Onlineplattform und in regelmäßigen Videokonferenzen tauschen die Rechercheure ihre Suchergebnisse aus. Zunächst gehen sie wie mit einer groben Harke durch die digitalen Dokumente und lassen sie gegen Listen mit Namen von Fußballvereinen, Spielern und Sponsoren laufen, immer auf der Suche nach Auffälligkeiten: Wo häufen sich die Treffer? Lassen sich Muster erkennen?

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Fotostrecke: Fußballer und Werbe-Ikone

Foto: Daniel Ochoa de Olza/ AP

Selbst erfahrenen Sportreportern verschlägt es bei diesen Suchdurchläufen die Sprache. Sie haben gewusst, dass der Fußball von Gier beherrscht und von korrupten Funktionären nachlässig kontrolliert wird. Sie haben geahnt, dass sich hinter den astronomischen Gehältern und exponentiell hochschießenden Ablösen dunkle Profiteure verbergen. Doch Football Leaks eröffnet ihnen einen ungeschönten und umfassenden, einen einmaligen Einblick in den Maschinenraum der Gelddruckerei Fußball.

Das SPIEGEL-Team zu den Football Leaks

Rafael Buschmann, Jürgen Dahlkamp, Stephan Heffner, Christoph Henrichs, Andreas Meyhoff, Nicola Naber, Jörg Schmitt, Alfred Weinzierl, Michael Wulzinger

Viele Wochen nach Beginn des Projekts fügen sich Tausende Puzzleteile zu einer Geschichte über den wohl größten und bekanntesten Fußballspieler der Welt zusammen: Cristiano Ronaldo. Begriffe wie "Steuerprüfung", "British Virgin Islands", "Bildrechte" tauchen ab Juli zunehmend in der Trefferliste der Rechercheure auf. Währenddessen arbeitet jeder von ihnen an mehreren Themen gleichzeitig, versucht relevante Verträge zu sammeln, Geldflüsse nachzuverfolgen und Firmenkonstruktionen zu entschlüsseln.

Ohne die Austauschplattform und den EIC-Koordinator Stefan Candea hätte nun wohl die Gefahr gedroht, dass der Datensatz den Journalisten über den Kopf wächst. Doch Candea legt das wohl wichtigste Werkzeug für die Recherche an: Das interne EIC-Lexikon auf einer verschlüsselten Plattform, die nur von EIC-Partnern genutzt wird. Mehr als 500 Einträge über Personen, Firmen und Vorgänge sammeln die europäischen Partner in gemeinsamer Arbeit im Lauf der folgenden Wochen. So wächst ein Schatten-Wikipedia, das die Erkenntnisse der Recherche-Profis bündelt. Die Wiki-Seiten bilden schließlich die Grundlage für die Geschichten, die ab dem 2. Dezember europaweit zu lesen sein werden.

Monatelang hat ein Rechercheteam beim SPIEGEL zusammen mit seinen europäischen Partnern in größter Geheimhaltung, in abgeschlossenen Räumen und mit verschlüsselten Tools an diesem Projekt gearbeitet. Die größten Fußballstars der Welt schweigen zu den Fragen, die ihnen vorab gestellt wurden. Mehrere Anwaltskanzleien haben versucht, die Medienhäuser einzuschüchtern und an einer Veröffentlichung zu hindern. Die Recherchen haben das wahre Gesicht der Fußballbranche offenbart. In den nächsten Wochen werden die EIC-Partner es der Welt zeigen.

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