
Fortsetzung der Bundesliga Geisterspiele first, Bedenken second


Im Stadion von Borussia Mönchengladbach sind Pappfiguren aufgestellt, um die Anwesenheit von Fans zu simulieren
Foto:Rolf Vennenbernd/ DPA
Es ist wie auf einer Autobahn, es geht nur in eine Richtung. Am Montag verkündeten die Ministerpräsidenten von Bayern und Nordrhein-Westfalen, Markus Söder und Armin Laschet, live bei der "Bild", dass die Bundesliga ab dem 9. Mai möglicherweise wieder spielen könne. Postwendend werden in der Zeitung politische Stimmen von FDP-Chef Christian Lindner bis zu Gesundheitsminister Jens Spahn eingesammelt, die ihrer Erleichterung darüber Ausdruck verleihen, dass bald und endlich wieder Fußball gespielt wird. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer seufzt auf: "Wenigstens der Fußball bleibt uns."
Dabei ist überhaupt noch nichts beschlossen, es gibt öffentlich bisher nur diese losen Absichtserklärungen von Söder und Laschet. Und selbst die beiden sind lediglich zwei von 16 Ministerpräsidenten im Lande - auch wenn sie derzeit den Eindruck erwecken, als sei in der Corona-Zeit vor allem ihr Wort maßgeblich. Dennoch scheint ein öffentlicher Konsens zu herrschen, dass die Bundesliga demnächst ihren Betrieb wieder aufnimmt.
Der TV-Rechteinhaber Sky schaltete just in derselben Ausgabe der "Bild" eine ganzseitige Anzeige: "Ja" stand dort über die gesamte Breite und Länge. Und darunter: "Die Bundesliga ist bald wieder da. Und wir von Sky freuen uns mit euch. Denn wir lieben den Fußball genauso wie ihr."
Eine ganz große Koalition aus Politik, Fußball und Medienunternehmen hat sich augenscheinlich zusammengetan, das Thema in die beabsichtigte Richtung zu bewegen. Warnende Gegenstimmen wie die des SPD-Gesundheitspolitikers Karl Lauterbach haben mittlerweile den Charakter einer Minderheitsposition angenommen. Als äußere sich hier ein schlecht gelaunter Querulant und Partycrasher. Bundesligapartien ohne Zuschauer - das ist alternativlos, so scheint es. Tatsachen werden geschaffen, obwohl es überhaupt noch keine gibt.
Anliegen der DFL ist legitim
Den Eindruck, dass hier eine konzertierte Aktion unterschiedlicher Lager unternommen wird, ist jedenfalls offensichtlich, Geisterspiele first, Bedenken second. Dass die DFL alles an Lobbyarbeit in Bewegung setzt, um ihr Geschäftsmodell durch diese Krise hindurchzuretten, ist nachvollziehbar und legitim. Dass die Politik und einige Medien sich bei ihr unterhaken, weil es vermeintlich ihren Interessen dient, ist allerdings bedenklicher.
Für Söder, den Macher mit dem Image des hart Durchgreifenden, der in Bayern sogar das Oktoberfest opfert, ist der Fußball ein Vehikel, nach außen zu zeigen, dass er sich nicht grundsätzlich gegen jede Lockerung stemmt. Laschet regiert ein Land, das nicht nur eine lebendige Küchenbau-Industrie beherbergt, sondern zwischen Rhein und Ruhr auch immer noch die Herzenskammer des deutschen Fußballs. Danach richtet er offenbar sein Handeln aus. Dass die beiden mächtigsten Vereine der Liga, Bayern München und Borussia Dortmund, aus dem Beritt der Ministerpräsidenten Söder und Laschet kommen, ist sicher kein Zufall.
Folgerichtig ist denn auch, wie das Echo aus beiden Vereinen ausfällt: "Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass bei Millionen Fans ein wenig Lebensfreude in die Wohnzimmer kommt", sagt BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge orchestriert: "Ich mag das Wort Geisterspiel nicht. Ich würde lieber sagen: Wir spielen Fußball im Geiste unserer Fans." Beide äußerten sich in einem Talk der "Bild", über die Zeitung läuft derzeit der Großteil der Meinungsbildung pro Bundesliga-Neustart.
Für manche Medien ist Fußball ein, wenn nicht sogar der Markenkern. Eine Fortsetzung der Bundesliga hält das Rad der Sportberichterstattung am Laufen, Schlagzeilen sind garantiert. Das muss man jetzt mitdenken.
Es gibt so viele Unwägbarkeiten
Dabei ist eine Wiederaufnahme des Ligabetriebs nach wie vor mit ganz vielen Unwägbarkeiten verbunden. Wie will man verhindern, dass sich Profis infizieren - und wenn es passiert: was dann? Wer darf in diesen Wochen Zugang zum Team haben? Wie sollen Fans davon abgehalten werden, sich angesichts der Spiele zu versammeln - am Stadion, aber auch anderswo? All diese Aspekte versucht die DFL mit einem Sicherheitskonzept zu beantworten. Aber ob das wirklich greift, ist vollständig offen.
Und was ist mit den Testkapazitäten, die vielleicht anderswo dringender gebraucht werden? Und wer hat die Spieler gefragt, ob sie all das wollen? Bisher ist von ihnen dazu wenig zu hören gewesen.
Das Ganze bleibt fragil. Aber auf der Autobahn geht es nur in eine Richtung. Wenden ist verboten, Bremsen nicht erwünscht.